Hamburg. Neue Entwicklungen: Staatsanwaltschaft sieht Indizien für Vertuschung. Antrag der CDU droht zu scheitern.
Könnte es in dem Cum-Ex-Skandal tatsächlich einen Komplott gegeben haben? Dieser Verdacht erhält derzeit neue Nahrung. Nachdem ein WhatsApp-Chat öffentlich geworden war, in dem die zuständige Finanzbeamtin Daniela P. von einem „teuflischen Plan“ sprach, der aufgegangen sei, werfen neue Details weitere Fragen auf.
Nach Recherchen des Abendblatts war die Hamburger Finanzverwaltung bis zuletzt offenbar sehr darauf bedacht, den Aufklärern möglichst wenig Material zur Verfügung zu stellen. Die Staatsanwaltschaft Köln sieht deutliche Hinweise darauf, dass zuvor interne Mails gezielt gelöscht worden sein könnten. Es gab demnach auch Warnungen, keine weitere schriftliche Spur zu erzeugen.
Cum-Ex-Skandal: Sehr wenig Schriftverkehr vorhanden
So erfuhr im Juli 2019 der persönliche Referent von Bürgermeister Peter Tschentscher offenbar, dass Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD) sich schriftlich mit Tschentscher über einen möglichen Deal mit der Warburg-Bank ausgetauscht haben soll, um deren Cum-Ex-Steuerschulden es in der Affäre geht. Wiederum per Mail beschwerte der Referent sich bei Tschentscher, dass Dressel dies doch nicht dürfe und nun auch noch einen nachvollziehbaren Schriftwechsel produziert habe. Nach Abendblatt-Informationen sehen die Ermittler in Nordrhein-Westfalen darin ein Indiz, dass Kommunikation verborgen bleiben sollte.
Darüber hinaus fiel in den Ermittlungen auf, dass es in den fraglichen Jahren vor 2020 zahlreiche Kalendereinträge in der Finanzverwaltung zum Thema Cum-Ex gebe und das Thema mutmaßlich eine größere Rolle gespielt hätte – aber nur noch sehr wenig Schriftverkehr vorhanden sei. So wurde Tschentscher in seiner Zeit als Finanzsenator in der Regel schriftlich über Razzien wegen Cum-Ex-Geschäften informiert, aber im Falle einer Durchsuchung bei der Warburg-Bank liegt eine solche Mail nicht vor. Trotz der Besprechungen tauchte Cum-Ex auch sonst in den internen Mails, die die Ermittler gesammelt haben, kaum auf.
PUA forderte nur ausgewählte Mails an
Wie stark deuten diese Indizien wirklich auf geheime interne Absprachen oder Löschungen hin? Die Staatsanwaltschaft Köln äußert sich nicht zum Ermittlungsstand. Sowohl hier, als auch bei der Mail des Referenten von Tschentscher sind die Hintergründe aber unklar. Es ist denkbar, dass der Referent schlicht einen Bruch des Steuergeheimnisses fürchtete, wenn Dressel mit Tschentscher über die Warburg-Bank spreche, nachdem Tschentscher bereits zum Bürgermeister aufgestiegen war. Kalendereinträge bedeuten auch nicht zwingend, dass es einen ausführlichen Schriftverkehr gegeben haben muss.
Weitere Fragen ergeben sich jedoch für die Ermittler daraus, dass sich Mitarbeiter der Finanzverwaltung noch im vergangenen Jahr regelrecht darüber freuten, dass der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) nicht alle Mails nach bestimmten Schlagworten zum Thema Cum-Ex angefordert habe. Nach Abendblatt-Recherchen liegt den Ermittlern die Mail eines Mitarbeiters der Finanzbehörde vor, der darin ausdrücklich hofft, dass dies so bleibe. In weiteren Mails anderer Mitarbeiter wird darüber diskutiert, wie man möglichst nicht mehr als unbedingt nötig in die Hände der Parlamentarier geben muss.
