Hamburg. Bäckereien fühlen sich von explodierenden Energiepreise besonders getroffen – und starten in ganz Norddeutschland besondere Aktion.

Nur die offene Ladentür ist an diesem Donnerstagmorgen das sichtbare Zeichen, dass die Bäckerei Hönig auf dem Tibarg in Niendorf geöffnet hat. Denn im Geschäft bleiben an diesem Tag die Lichter ausgeschaltet. Und wie hier am Tibarg geschah es in vielen Bäckereien im gesamten Stadtgebiet und darüber hinaus. Der Verkauf ging im Dunkeln vonstatten.

Zu der Aktion „Uns geht das Licht aus – Heute das Licht und morgen der Ofen“ hatte die Innung aufgerufen, um auf den existenzbedrohenden Preisanstieg für Energie aufmerksam zu machen. Norddeutsche Innungsbäckereien aus Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern beteiligten sich.

Bäcker in Hamburg und dem Norden in Sorge um Existenz

Die in der Innung organisierten etwa 800 Handwerksbäckereien mit vielen tausend Verkaufsfilialen bildeten mit Betriebsgrößen vom Kleinstbetrieb bis zu jenen mit weit über 1000 Mitarbeitern die Kernstruktur des Mittelstandes ab, so der Verband. Gerade dieser Mittelstand sei derzeit in seiner Existenz bedroht.

Das Bäckerhandwerk sei von der Energiekrise extrem betroffen, da sowohl Backöfen als auch Kühlanlagen besonders energieintensiv sind. Eine – wie Experten derzeit für mittelgroße Betriebe voraussagen – Versiebenfachung des Gaspreises und eine Vervierfachung des Strompreises bis 2023 könnten die Bäckereien nicht alleine auffangen, argumentieren sie. In etwa 70 Prozent der Bäckereien seien Gasöfen im Einsatz.

Energiekrise: Energiebedarf hätte längst reduziert werden müssen

„Ich habe es gleich“, sagt die Hönig-Kundin Helga Vollandt, die gerade im Halbdunkel in ihrem Portemonnaie kramt. „Das hätte man schon vor Jahrzehnten anfangen müssen“, sagt die ehemalige Lehrerin und meint das Reduzieren des Energiebedarfs. Die Menschen hätten schon sehr lange zu viele Ressourcen verbraucht. Und die Kundin Doris Schwarke glaubt, an die fehlende Beleuchtung werden sich wohl alle gewöhnen müssen. „Das ist die Richtung, in die wir gehen.“

Björn Hönig betreibt eine große Backstube in der Papenreye (ebenfalls Niendorf) und hat neben den beiden Verkaufsstellen in Niendorf noch eine in Barmbek Süd und eine in der HafenCity. Den Familienbetrieb gebe es seit 51 Jahren, sagt der 53-Jährige, sein Vater habe ihn begründet. „Wir backen Qualität. Wir machen heute den Teig und backen ihn erst am nächsten Tag.“ Und Qualität koste Geld.

Energiekrise: Hönig sieht kaum Einsparmöglichkeiten

Große Einsparmöglichkeiten sehe er nicht, sagt Hönig. „Ich habe schon neue Technik.“ Die Backstube habe er erst vor sieben Jahren neu gebaut – mit dem Umzug an den neuen Standort. „Ich habe moderne Öfen und moderne Kühlanlagen. Die Beleuchtung ist LED“, sagt der Bäckermeister, der 70 Mitarbeiter beschäftigt. Er könne nicht kälter backen und auch nicht kürzer. In der vergangenen Woche hat Hönig eine Mail von seinem Gasversorger erhalten – die vorzeitige Kündigung des Gas-Liefervertrags, der noch bis Mitte 2023 abgeschlossen war.

„Er hat zum 15. September 2022 gekündigt“, sagt der Bäcker. Er habe sich umgesehen, er werde statt monatlicher Abschlagszahlungen von etwa 3500 Euro künftig etwa 8500 Euro im Monat bezahlen müssen. Im vergangenen Jahr seien es noch 2000 Euro im Monat gewesen. „Das sind dann über 100.000 Euro im Jahr nur für Gas“, rechnet der Unternehmer vor, und auch für Strom müsse er im Jahr schon 50.000 Euro aufwenden. Früher hätten die Energiekosten etwa zwei Prozent vom Umsatz betragen, „jetzt sind das schon fünf bis sechs Prozent“, überschlägt Hönig. „Ich hoffe, dass Herr Habeck uns aufnimmt in das EnergieKostenDämpfungsProgramm. Er muss auch an uns Handwerksbetriebe denken, nicht nur an die Industrie.“

Energiekrise: „Die Bundespolitik muss handeln"

Die Bäckerinnung fordert zum Fortbestand der Betriebe und den damit zusammenhängenden Arbeitsplätzen die Aufnahme in das EnergieKostenDämpfungsProgramm, mit dem Belastungen durch starke Verbräuche an Erdgas und Strom für Wirtschaftsbetriebe gedämpft werden sollen. „Die Bundespolitik muss handeln. So wäre auch eine Deckelung der Energiepreise ein Lösungsansatz. Aber auch die Landesregierungen sind aufgerufen, durch einen Rettungsschirm Härtefälle aufzufangen“, fordert die Innung.

Obwohl er die Preise bereits angehoben habe, könne er die Preissteigerungen nicht komplett an die Kunden weitergeben, sagt Hönig. In der Pandemie habe er einen Kredit aufgenommen, aber das könne er ja nicht schon wieder machen, sagt der 53-Jährige, der den Handwerksbetrieb mit seiner Lebensgefährtin Bettina Blount führt, die für den Verkauf zuständig ist.

Energiekrise: Auch Personalmangel ein Problem

Wegen Personalmangels musste sie schon die Öffnungszeiten in der Papenreye einschränken. In dieser Filiale mussten die Lichter übrigens an bleiben – andernfalls hätte sich die Eingangstür nicht öffnen lassen. Aber sollte die Innung ihren Plan umsetzen und für 21. September zu einem Konvoi mit den Lieferfahrzeugen der Bäckereien durch die Innenstadt aufrufen, dann wären Blount und Hönig dabei.