Hamburg. Nach einem Zerkarienbefall wurde der Betreiberverein in den sozialen Medien kritisiert. Das hat schwerwiegende Folgen.

Es ist der bisher heißeste Tage des Sommers. In ganz Hamburg sind die Freibäder gut besucht. Auch im Naturbad Kiwittsmoor ist an solchen Tagen üblicherweise viel los. 2000 Besucher müssten jetzt eigentlich hier sein, sagt Dirk Pommering, der Vorsitzende des Betreibervereins. Doch heute sind es nur etwa 160, die in der weitläufigen, gartenähnlichen Anlage und im Badesee Abkühlung suchen oder auf der Liegewiese ein Sonnenbad nehmen.

Grund dafür ist ein Vorfall, der vor rund vier Wochen im Internet hochkochte und auch in verschiedenen Medien und sogar im Fahrgastfernsehen des HVV thematisiert wurde. Und der dem Naturbad 80 Prozent Umsatzeinbußen beschert hat. Am 18. Juni war es dort zu einem ungewöhnlich heftigen Zerkarienbefall gekommen.

Naturbad Kiwittsmoor: Viele Gäste litten unter Ausschlag

An sich ist das Vorkommen dieser kleinen Larven von Saugwürmern, die durch Wasservögel in Naturgewässer gelangen, im Sommer nichts Ungewöhnliches. Sie verursachen bei Hautkontakt mit Menschen die sogenannte Badedermatitis: ein unangenehm juckender, aber in der Regel ungefährlicher Hautausschlag. Verlauf und die Intensität des Ausschlags sind individuell verschieden. Am 18. Juni aber litten fast alle Badenden im Naturbad Kiwittsmoor unter heftigen Symptomen.

„Nach einer halben Stunde im Wasser fing die Haut am ganzen Körper an zu jucken. Als wir uns abduschen wollten, waren schon weinende Kinder und verzweifelte Eltern bei den Duschen“ schriebt eine Besucherin in ihrer Google-Rezension. Mehr als ein Dutzend weitere weitere Einträge berichten von ähnlich schlimmen Erfahrungen. Einige sparen nicht an Kritik und Vorwürfen. Sogar, dass der Verein das Bad trotz Kenntnis des Zerkarienbefalls geöffnet hatte, wird unterstellt.

„Es war ein sehr aggressiver Befall"

Dirk Pommerening bestätigt: „Es war ein sehr aggressiver Befall mit Folgen für ungewöhnlich viele Badegäste. Das habe ich so noch nicht erlebt.“ Er könne verstehen, dass sich gerade Eltern aufregen würden, wenn ihre Kinder weinend aus dem Wasser kämen. Die Vorwürfe aber weist er zurück. Zerkarien kämen jedes Jahr in Naturseen vor, wenn die Wassertemperatur über 20 Grad steige. Darauf würden Schilder am Eingang hinweisen – auch in anderen Naturbädern, etwa dem Stadtparksee.

Dass der Befall an dem betroffenen Tag so schlimm sein würde, habe er selbstverständlich nicht gewusst. Und unmittelbar danach das Bad auch auf eigene Initiative geschlossen. „Das haben wir nicht getan, weil es behördlich angeordnet wurde, sondern weil die Larven nach spätestens 48 Stunden absterben, sofern sie keinen Wirt finden."

Mitarbeiter reichten Kündigung ein

Die negativen Berichte führten im Naturbad Kiwittsmoor aber nicht nur zu einem gravierenden Besucherrückgang. Weil es bei Facebook auch üble Hasskommentare gegen die ehrenamtlichen Mitarbeitenden gab, reichten zwei von ihnen die Kündigung ein. Mit der persönlichen Anfeindung seien sie nicht klargekommen, sagt Pommerening, der sich sorgt, wie er das Naturbad mit so viel weniger Besuchern und nur noch acht Mitarbeitern weiterführen soll.

Eine in seinem Team ist Märy Reichert, die trotz der Anfeindungen die Stellung gehalten hat. „Das Naturbad ist einfach ein wichtiger Teil dieses Stadtteils. Das gibt es schon seit 1934. Schon Helmut Schmidt ist hier baden gegangen“ sagt die 65-Jährige. Sie fände die negativen Beurteilungen unfair und „möchte alles dafür geben, das Naturbad zu erhalten“.

Wasser wieder zerkarienfrei

Tatsächlich ist es hier wunderbar friedlich. Das Naturbad in der Mitte der Parkanlage ist in einen Nichtschwimmer- und einen Schwimmerbereich aufgeteilt, davor gibt es einen Sandstrand. Kinder ­planschen, bauen Sandburgen. Im hinteren Bereich ziehen ambitionierte Schwimmer ihre Bahnen. Vereinzelt sitzen Gäste um den Pool und lassen die Füße zur Abkühlung ins Wasser baumeln. Niemand kratzt sich oder klagt über Juckreiz. Das Wasser scheint wirklich zerkarienfrei zu sein.

Bei den regelmäßigen Untersuchungen durch die Umweltbehörde, die alle drei Wochen stattfinden, habe es noch nie Beanstandungen gegeben, so Pommerening. „Im Gegenteil: Uns wurde immer eine sehr gute Wasserqualität bescheinigt.“ Zerkarien sind bei diesen Messungen aber nicht erfassbar, daher wird das Wasser nicht darauf untersucht. In dieser Saison ist das Langenhorner Naturbad bislang das einzige mit einem Zerkarienbefall, teilt eine Behördensprecherin mit. In den vergangenen Jahren sei es häufiger der Stadtparksee gewesen.

Naturbad Kiwittsmoor: Unsichere Zukunftsaussichten

Sie rät Badenden, in Naturgewässern generell einen unnötig langen Aufenthalt in Flachwasserbereichen mit Ufervegetation zu vermeiden, weil dort das Risiko, auf frisch ausgeschwärmte Zerkarien zu treffen, am höchsten ist. Außerdem sollte man Badekleidung nach Verlassen des Wassers zügig ablegen und den Körper mit einem Handtuch kräftig abtrocknen. Auch sollten keine Wasservögel gefüttert werden, weil eine unnatürlich hohe Population dem Gewässer schade und Risiko eines Zerkarienbefalls erhöhe.

Dirk Pommerening sieht der Zukunft mit ungutem Gefühl entgegen. Da das Naturbad nicht zu Bäderland gehört, muss es sich auf die Besucherzahlen verlassen, um das Geld für die Instandhaltung aufzubringen. Dennoch will er einen Antrag auf Unterstützung beim Bezirk einreichen. Doch die Chancen auf Erfolg schätzt er als „eher schlecht“ ein.