PUA will kurzfristig weitere Zeugen vernehmen
Auch diese Vorgänge sind bemerkenswert, wenngleich nicht zwingend ein Hinweis darauf, dass es etwas zu verbergen gab. Eine Zurückhaltung und auch Unlust der Finanzverwaltung, Dokumente an Dritte herauszurücken, ist nicht unüblich. Die Staatsanwaltschaft sieht jedoch offenbar Anlass für weitere Nachforschungen. Der PUA will im Lichte der neuen Erkenntnisse kurzfristig weitere Zeugen vernehmen und hat zusätzliche Akten beantragt. Darunter ist die vorher noch nicht erfolgte Abfrage der Kommunikation nach Schlagworten – insbesondere interessiert die Parlamentarier der WhatsApp-Chat der Finanzbeamtin Daniela P.
Der „WDR“ hatte berichtet, dass die für die Warburg-Bank zuständige Finanzbeamtin Daniela P. einer Vertrauten am 17. November 2016 geschrieben hatte, ihr „teuflischer Plan“ sei aufgegangen. Nur wenige Stunden zuvor hatte sich die Hamburger Finanzbehörde überraschend dazu entschieden, auf die 47 Millionen Euro Steuerforderung aus Cum-Ex-Geschäften an die Warburg-Bank zu verzichten.
Cum-Ex-Skandal: Finanzbeamtin soll befragt werden
Die Nachfrage ihrer auch bei der Hamburger Finanzbehörde angestellten Freundin Bettina K., ob man verjähren lasse, bejahte sie – „wenn nichts dazwischenkomme“. Der Chat-Verlauf legt zudem nahe, dass weitere Stellen der Hamburger Finanzverwaltung mitgewirkt haben könnten – oder zumindest davon wussten. SPD und Grüne haben laut einer E-Mail, die dem Abendblatt vorliegt, nun einen „Beweisantrag auf Zeugenvernehmung von Frau Bettina K.“ gestellt. Die Zeugin „soll zum Inhalt dieses Austausches befragt werden“, heißt es darin.
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Der PUA geht der Frage nach, ob der Hamburger Privatbank MM Warburg auf politischen Druck hin, etwa von SPD-Politikern wie Peter Tschentscher oder Bundeskanzler Olaf Scholz, Steuerrückzahlungen in Millionenhöhe mit Blick auf Cum-Ex-Geschäfte erlassen worden seien.
CDU-Antrag auf Verschiebung von Terminen droht zu scheitern
Vor diesem Hintergrund hat die CDU in der Hamburgischen Bürgerschaft beantragt, die für den 19. August geplanten Vernehmung von Kanzler Olaf Scholz (SPD) vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum „Cum-Ex“-Skandal zu verschieben. Doch dise Antrag scheint nun zu scheitern. Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen hätten angekündigt, eine Verlegung von Terminen abzulehnen, teilte die CDU-Fraktion am Freitag mit. Der CDU-Antrag, dem sich alle Oppositionsfraktionen angeschlossen hätten, betrifft den Angaben zufolge neben der neuerlichen Befragung von Kanzler Scholz auch die Vernehmung von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sowie von jenen Mitgliedern der Finanzverwaltung, die an dem Steuerverzicht gegenüber der in den „Cum-Ex“-Skandal verwickelten Hamburger Warburg Bank beteiligt waren.
„Das Verhalten von SPD und Grünen grenzt an eine Verhöhnung der parlamentarischen Kontrolle“, sagte der Sprecher der CDU-Fraktion im Ausschuss, Götz Wiese. Dass sich die Grünen als Rechtsstaatspartei diesem Spiel anschließen wollten, lasse tief blicken. So werde die Arbeit des Ausschusses torpediert. „Dies ist geradezu zynisch, wenn man sich bewusst macht, dass sich Olaf Scholz nur an Informationen erinnern mag, die öffentlich bekannt sind.“
Warburg-Gesellschafter ziehen vor Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
Die Gesellschafter der Hamburger Warburg Bank, Max Warburg und Christian Olearius, sehen sich unterdessen in ihren Menschenrechten verletzt. Ein Sprecher des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg bestätigte auf Anfrage, dass Olearius und Warburg „einen Antrag gegen Deutschland gestellt haben und dass das Verfahren derzeit anhängig ist“. In mehreren deutschen Gerichtsurteilen seien beide „mit überschießenden und vorverurteilenden“ Festlegungen in ihren Rechten verletzt worden