Hamburg. Der 42-Jährige ist einer der erfolgreichesten Digital-Unternehmer Hamburgs. Hier spricht er über seine Gründungen und Sommeroffice.

Er ist mit seiner ersten Firmengründung gescheitert und beim Verlag Axel Springer („Bild“, „Welt“) in der Probezeit rausgeflogen. Heute gehört Jan Bechler zu den erfolgreichsten Digital-Unternehmern der Stadt, arbeitet mit seiner Agentur Finc3 für große Marken wie Bosch oder Unilever und kann sich vor Aufträgen und Anfragen nicht retten.

In unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“ spricht der 42-Jährige über Start-ups und Rückenschmerzen, Sommerbüros in Spanien und Schleswig-Holstein – und das Ziel, sich als Unternehmensgründer überflüssig zu machen.

Das sagt Jan Bechler über ...

… die Zeit bei Axel Springer, die anders verlief als gedacht:

„Ich bin bei Axel Springer in der Probezeit hochkant rausgeflogen. Ich kam aus meinem vorherigen Job dahin mit der Attitüde, der junge, digitale Innovationstyp zu sein, der ganz viele Freiheiten hat und alles so machen kann, wie er es für gut hält. Das war natürlich eine etwas naive Haltung für einen großen Konzern, der nicht auf so einen überambitionierten Menschen wie mich gewartet hat, der meint, man könne mal hier dies machen und dort das. Das funktionierte nicht, und deshalb haben wir das in der Probezeit beendet. Lustigerweise habe ich parallel zu unseren Gründungen dann noch ein paar Jahre für Axel Springer als Freelancer parallel Projekte gemacht, am Ende bis 2019.“

… das erste Unternehmen, das er gegründet hat, und schwere Rückenschmerzen:

„Ich habe mit zwei Freunden, die ich an der Hamburg Media School kennengelernt hatte, einen Marktplatz für Weine und Weinhändler im Internet gegründet. Wir waren überzeugt von dem Geschäftsmodell, aber es hat nicht funktioniert. Das war eine Phase, in der ich zu viel gearbeitet und mich auch nur über die Arbeit definiert habe, was, wie ich heute weiß, ein Fehler war. Irgendwann konnte ich nicht mehr gut schlafen und bekam Rückenschmerzen, die eines Tages so schlimm wurden, dass ich mit meinem Auto vor meiner Wohnung stand und nicht mehr herauskam.

Ich bin dann direkt ins UKE gefahren, wo man mir aus dem Auto rausgeholfen und eine Kernspintomografie gemacht hat. Mit dem Ergebnis, dass alles in Ordnung war. Danach habe ich gelernt, dass es ganz andere Dinge waren, die die Rückenschmerzen verursacht haben. Das war der Druck aus unserer Start-up-Gründung, die nicht so gut lief, wie wir und vor allem wie die Investoren sich das vorgestellt hatten. Aus dieser Erfahrung weiß ich heute, dass bei all meiner Liebe zur Arbeit, und ich arbeite wirklich gern, es auch noch andere Dinge in meinem Leben geben muss. Die Rückenschmerzen sind jetzt acht Jahre her, seitdem meditiere ich jeden Tag und setze mir selbst klare Grenzen.“

… die zweite Unternehmensgründung nach dem Scheitern:

„Nachdem wir mit unserem Weinprojekt gescheitert waren, haben meine Mitgründer Björn Sjut, Tim Nedden und ich angefangen, freiberuflich andere Firmen beim Online-Marketing zu beraten. Wir wollten die Zeit bis zur nächsten Gründung überbrücken. Doch als sich das herumsprach, sind wir mit Nachfragen überrannt worden. So hat die nächste Unternehmensidee uns gefunden, wir haben eine Agentur für Digital-Marketing gegründet, Finc3. Der Name entstand, weil wir unser erstes Büro in Räumen der Hamburg Media School in der Finkenau hatten und weil wir drei Gründer sind.“

… neue Partner:

