Hamburg. Seit einem Zerkarienbefall und Kritik in den sozialen Medien gibt es Umsatzeinbußen – aber auch neue Gäste und Ideen für die Zukunft.

Die Sonne scheint. Die Badegäste im Naturbad Kiwittsmoor nehmen auf der Liegewiese ein Sonnenbad oder ziehen im hinteren Becken ihre Bahnen. Am sandigen Ufer vor dem Nichtschwimmerbereich spielen Kinder. Alles ist entspannt und friedlich. Aber nicht gut.

Denn seit vor einigen Wochen ein – im Sommer nicht ungewöhnlicher, aber ungewöhnlich heftiger – Zerkarienbefall die Badegäste aus dem Wasser getrieben und in den sozialen Medien einen Shitstorm ausgelöst hat, verzeichnet das Naturbad hohe Umsatzrückgänge. Außerdem kündigten zwei der ehrenamtlichen Mitarbeiter, weil sie sich den persönlichen Anfeindungen nicht weiter aussetzen wollten.

Naturbad Kiwittsmoor: Neue Gäste trotz Zerkarien

Ein bisschen zuversichtlicher ist Badleiter Dirk Pommerening mittlerweile schon. Denn das Naturbad, das auf einem großen Grundstück mit alten Bäumen, weiten Wiesenflächen und einem Beachvolleyballplatz liegt, hat neue Badegäste gewonnen. „Sie sind durch die Abendblatt-Berichterstattung über den Shitstorm und die Umsatzeinbußen auf uns aufmerksam geworden – und manche schon mehrfach wiedergekommen“, so Pommerening.

Melanie L. aus Niendorf etwa ist mit ihren Kindern heute zum ersten Mal hier. „Eigentlich gehe ich nicht so gerne ins Freibad, weil es da oft so überfüllt ist.“ Dass momentan weniger Leute wegen des kürzlichen Zerkarienvorfalls ins Naturbad Kiwittsmoor kommen, kann sie nicht nachvollziehen. „Das ist eben Natur.“ Jenny und Zoe sehen das genauso, waren gerade 20 Minuten im Wasser. „Wir waren erst skeptisch wegen der Zerkarien neulich. Jetzt finden wir es aber sehr schön.“

Naturbad braucht die alten Besucherzahlen

Pommerening, der auch erster Vorsitzender des Hamburger Turnerbundes ist, dem Pächter und Betreiber des Naturbades, freut sich über jeden neuen Gast. Aber er weiß auch: Um wirtschaftlich überleben zu können, braucht das Bad die alten Besucherzahlen. Bis zu 2000 Badegäste waren vor dem Zerkarienereignis an warmen Sommertagen gekommen. Um daran anzuknüpfen, aber auch, um den durch Wasservögeln übertragenen Zerkarien keine Chance mehr zu geben, will Pommerening eine Plane anschaffen, um das Wasser abends abdecken zu können.

Die ansässige Population der Grau- und Nonnengänse sei in den vergangenen Jahren ständig gewachsen und halte sich gerne im Naturbad auf. „Morgens, wenn wir aufmachen, vertreiben wir sie und entfernen ihre Hinterlassenschaften auf der Wiese, auf dem Steg und am Ufer, so gut es geht“, sagt der Badleiter. „Aber im Wasser ist das schwierig. Da sollen sie gar nicht mehr hin.“

Neue Plane und ein Beachsoccerballfeld

Wegen der erforderlichen Größe von gut 50 mal 50 Metern könne die Plane aber nicht per Hand gezogen werden, sondern benötige einen Elektroantrieb und eine entsprechende Haltevorrichtung. Wie so etwas aussehen kann, will sich Pommerening demnächst beim Club an der Alster ansehen, der sein – sehr viel kleineres – Schwimmbad mit einer solchen Plane abdeckt.

Doch die Plane ist nicht die einzige Neuerung, die ihm vorschwebt. Die vier Beachvolleyballfelder sollen um fünf weitere und ein Beachsoccerballfeld ergänzt werden. Auch über Angebote für einen ganzjährigen Betrieb der Anlage hat sich Pommerening bereits Gedanken gemacht – und das nicht erst nach dem Zerkarien-Vorfall. „Wir müssen uns angesichts des Klimawandels neu aufstellen. Der wirkt sich ja nicht nur auf den Wasservogelbestand aus, sondern auch auf die Temperaturen im Winter:“ Was er sich gut vorstellen kann, ist ein ganzjährig nutzbares Bad.

Winteryoga und Seniorensport wären denkbar

„Ich habe viele Ideen, aber dafür brauche ich Leute“, so der BMW-Manager im Vorruhestand, der vor fünf Jahren aus München in seine Heimatstadt Hamburg zurückkehrte. Bislang konnte er in Kooperation mit Langenhorner Institutionen schon einiges umsetzen: So organisierte er mit dem Langenhorner Kulturhaus ella während der Coronazeit im Naturbad Musicals mit den Hauptdarstellern von „Ich war noch niemals in New York“ und „Abba“. Und mit dem Weinhaus Lehmitz veranstaltet er an diesem Wochenende eine Weinverkostung für geladene Gäste. Auch Winteryoga und Seniorensport kann er sich im Bad vorstellen. „Dafür gibt es doch einen großen Bedarf.“

Angst vor Wasserknappheit angesichts des Klimawandels hat er nicht. „Wir dürfen ein gewisses Kontingent an Grundwasser hochpumpen, das wir bislang noch nie ausgeschöpft haben. In diesem Jahr kommen wir wegen des häufigen Wasseraustauschens wohl das erste Mal an die Grenzen“, so Pommerening. Normalerweise werde das Wasser nur einmal im Frühjahr abgelassen und der Teichboden gereinigt. Wegen der Zerkarien war dieses Jahr ein Wasseraustausch auch außer der Reihe notwendig.

Naturbad Kiwittsmoor ist eine Notpumpe in Hamburg

Das Naturbad Kiwittsmoor ist übrigens eine von rund 30 Notpumpen in Hamburg. „Wir versorgen die Bevölkerung im Umfeld, wenn Hamburg Wasser mal Pro­bleme mit der Wasserversorgung haben sollte“, so Pommerening. Einmal im Jahr überprüfe das THW die Pumpe, auch der Grundwasserspiegel werde regelmäßig kontrolliert – ebenso die Wasserqualität, die laut Umweltbehörde in der Badesaison alle drei Wochen beprobt wird.

Dabei werden die Sichttiefe und die Farbe des Wassers bestimmt, und es wird untersucht, ob es sichtbare Algen, etwa Cyanobakterien (Blaualgen), gibt und ob diese Giftstoffe bilden. „Auf Zerkarien kann man das Wasser leider nicht testen“, so Pommerening. Deshalb die Plane. Er hofft, sie durch Spenden oder Fördermittel finanzieren zu können. Und dass schnell wieder mehr Badegäste kommen.