Hamburg. Neue Senatsdaten zu straffälligen Staatsdienern. Weitere Fälle zogen sich lange hin. Aber Justiz arbeitet Altlasten ab.
Er konnte sich etwas Sarkasmus nicht verkneifen: „Sollte das Verfahren heute erledigt werden? Das wäre ja absurd!“, sagte der Richter vor dem Urteil im Prozess gegen einen Gefängnisbäcker, der vermeintlich unter anderem Riesengarnelen und Proteinpulver für Insassen in die JVA Fuhlsbüttel geschmuggelt hatte. Ganze acht Jahre dauerte das Verfahren – und das Urteil fiel kaum nennenswert aus: Einstellung gegen wenige Tausend Euro Geldauflage.
Seit 2014 hatte der suspendierte Beamte bis dahin weiter seinen Sold bekommen, ohne dafür arbeiten zu müssen – in Hamburg beileibe kein Einzelfall, wie die CDU in der Bürgerschaft kritisiert. Neue Senatsdaten zeigen nun, dass die überlastete Justiz tatsächlich viele Altfälle inzwischen abschließen konnte. Dennoch blieben einige Beamte weiterhin für längere Zeit ohne Gegenleistung bezahlt – und durften die neu gewonnene Freizeit in fast allen Fällen auch für Nebenjobs nutzen.
45 Ermittlungsverfahren gegen Hamburger Beamte
Wie aus der Senatsantwort auf die Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Richard Seelmaecker hervorgeht, leitete die Staatsanwaltschaft seit 2019 mindestens 45 Ermittlungsverfahren gegen Hamburger Beamte ein – darunter waren Verletzungen der Fürsorgepflicht und andere Dienstdelikte, aber auch schwerere Vorwürfe auf Betrug und sexuellen Missbrauch.
Bei den Beamten, die im selben Zeitraum entweder vorläufig ihres Amtes entbunden oder darin eingeschränkt wurden, dauerten diese Maßnahmen in der Regel mindestens sechs Monate an – und in vier Fällen sogar mehr als zwei Jahre. Ein Verbot für die suspendierten Beamten, eine Nebentätigkeit auszuüben, erging in nur einem einzigen Fall.
Für den Fragesteller Richard Seelmaecker gibt es weiterhin Handlungsbedarf. „Sowohl für die redlichen Kollegen als auch für den Steuerzahler ist es absolut inakzeptabel, dass sich solche Verfahren ewig hinziehen. Auch wenn Staatsanwaltschaft und Gerichte überlastet sind, dürfen wir nicht zulassen, dass Beamte teils über zwei Jahre nicht mehr zum Dienst erscheinen, aber ihr volles Gehalt weiterbeziehen“, so Seelmaecker.
CDU: Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Beamte zügig abschließen
Er sieht eklatante Differenzen in der Bearbeitungszeit zu anderen Fällen, etwa bei Corona-Verstößen. „Anstatt eine demenzkranke 87-Jährige vor Gericht zu ziehen, die im vergangenen Jahr bei einem Bäcker aufgrund eines menschlichen Verlangens nach der Toilette die Kontaktdaten nach der Eindämmungsverordnung nicht sofort vollständig erfasste, wäre es angebracht, Ermittlungs- und Strafverfahren, die sich gegen Beamte richten, zügig abzuschließen“, so Seelmaecker. Die CDU fordert auch bereits seit längerem, vom Verbot der Nebentätigkeit öfter Gebrauch zu machen.
Wie aus der Senatsantwort weiter hervorgeht, mündeten 13 Ermittlungsverfahren seit 2019 in einer Anklage – die meisten davon gegen Beamte des Bezirksamtes Nord, mutmaßlich im Zuge der Rolling-Stones-Affäre. Wie viele der 45 im selben Zeitraum eingeleiteten Verfahren noch offen sind, geht aus den Ergebnissen der Kleinen Anfrage nicht hervor. Aktuell gebe es keine Fälle, in denen Beamte nach zwei maßgeblichen Gesetzesnormen suspendiert seien – auch konnten alle Verfahren, die bei einer vorigen Anfrage Seelmaeckers im Sommer 2019 teilweise seit Jahren noch offen waren, inzwischen abgeschlossen werden. Der schwerste Verdacht in der aktuellen Aufstellung – auf sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen gegen zwei Beamte des Landesbetriebs für Erziehung und Beratung – hat sich nicht bestätigt, wie die Sozialbehörde auf Anfrage mitteilte. Beide Strafverfahren seien bereits eingestellt worden.
Sechs Beamte verloren ihren Status nach Verurteilung
Beamte, die wegen einer Straftat zu mindestens sechs Monaten Haft verurteilt werden, verlieren in der Regel auch ihren Beamtenstatus – dies geschah den Senatsangaben zufolge seit 2019 in insgesamt sechs Fällen. Drei davon entfielen auf Beamte aus der Innenbehörde, zwei aus der Justizbehörde und eine Person aus dem Bereich der Finanzbehörde.
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Auch auf den Fall des Gefängnisbäckers aus der JVA Fuhlsbüttel geht der Senat in seiner Antwort ein. Eine „Kombination mehrerer Umstände“ habe das Verfahren verzögert – „insbesondere (...) Nachermittlungen, Akteneinsichtsgesuche und Terminfindungsschwierigkeiten (...), die Belastung des Gerichts (...), pandemiebedingte Terminabsetzungen sowie mehrere Vorsitzendenwechsel.