„Wir haben uns Anfang des Jahres mit einer amerikanischen Agentur und einem amerikanischen Investor zusammen­geschlossen und wollen in den nächsten Jahren gemeinsam eine globale Gruppe von Digital-Agenturen aufbauen.“

… die Suche nach Mitarbeitern und Englisch als Firmensprache:

„Wir sind das ganze Jahr 2022 ausgebucht und nehmen Stand heute keine weiteren Aufträge mehr an. Wir wachsen sehr stark mit bestehenden Kunden wie Unilever, Bosch oder Tesa, und wir könnten sofort 30 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen, wenn das denn so einfach wäre. Die Suche nach Leuten ist bei uns, wie bei vielen Unternehmen im Moment, das größte Problem.

Was uns dabei hilft, ist, dass seit Tag eins unsere Firmensprache Englisch ist. Denn es gibt viele hochqualifizierte Menschen, die, zum Beispiel der Liebe wegen, nach Hamburg kommen, aber kein Deutsch sprechen oder nur sehr eingeschränkt. Die können bei vielen Firmen in der Stadt nicht mitarbeiten, bei uns schon. Außerdem gibt es bei uns ein unbegrenztes Weiterbildungsbudget.“

… Home- und Sommeroffice:

„Einer unserer Firmenwerte war schon immer, dass Output Input schlägt, und es ist uns deshalb egal ist, wo unsere Leute arbeiten. Das heißt, Homeoffice gehörte schon lange vor der Pandemie zur DNA des remote work, und deshalb mieten wir seit Jahren im Sommer in größere Häuser an, in denen unsere Kolleginnen und Kollegen arbeiten können, zum Beispiel auf Mallorca oder während der Pandemie in Schleswig-Holstein. Dieses Jahr ist das Sommeroffice in Barcelona.

Als der erste Lockdown in der Corona-Pandemie begann, sind wir mit einem Lkw zu jedem Mitarbeiter und jeder Mitarbeiterin nach Hause gefahren und haben ein komplettes Homeoffice-Equipment vorbeigebracht. Zu Weihnachten im Lockdown haben wir jeden zu Hause besucht und jedem einen Gutschein für einen Wellness-Aufenthalt an der Ostsee geschenkt.“

… überflüssige Chefs:

„Unsere Definition von Führung ist, uns überflüssig zu machen. Wenn keiner es mehr für nötig hält, dich etwas zu fragen, weil alle wissen, was und wie sie es machen müssen, dann hast du es als Unternehmer wirklich geschafft. Bis es so weit ist, musst du aber aufpassen, dass die Kolleginnen und Kollegen sich trauen, dir etwas zu sagen, dir zu widersprechen, sonst hast du nämlich verloren.“

Der Fragebogen: Was wollten Sie immer schon sagen

Was wollten Sie als Kind werden und warum?

Ich habe schon als kleiner Junge jeden Sonnabend um 15.30 Uhr vorm Radio gesessen und die Bundesliga-Konferenz auf NDR2 gehört. Ich wollte unbedingt Fußball-Reporter werden. Dieser Traum hat mich dann im Rahmen meines ersten Schulpraktikums zu Radio Hamburg verschlagen.

Was war der beste Rat Ihrer Eltern?

Keine Angst zu haben.

Wer war beziehungsweise ist Ihr Vorbild?

Der Werdegang von Hasso Plattner, der mit SAP einen der weltgrößten Technologie-Konzerne gegründet hat und sich heute in vielen Bereichen sozial engagiert. Er beeindruckt und inspiriert mich.

Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?

Wie schafft der das, drei Nächte pro Woche bis morgens um 5 am DJ-Pult zu stehen und trotzdem vernünftige Noten zu schreiben?

Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute machen?

Nachdem das erste Start-up, das meine Partner und ich gegründet haben, nicht funktioniert hat, wollten wir uns ein paar Monate als Freelancer im Digital-Bereich durchschlagen. Dass daraus mal eine Agentur mit 160 Mitarbeiter/-innen entstehen könnte, war damals weder geplant noch absehbar.

Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?

Meine Eltern, die mir immer ermöglicht haben, meinen Interessen und Talenten nachzugehen und die mir meinen MBA an der Hamburg Media School finanziert haben, ohne den es weder unsere Firma noch einige meiner engsten Freundschaften heute geben würde.

Auf wen hören Sie?

Auf meine Verlobte! Als wir noch relativ frisch zusammen waren, habe ich mal zu meinem besten Freund über sie gesagt: „Sie schafft es, mir klar zu zeigen, wenn ich mal wieder eine dumme Idee habe, ohne mir dabei auf den Sack zu gehen.“ Das ist zum Glück bis heute so geblieben.

Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?

Hanseatische Zuverlässigkeit. Ich wusste bei allen Chefs (so viele hatte ich nicht in meinem Leben), dass der Handschlag mehr zählt als jeder Vertrag.

Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?

Unangenehmen Gesprächen aus dem Weg gehen.

Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?

Vertrauen muss man sich bei mir nicht erarbeiten, man kann es höchstens verspielen. Ich glaube, Führung hat das Ziel, sich selber überflüssig zu machen. Und ich versuche, Mitarbeiter/-innen immer viel Vertrauen und hohe Freiheitsgrade zu geben.

Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?

Wenn Geld für mich ein großer Treiber wäre, würde ich weniger Zeit in Ehrenämter und karitative Projekte investieren.

Was erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern?

Ehrlichkeit.

Worauf achten Sie bei Bewerbungen?

Rechtschreibung.

Duzen oder siezen Sie?

Ich duze.

Was sind Ihre größten Stärken?

Ich glaube, ich kann recht gut Menschen begeistern und aktivieren. Außerdem finde ich mein süßes Rührei wirklich gut: Rührei mit Honig, Kokosflocken und angebratenem Obst. Klingt seltsam, schmeckt herausragend.

Was sind Ihre größten Schwächen?

Multitasking und die damit (zu) oft verbundene mangelnde Aufmerksamkeit.

Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?

Den leider verstorbenen ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher.

Was würden Sie ihn fragen?

Wie war das damals in den Verhandlungen mit der Sowjetunion, an deren Ende er in der Prager Botschaft den DDR-Bürgern ihre Ausreise nach Deutschland verkünden konnte?

Was denken Sie über Betriebsräte?

Firmen, die die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter/-innen ignorieren, machen einen großen Fehler. Idealerweise führen Unternehmer/-innen ihre Firmen so, dass sie keinen Betriebsrat brauchen. Wenn es ihn aber gibt, ist allen Seiten geholfen, wenn man sehr konstruktiv und pragmatisch zusammenarbeitet. Bei Finc3 gibt es keinen Betriebsrat, stattdessen haben wir als Gründer das „Happiness Committee“ ins Leben gerufen – eine Gruppe von Kolleg/-innen, die einen Teil ihrer Zeit und ein Budget zur Verfügung zu haben, um Dinge zu initiieren und auch von uns als Geschäftsführung einzufordern, die für mehr „Happiness im Job“ sorgen.

Wann haben Sie zuletzt einen Fehler gemacht?

Heute. Ich mache jeden Tag Fehler.

Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?

Für mich war immer wichtiger, mit wem ich etwas zusammen mache als was ich mache.

Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?

Etwa 45.

Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?

Ich komme ziemlich konstant auf über sieben Stunden.

Wie gehen Sie mit Stress um?

Ich meditiere seit etwa acht Jahren nahezu täglich. Außerdem hilft mir Sport sehr gut, Stress hinter mir zu lassen.

Wie kommunizieren Sie?

Über WhatsApp und Microsoft Teams.

Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?

Seit Pandemiebeginn zu viel, mir fehlen noch immer Reisen und persönliche Gespräche.

Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?

Don’t work with assholes.

Was unterscheidet den Menschen von dem Manager Jan Bechler?

Hoffentlich gar nichts.

Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?

You can do anything, but not everything.

(Frei übersetzt: Du kannst alles schaffen, aber nicht alles machen)