Hamburg. Es geht um Mailverkehr aus seiner Zeit als Bürgermeister. Was das Kanzleramt dazu sagt – und was die Opposition jetzt fordert.

Die Ermittlungen zu den illegalen Cum-Ex-Geschäften von Banken und möglichen Begünstigten ziehen immer weitere Kreise – und haben nun auch die politische Spitze der Republik erreicht. Nach Informationen des Abendblattes wurden bereits im Frühjahr sogar Mails des früheren Hamburger Bürgermeisters und heutigen Bundeskanzlers Olaf Scholz (SPD) durchsucht.

Laut Unterlagen, die Mitgliedern des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) zu Cum Ex in Hamburg vorliegen, hat es bereits am 30. März 2022 einen Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichtes Köln für das Postfach "olaf.scholz@sk.hamburg.de" gegeben. Das war das offizielle Postfach von Scholz in seiner Zeit als Bürgermeister. Laut Gerichtsbeschluss wurden danach Mails, Kalendereinträge und Anhänge aus diesem Postfach seit dem 1. Januar 2015 durchsucht – beim IT-Dienstleister Dataport.

Cum-Ex-Affäre: Olaf Scholz und die Steuern der Warburg-Bank

Bei der Durchsuchung ging es um die Frage, ob und wie von der Politik Einfluss auf die im November 2016 getroffene Entscheidung genommen wurde, auf eine Steuerrückforderung von 47 Millionen Euro gegen die Warburg-Bank im Kontext von Cum-Ex-Geschäften zu verzichten. In dem Gerichtsbeschluss wird dabei auch auf Treffen von Scholz mit dem damaligen Warburg-Chef Bezug genommen.

Die Durchsuchung der Scholz-Mails soll im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen den langjährigen SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs und andere wegen des Anfangsverdachts der Begünstigung und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung stehen. Bei Kahrs, der sich für Warburg eingesetzt haben soll, waren im Zuge von Durchsuchungen, wie jetzt bekannt wurde, 214.800 Euro Bargeld in einem Bankschließfach gefunden worden.

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, sagte auf Abendblatt-Anfrage zu der Durchsuchung der Scholz-Mails: „Davon ist mir nichts bekannt. Es gibt auch nichts zu verbergen.“ Am Dienstag und am Donnerstag hört der PUA in Hamburg erneut zahlreiche Zeugen. Am 19. August wird auch Bundeskanzler Scholz erneut aussagen.

Opposition fordert Aufklärung – auch von Kanzler Scholz

Angesichts der jüngsten Entwicklung sieht die Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft neben Johannes Kahrs auch Kanzler Scholz in der Pflicht, sondern auch Bundeskanzler: „Mehr als 200.000 Euro Bargeld in einem Schließfach werfen natürlich Fragen auf“, sagt CDU-Fraktionschef Dennis Thering. „Woher stammt das Geld? Gibt es einen Zusammenhang mit den Parteispenden an die Hamburger SPD und die Cum-Ex- Steueraffäre um die Warburg-Bank?“

Es sei „sicher kein normaler Vorgang, in dieser Größenordnung Bargeld gebunkert zu haben“, insbesondere „weil Johannes Kahrs in der Cum-Ex-Steueraffäre mutmaßlich eine wichtige Rolle gespielt hat“, sagte Thering. Das verschärfe die Lage auch für Bundeskanzler Olaf Scholz und Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (beide SPD). „Der Druck für eine umfassende Aufklärung wächst.“

Der Grünen-Abgeordnete Farid Müller sagte: „Es ist nicht verboten, 200.000 Euro zu haben, allerdings ist es ungewöhnlich, sie im Schließfach zu lagern. Gedanklich konstruiert man da natürlich einen Zusammenhang, aber belegt ist noch nichts.“

Linke: SPD will Scholz aus der Schusslinie nehmen

Nach Ansicht von Norbert Hackbusch, Obmann der Linken-Fraktion im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss, verdichten sich „die Hinweise, dass in der Hamburger Finanzbehörde des damaligen Senators Peter Tschentscher keineswegs alles mit rechten Dingen zuging“ und dass es eine Einflussnahme von SPD-Politikern auf die steuerliche Behandlung der Warburg-Bank gegeben haben könnte.

Hackbusch sagte, er halte die Befragungen mehrerer Zeugen in dieser Woche und von Scholz am 19. August für „übereilt und falsch“, da die jüngsten Informationen dem Ausschuss erst seit wenigen Tagen vorliegen. „Mir drängt sich da der Verdacht auf, dass es der SPD weniger um Aufklärung geht und mehr darum, Scholz ganz schnell aus der Schusslinie zu nehmen.“

Der AfD-Abgeordnete Alexander Wolf, ebenfalls Mitglied im Cum-Ex-Unter­suchungsausschuss, sprach von „Fassungslosigkeit“ angesichts des Schließfachfunds. „Die Fülle an Ungereimtheiten wirft immer mehr Fragen auf – das stinkt zum Himmel“, sagte Wolf. „Und Bürgermeister Tschentscher und Kanzler Olaf Scholz wollen nichts gewusst haben? Glaubwürdigkeit sieht anders aus.“

Cum-Ex-Affäre: Scholz wusste nichts von Kahrs' Schließfach-Bargeld

Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International Deutschland forderte, Kahrs solle „unverzüglich“ über die Herkunft des Bargelds informieren. „Kahrs ist in der Vergangenheit durch seinen an Lobbyismus grenzenden politischen Einsatz für die Warburg-Bank wiederholt auffällig geworden“, sagte der Transparency-Vorsitzende Hartmut Bäumer dem „Tagesspiegel“.

Bundeskanzler Olaf Scholz wusste nach Angaben seines Sprechers Steffen Hebestreit nichts von einer möglichen größeren Bargeldsumme im Besitz des früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs. Das könne er ausschließen, sagte Hebestreit am Montag. Scholz werde sich Ende kommender Woche erneut den Fragen des Untersuchungsausschusses stellen. „Auch dort wird alles, was sachdienlich zu sagen ist, behandelt werden“, sagte Hebestreit.