Hamburg. Vertreter von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen wollen die Beschäftigung von Leihkräften einschränken. Die Hintergründe.

Weniger Zeitarbeit in der Pflege: Dafür forderten der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (BPA) und die Hamburgische Krankenhausgesellschaft e. V. (HKG) am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung Unterstützung von Politik und Kostenträgern. Zeitarbeit mache den Pflegeberuf unattraktiv und sorge jedes Jahr für Mehrkosten in Höhe von rund 15 Millionen Euro, so BPA und HKG. Der BPA vertritt deutschlandweit die Interessen von Einrichtungen der ambulanten und stationären Pflege, Behindertenhilfe sowie Kinder- und Jugendhilfe privater Träger.

Die HKG ist der Dachverband der Krankenhausträger und vertritt nach eigenen Angaben 35 Krankenhäuser in Hamburg und Umgebung. Die Einrichtungen würden mit Zeitarbeitsfirmen um Personal konkurrieren, die wiederum flexible Arbeitszeiten und höhere Gehälter bieten könnten. Gleichzeitig müssten viele Einrichtungen notgedrungen auf Zeitarbeit zurückgreifen, um die Folgen des allgemeinen Personalmangels und der Corona-Pandemie abzufangen.

Hamburger Kliniken: „Zeitarbeit schwächt Bezugspflege"

„Zeitarbeit drängt die Stammbelegschaft oftmals in die unattraktiven Rand-Arbeitszeiten, schwächt die Bezugspflege und lässt immense Beträge aus dem System der Kranken- und Pflegeversicherung abfließen, ohne dass tatsächlich zusätzliches Personal gewonnen wird“, sagte der BPA-Landesvorsitzende Frank Wagner. Stattdessen würden die Zeitarbeitsunternehmen aktiv Pflegekräfte aus Einrichtungen und Kliniken abwerben, „um sie dann wieder zurückzuvermieten“, so Wagner.

Die Situation wirke sich laut BPA und HKG auch negativ auf das bestehende Personal aus: Zum einen müsste durch die flexiblen Arbeitszeiten der Zeitarbeitskräfte der Betrieb oft um deren Einsätze herum organisiert werden, wodurch sich andere Arbeitnehmer zurückgesetzt fühlten. Außerdem würden zwar qualifizierte Kräfte über die Zeitarbeitsfirmen in die Häuser kommen, diese würden die Abläufe und Systeme vor Ort allerdings nicht kennen. Außerdem führen die Zeitarbeitskräfte nur die Arbeit „am Patienten“ durch, aber beispielsweise keine weiteren Aufgaben wie das Management von Medikamenten. All das würde den Aufwand für Bestandspersonal erhöhen. Ebenso die Kosten für die Einrichtungen.

"Mehrkosten von rund neun Millionen Euro pro Jahr“

„Durch den Einsatz der Zeitarbeitskräfte entstehen alleine in den Krankenhäusern der Hansestadt nicht refinanzierbare Mehrkosten von rund neun Millionen Euro pro Jahr“, sagte der 1. Vorsitzende der HKG, Joachim Gemmel. Mehr als sechs Millionen pro Jahr würden nach Berechnungen des BPA in den Einrichtungen der Langzeitpflege hinzukommen. „Diese Summe wird dem Gesundheitssystem Jahr für Jahr vollständig entzogen. Wenn wir stattdessen eigene Springerdienste und Personalpools einsetzen und die Mehrkosten an die Krankenkassen weitergeben können, wird die Versorgung im Ergebnis langfristig günstiger und die Arbeit in der Pflege für alle Beschäftigten attraktiver“, so Gemmel.

Der BPA forderte am Dienstag die Kostenträger auf, Rahmenvertragsverhandlungen zur Einführung von Poollösungen aufzunehmen. Auf Bundesebene fordern die Krankenhausvertreter eine Anpassung der Pflegefinanzierung und eine Refinanzierung der Mehrausgaben. Die Vertretungen baten auch Hamburgs Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD), die Verhandlungen zu unterstützen.

Sozialbehörde: Leiharbeitnehmer nur begrenzt einsetzen

Die Sozialbehörde teilte dazu auf Abendblatt-Anfrage mit, Leiharbeitnehmer sollten im Sinne der Qualität und Patientensicherheit grundsätzlich nur begrenzt in Ausnahmesituationen eingesetzt werden. Pflegekräfte müssten die Abläufe und Standards in einem Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung kennen und die Chance haben, eine Beziehung zu den Patienten aufzubauen.

„Für Pflegeeinrichtungen hat der Hamburger Senat dies schon vor zehn Jahren so festgesetzt und dabei vorgeschrieben, dass der Betreiber eine feste Gruppe von geeigneten Vertretungskräften aufbauen und vorhalten soll – also genau die jetzt geforderte Pool-Lösung“, so Sprecherin Stefanie Lambernd. „Wenn auch für die Krankenhäuser im Bundesrecht die Voraussetzungen für solche Lösungen verbessert werden können, wird Hamburg das unterstützen.“

Hamburger Kliniken müssen Nachweise liefern

Die Leiterin der Landesvertretung Hamburg des Verbands der Ersatzkassen (VDEK), Kathrin Herbst, sagte, die Kranken- und Pflegekassen hätten Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen „zu keiner Zeit“ aufgefordert, Zeitarbeit zu nutzen. „Dies war immer die unternehmerische Entscheidung der jeweiligen Träger“, so Herbst. „Wir begrüßen es daher außerordentlich und erwarten es auch, dass die Finanzmittel von gesetzlicher Krankenversicherung und sozialer Pflegeversicherung auch zu 100 Prozent in die Pflege ,am Bett‘ investiert werden.“

Die Kliniken würden die Pflege am Bett und damit die tatsächlich anfallenden Ist-Personalkosten gemäß der Reform des Gesetzgebers vollständig finanziert bekommen, müssten aber mit Testaten nachweisen, dass das Geld aus dem Pflegebudget genau dafür verwendet wird. „In Pflegeeinrichtungen wird das Pflegepersonal im Rahmen der Vergütungssätze refinanziert. Da die Pflegeversicherung vom Gesetzgeber als Teilkaskoversicherung angelegt und damit gedeckelt ist, finanzieren die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen alle Kostensteigerungen über ihren Eigenanteil“, so Herbst. Der VDEK fordere daher schon lange eine Reform der Pflegeversicherung.