Bargteheide. Steigende Energie- und Rohstoffpreise machen den Betrieben schwer zu schaffen. Mit einer Aktion fordern sie Hilfe von der Politik.
Eigentlich gehören Bäckereien zu den ersten Betrieben, in denen früh am Morgen das Licht brennt. Doch am Donnerstag ist das anders: In vielen Backstuben in Norddeutschland bleibt es dunkel. Unter dem Motto „Uns geht das Licht aus – Heute das Licht und morgen der Ofen?“ hat die Bäcker- und Konditorei-Vereinigung (BKV) Nord ihre rund 800 Mitgliedsbetriebe dazu aufgerufen, für einen Tag das Licht in den Verkaufsstellen auszuschalten. Der Verkauf läuft wie gewohnt weiter.
Die Aktion ist ein Hilferuf an die Politik: Die gestiegenen Gas- und Strompreise machen dem Bäckerhandwerk schwer zu schaffen. Doch im Gegensatz zu Versorgungsunternehmen, der produzierenden Industrie und den Verbrauchern hat die Bundesregierung für Bäckereien bislang nicht explizit Entlastungen vorgesehen.
Kock soll für Gas das 18-fache des bisherigen Preises bezahlen
Für viele mittelständische Betriebe, gerade im ländlichen Raum, werde die Situation zunehmend existenzbedrohend, warnt der BKV Nord. Wie sehr die Branche unter der Entwicklung der Energiepreise leidet, erzählt Hartmut Kock. Der Bäckermeister aus Bargteheide führt das 1956 gegründete Familienunternehmen seit 28 Jahren. „Auf Dauer halten wir das nicht durch“, sagt er. Deshalb beteilige er sich an der Aktion. „Wir brauchen jetzt Hilfe von der Politik“, sagt er.
Der Preis für eine Kilowattstunde Gas habe sich seit Jahresbeginn vervielfacht. Der BKV Nord rechnet bis 2023 im Schnitt mit einer Versiebenfachung des Gas- und einer Vervierfachung des Strompreises. Der Gasversorger von Hartmut Kock verlangt jetzt gar das 18-fache des bisherigen Preises für eine Kilowattstunde. „Wenn ich das bezahle, gehe ich in die Insolvenz“, sagt der Bargteheider, der in seinen sieben Filialen in Stormarn, Volksdorf und Bergstedt 55 Mitarbeiter beschäftigt.
In 70 Prozent der Bäckereien werden Gasöfen eingesetzt
Er hat dem Unternehmen deshalb inzwischen gekündigt. Doch Ersatz zu finden sei ebenfalls nicht leicht. „Die meisten Anbieter können nur ihre Bestandskunden versorgen, weil sie wegen der ausbleibenden Gaslieferungen aus Russland ihre Kapazitäten so schnell nicht erweitern können“, sagt Kock. Sein Betrieb droht deshalb, in die Grundversorgung zu rutschen. Die sei, trotz der im Vergleich mit anderen Anbietern schlechteren Konditionen, voraussichtlich aber noch immer günstiger als ein Verbleib beim bisherigen Versorger.
„Strom und Gas sind für mich existenziell“, sagt Kock. Drei große Öfen am Produktionsstandort in Bargteheide müssen mit Energie versorgt werden. Dazu kommen mehrere Kühlräume, in denen die Rohlinge für den kommenden Tag lagern. Nach Angaben des BKV Nord nutzen 70 Prozent der Bäckereien Gasöfen. Als zusätzliche Belastung kommen Mehrkosten bei den Rohstoffen und beim Personal dazu. Die Preise für Mehl und andere Zutaten wie Marmelade und Marzipan seien in den vergangenen Monaten um bis zu 80 Prozent gestiegen. „Beim Personal spüren wir die geplante Anhebung des Mindestlohns“, sagt Hartmut Kock.
Konkurrenz durch Supermärkte machten den Traditionsbetrieben zu schaffen
Nach Angaben des BKV Nord hat die mehrfache Erhöhung des Mindestlohns in diesem Jahr zu Personalkostensteigerungen von durchschnittlich 20 Prozent geführt. Es müssten nicht nur die Gehälter unterhalb der Grenze angehoben werden, sondern auch die darüber, um den Abstand in der Vergütung gelernter und ungelernter Tätigkeiten zu wahren.
Um die Mehrkosten abzufedern, hat Hartmut Kock in den vergangenen Monaten bereits seine Preise erhöht. Er sagt: „Wenn ich jetzt noch einmal mehr verlange, wollen auch treue Kunden die Preise irgendwann nicht mehr bezahlen.“ Ohnehin setze die Konkurrenz durch Supermärkte und Discounter den Bäckereibetrieben zu. Immer mehr von ihnen böten frisches, industriell gefertigtes Gebäck zu Preisen an, mit denen traditionelle Bäckereien nicht mithalten könnten.
Zentralverband der Bäcker veröffentlicht Forderungskatalog an die Politik
Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks hat angesichts der aktuellen Situation einen Katalog mit Forderungen für einen Rettungsschirm an die Politik auf Landes- und Bundesebene veröffentlicht. Konkret kritisiert er, dass das sogenannte Energiekostendämpfungsprogramm (EKDP) für Bäckereien geöffnet wird.
Mit dem Programm unterstützt das Bundeswirtschaftsministerium Unternehmen und Betriebe, die besonders stark von den hohen Energiepreisen infolge des Krieges in der Ukraine betroffen sind. Dabei sind aber nur bestimmte Branchen berechtigt, einen Zuschuss zu beantragen. Bäckereien stünden bislang nicht auf der Liste, obwohl sowohl Backöfen als auch Kühlanlagen besonders energieintensiv seien. Außerdem seien nur die für eine Bäckerei unerheblichen Heizkosten berücksichtigungsfähig.
Kock möchte jetzt auf Solarstrom setzen – aber Anlagen sind kaum lieferbar
Darüber hinaus fordert der Zentralverband eine Deckelung der Energiekosten, eine weitergehende Absenkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und Umsätze aus der Gastronomie und Ausnahmen von der CO2-Abgabe. Zur Finanzierung müsse die Ampel-Koalition die Schuldenbremse erneut aussetzen, auch über eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke müsse diskutiert werden.
Ob es staatliche Hilfen gibt, darauf mag Hartmut Kock nicht zu warten. Um wenigstens einen kleinen Teil Energiekosten einzusparen, möchte er eine Solaranlage auf seiner Produktionshalle installieren lassen. „Die Idee haben viele“, sagt er. Solarzellen seien derzeit kaum zu bekommen. „Die Lieferzeiten liegen bei mehreren Monaten“, sagt er. Zeit, die viele Bäckereien nicht haben.