Hamburg. Der Bundesgesundheitsminister war in der Hansestadt und hat sich einen Eindruck von einem Modellprojekt verschafft.

Ob Hilfe bei der Suche von Fachärztinnen, eine umfangreiche gesundheitliche Beratung oder Unterstützung für eine bessere Verständlichkeit der Arztdiagnose: All das können Hamburgerinnen und Hamburger bereits seit gut fünf Jahren ohne Termin und auch bei fehlenden Deutschkenntnissen auf einer von bis zu acht Sprachen im Gesundheitskiosk in Billstedt/Horn erhalten.

Was als Modellprojekt 2017 startete, funktioniert laut einer wissenschaftlichen Untersuchung der Universität Hamburg mittlerweile so gut, dass es nun bundesweit Schule machen soll. Nachdem die Bundesregierung dies bereits in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten hatte, präsentierte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun bei seinem gestrigen Besuch des Gesundheitskiosks in Billstedt die Eckpunkte einer Gesetzesinitiative, auf die zeitnah gesetzliche Regelungen folgen sollen.

Gesundheitskiosk: Konzept begeistert Lauterbach

Lauterbach lobte das Hamburger Modellprojekt als „bildgebend“ für das gesamte Bundesgebiet. Weil „Gesundheit eine der wichtigsten sozialen Fragen des 21. Jahrhunderts“ sei, müsse es Deutschland auch unter wirtschaftlichem Druck gelingen, das Solidarsystem in einer alternden Gesellschaft zusammenzuhalten, so der Minister. Besonders in medizinisch unterversorgten und einkommensschwachen Stadtteilen stellten Gesundheitskioske eine wichtige Anlaufstelle für Patienten dar und machten einen „entscheidenden Unterschied“.

Weder Geldbeutel noch Wohnort dürfe über die Behandlung von Patientinnen und Patienten entscheiden. So sollen „selbst in strukturell schwachen Gebieten alle die Möglichkeit haben, schnell und kompetent in Gesundheitsfragen beraten zu werden und unbürokratisch Hilfe zu erhalten.“

Bundesweit 1000 Gesundheitskioske geplant

Aus diesem Grund will der Gesundheitsminister nun langfristig dafür sorgen, dass bundesweit rund 1000 Gesundheitskioske aufgebaut werden, die den Zugang zu gesundheitlicher Versorgung von Patientinnen und Patienten mit besonderem Unterstützungsbedarf verbessern, die Versorgung koordinieren und so die „Lücken im System“ schließen. Zwar sei in Deutschland grundsätzlich ein gutes Präventionsangebot vorhanden, doch würde dieses oftmals die falschen Gruppen erreichen, so Karl Lauterbach. Insbesondere diejenigen, die nicht krankenversichert seien, obdachlos oder unter Sprachbarrieren litten, sollen von dem Angebot profitieren.

Konkret sehen die Eckpunkte vor, dass die Kioske die Gesundheitskompetenz von Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf fördern, etwa durch individuelle Beratung oder die Vermittlung von Leistungen der medizinischen Behandlung, Prävention und Anleitung zu deren Inanspruchnahme.

Personal soll auch Routineaufgaben übernehmen

Auch soll das Personal der Kioske, das durch examinierte oder perspektivische Pflegefachkräfte (Alten-, Kinder- und Krankenpfleger) gestellt werden soll, einfache medizinische Routineaufgaben übernehmen wie beispielsweise Blutdruck messen, Verbandswechsel vornehmen oder Wundversorgung leisten – dies jedoch nur auf Veranlassung von Ärztinnen und Ärzten.

Darüber hinaus sieht die Gesetzesinitiative die Bildung eines sektorenübergreifenden Netzwerks vor, das ebenfalls die Patientenversorgung erleichtern und verbessern soll. Auf diese Weise sollen vorhandene kommunale Strukturen und Ressourcen wie Jugendämter, Familien- und Integrationszentren, Ämter für Familie und Jugend oder Quartiersmanagement miteinbezogen werden. So wie in Billstedt, wo mittlerweile ein Gesundheitsnetzwerk von insgesamt 6000 Einrichtungen und Berufsgruppen besteht.

Gesundheitskiosk: Finanzierung durch Krankenversicherungen

Da die Kioske Daseinsvorsorge übernehmen, soll die Finanzierung mehrheitlich bei den gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen liegen, doch auch eine Beteiligung der Kommunen sieht die Gesetzesinitiative vor. Finanzielle Mehrkosten werde es nach Einschätzungen des Gesundheitsministers nicht geben, da vorherige Evaluierungen des Hamburger Projekts bereits eine deutliche Abnahme an Krankenhauseinweisungen im Umkreis des Kiosks gezeigt hätten. Die Idee sei, bereits präventiv einzugreifen und somit Verschleppungen von Krankheiten vorzubeugen.

Das Initiativrecht zur Errichtung eines Gesundheitskiosks soll alleinig bei den Kommunen liegen, so Lauterbach. Ziel sei es laut Eckpunktepapier jedoch, pro 80.000 Einwohner einen Kiosk aufzubauen. Wichtig sei aber, die Kioske nicht einfach nach einem „Copy-and-Paste-Verfahren“ aufzubauen, sondern auf die individuellen Bedarfe des jeweiligen Standorts einzugehen.

Sollten Bundestag und -rat dem Gesetzesentwurf noch in diesem Jahr zustimmen, hält der Minister einen Beginn des Projekts ab dem nächsten Jahr für realistisch.