Hamburg. Hamburg verhandelt über Flächentausch. Das Areal unweit der HafenCity könnte für Entwicklungsprojekte frei werden.

Dichtbehängte Brombeersträucher überwuchern die Brücke zum Anleger Saalehafen auf der Veddel. Die marode Anlage im Norden der Hamburger Elbinsel ist abgesperrt. Die Holzplanken sind morsch, die graue Farbe blättert, bei Ebbe fällt das Hafenbecken zu großen Teilen trocken. Schon lange hat hier kein Schiff mehr angelegt. „Was soll ich sagen? Die Tschechen sind weg“, meint schulterzuckend Magdalena Meierdirks, die seit vielen Jahren hinter den alten Lagerhäusern auf der anderen Seite des Hafenbeckens ihren Imbiss „Zum Lütten Foffteiner“ betreibt.

Das war mal anders. Für Jahrzehnte waren der Saale- und der Moldauhafen gleich nebenan erst für die Tschechoslowakei und dann für ihren Rechtsnachfolger Tschechien das Tor zur Welt. Für die Hamburger war es schlicht der „Tschechenhafen“. Deutschland gewährte freie Zufahrt für Binnenschiffe, die Waren über Moldau und Elbe in den Hamburger Hafen brachten. Deutsche Beamte durften das Pachtgebiet nicht unangemeldet betreten.

Als der eiserne Vorhang fiel, endete Glanzära des „Tschechenhafens“

Ein Klubschiff diente den tschechischen Besatzungen und Arbeitern mit einem Kino und einer Gaststätte mit tschechischem Bier zur Unterhaltung. Es gab Reparaturbetriebe für die Schiffe und Unterkünfte an Land – bis zum Fall des Eisernen Vorhangs. Die samtene Revolution bedeutete 1989 nicht nur einen Systemwechsel in der Tschechoslowakei, sie läutete auch das Ende der goldenen Ära des „Tschechenhafens“ in Hamburg ein.

Letzte zweisprachige Hinweisschilder am Anleger Saalehafen und eine verlassene Telefonzelle am früheren Verwaltungsgebäude der längst Pleite gegangenen ehemals staatlichen Schifffahrtsgesellschaft CSPL sind letzte stumme Zeugen der lange Geschichte, die noch bis heute reicht, auch wenn die Nutzung des Hafens eine Folge des Ersten Weltkriegs ist.

Tschechenhafen: Abstellplätze für Container eingerichtet

Im Friedensvertrag von Versailles wurde geregelt, dass das Deutsche Reich der aus dem Habsburger-Reich hervorgegangenen Tschechoslowakischen Republik (CSR) zwei Meereszugänge überlassen muss – einen im heute polnischen Stettin, den anderen in Hamburg. Nach zehnjährigen Verhandlungen schlossen die Hansestadt und die Regierung in Prag 1929 schließlich einen Pachtvertrag für rund 28.000 Quadratmeter Kaifläche am Saale- und Moldauhafen. Die kleine Peute-Halbinsel weiter östlich wurde später noch hinzugekauft. Der Pachtvertrag läuft über 99 Jahre – also noch bis 2028.

Auf den Flächen am Saale- und Moldauhafen haben inzwischen Speditionen Abstellflächen für Container eingerichtet. „Die Nutzungsmöglichkeiten für diese Hafengebiete sind eingeschränkt, weil ein Zugang für Seeschiffe fehlt“, sagt Jan Bukovský, Sprecher der tschechischen Wasserstraßendirektion (RVC), die für die Verwaltung der Flächen in Hamburg verantwortlich ist. „Deshalb hat die Be- und Entladung von Binnenschiffen hier im Moment keine große Bedeutung.“

Hamburg bleibt bedeutendster Überseehafen für Tschechien

Dennoch bleibt Hamburg der bedeutendste Überseehafen für den Außenhandel Tschechiens und der Slowakei, weiß Vladimír Doboš, der als Repräsentant des Hamburger Hafens in Prag die tschechischen und slowakischen Kunden betreut. Nur dass der Transport heute über Container laufe – immerhin in einem Umfang von fast einer halben Million 20-Fuß-Standardcontainer (TEU) jährlich. Doch die würden zu 95 Prozent mit der Bahn und zu 5 Prozent mit dem Lkw transportiert. Für die Binnenschifffahrt bleibt da nichts.

Wenn man auf dem Anleger Saalehafen steht und den Blick nach Norden richtet, sieht man die Zukunft: Baukräne und Rohbauten machen deutlich, wie die Hafencity wächst und längst zum Sprung über die Elbe angesetzt hat. „Die Flächen am Dresdener und Halleschen Ufer entlang des Saalehafens sind Bestandteil der städtebaulichen Funktionsplanung Grasbrook“, sagt Ullrich Kerz von der Hamburg Port Authority (HPA). Nach Ablauf der tschechischen Pacht sollen sie als neue Gewerbestandorte mit Hafenbezug durch die Hafencity Hamburg GmbH entwickelt werden.

Verhandlungen über Zukunft des Tschechenhafens laufen

Schon seit langem sind Hamburg und Prag in Verhandlungen, wie es mit den Flächen weitergehen soll. Immer wieder wurden die Gespräche unterbrochen. „Im Moment werden Verhandlungen mit der Stadt Hamburg über einen Gebietstausch geführt“, sagt Bukovský von der Wasserstraßendirektion in Prag.

Tschechien würde Saale- und Moldauhafen gern an die Stadt zurückgeben und stattdessen ein Gebiet von ungefähr gleicher Größe im Hafengebiet für Seeschiffe mieten. „Daran besteht unter tschechischen Firmen ein großes Interesse, was von der aktuellen geopolitischen Situation noch befördert wird“, sagt er.

Als Tauschfläche wäre Kuhwerder Hafen unweit von Blohm + Voss denkbar

In Hamburg ist man dafür offen. „Das Angebot der Freien und Hansestadt Hamburg, der Tschechischen Republik eine adäquate Ersatzmietfläche über das Jahr 2028 hinaus zur Verfügung zu stellen, besteht unverändert“, sagt Kerz. Im Gespräch ist dem Vernehmen nach eine Fläche im Kuhwerder Hafen zwischen den Docks von Blohm + Voss und dem Kreuzfahrtterminal Steinwerder.

Ziel Tschechiens sei es, einen Mietvertrag für einen möglichst langen Zeitraum zu erhalten, sagt Bukovský – und das quid pro quo: „Im Gegenzug würde der Raum von Saalehafen und Moldauhafen für städtische Entwicklungsprojekte frei.“ Ansonsten steht auch eine Option zur Verlängerung der Pacht im Raum, aber das will wohl keiner.