Hamburg. Vom Wiener Modell – Anmietung von Gemeinschaftsflächen, um Wohnkosten zu senken – kann sich Hamburg vieles abschauen.
Ist der Traum vom Einfamilienhaus wirklich ausgeträumt? Zieht es tatsächlich immer mehr Menschen aus den Städten aufs Land? Warum ist es schwierig, vorhandenen Wohnraum bedarfsgerecht zu nutzen? Antworten auf Fragen rund um das Thema Wohnen haben die Experten vom Gewos Institut für Stadt-, Regional- und Wohnforschung. Im Abendblatt-Podcast Hausbesuch geben Geschäftsführerin Christina Ebel und Diplom-Geograf Sebastian Wunsch Einblicke in aktuelle Trends und Analysen.
Wie sich angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der Energiekrise in urbanen Räumen künftig noch bezahlbares Wohnen realisieren lässt, sei „eine der wesentlichen Fragestellungen, die auch mitentscheidend für den sozialen Frieden im Land ist“, sagt Ebel. „Insofern ist aus unserer Perspektive das Thema der integrierten Stadtentwicklung eines, an dem wir mit unserer Sichtweise auf den Wohnungsmarkt mitwirken und von dem wir glauben, dass das immer mehr an Bedeutung gewinnt.“
Wohnen in Hamburg: Menschen bleiben in ihren Eigenheimen
Um dafür Lösungen zu entwickeln, müssten die unterschiedlichen Fachressorts miteinander in den Diskurs gehen. „Das Problem wird nicht allein aus der Perspektive des Wohnungsmarktes zu lösen sein.“ Die Betrachtung auf Quartiersebene im Detail werde immer wichtiger, „weil wir aus vielfältigen Untersuchungen wissen, dass die alten Menschen ihre Quartiere ungern verlassen, um ihren Wohnraum frei zu machen“. Die Stadtplanung mit all ihren Ressorts müsse daher darauf reagieren und möglichst im Quartier Angebote schaffen, um das Älterwerden dort zu ermöglichen. „Das klingt immer so banal, ist es dann aber in der Realisierung natürlich nicht“, so Ebel.
Wichtig erscheint das auch angesichts zweier, laut Sebastian Wunsch, „klassischer Phänomene“, die auf dem umkämpften Wohnungsmarkt zu finden sind: dem sogenannten Lock-in-Effekt und dem Remanenzeffekt. Dieser beschreibt das Phänomen, dass Menschen, die einmal in ein Eigenheim gezogen sind, dort verbleiben, auch wenn sich durch familiäre Veränderungen wie den Auszug der Kinder oder eine Scheidung der Bedarf an der Wohnfläche vermindert.
„Es mangelt wirklich an Lösungen“
„Und auf der anderen Seite verändert sich in die andere Richtung eine Lebenssituation, wenn ein Kind hinzukommt, sich eine Familie aufbaut und man eigentlich auf viel zu geringer Wohnfläche wohnt“, sagt Wunsch. „Letztere müssen sich mit einer größeren Wohnung versorgen, und wir wissen, dass die Neuvertragsmieten ein deutlich anderes Niveau aufweisen als Bestandsmieten, und so fällt es diesen jungen Leuten schwer, eine neue, größere Wohnung zu finden.“ Umgekehrt müsste jemand, der sich verkleinern möchte, bei einer Neuvermietung für weniger Fläche vielleicht sogar mehr zahlen.
„Das sind diese Phänomene, die die bedarfsgerechte Nutzung des vorhandenen Wohnraums schwierig machen.“ Modelle, die dem Problem begegnen, wie „Jung kauft Alt“, bei dem junge Menschen alte Häuser kaufen, oder Tauschmodelle würden nur punktuell eingesetzt und seien noch keine Massenphänomene, betont Wunsch. „Es mangelt da wirklich an Lösungen, um diese beiden Probleme unter einen Hut zu bringen und aufzulösen.“
Die meisten Menschen ziehen ins Umland
Wer sich in Hamburg nicht mehr mit Wohnraum versorgen kann, tue dies immer mehr an den Rändern beziehungsweise in den Umlandgemeinden, weil dort mehr verfügbar sei „und auch das Kaufpreis- und das Mietenniveau in der Regel noch ein niedrigeres ist“, so der Diplom-Geograf. Da jedoch auch dort die Preise seit einiger Zeit steigen, schweife der Blick zunehmend ins weitere Umland der Städte. Ein Trend, der nicht nur in Hamburg zu beobachten sei. Allerdings müsse beim Thema Stadtflucht definiert werden, wohin die Menschen ziehen, wenn sie die Stadt verlassen, und was eigentlich „das Land“ ist, sagt Christina Ebel.
„Ich ziehe da immer gerne den Vergleich zur Landlust, die uns allen ja suggeriert, wie dieses Landleben sein soll. Man sitzt beschaulich in seinem blühenden Garten, erholt sich, die Kinder schaukeln, und eigentlich ist es ein sehr leichtfüßiges Dasein. So ist es in der Realität ja nicht.“ Aufs Land würden auch die wenigsten ziehen, wenn sie die Stadt verlassen. „Meistens geht es eben um das nähere Umland, wo man die Bezüge zur Großstadt noch hat.“
70 Prozent der Deutschen wollen in Einfamilienhäusern leben
Auch die Wohneigentumsbildung, wenn sie in Richtung Eigenheim geht, finde in Hamburg, wenn überhaupt noch, dann am Stadtrand oder in den Umlandgemeinden statt, sagt Wunsch. Gründe dafür seien unter anderem in den „erheblichen Preiszuwächsen“ der vergangenen Jahre bei gleichzeitig geringem Angebot zu finden. Zudem spiele das sich in den letzten Monaten stark veränderte Zinsniveau sowie die Schwierigkeit des Eigenkapitalaufbaus eine Rolle.
Doch Untersuchungen hätten gezeigt, dass über 70 Prozent der Deutschen präferiert im Einfamilienhaus leben möchten, sagt Ebel. „Ich glaube, dass da eine Diskrepanz zwischen diesem präferierten Wunsch und den Wohnrealitäten ist, der sich nicht auflösen lässt und wo wir uns natürlich aktuell auch die Frage stellen müssen, ob das überhaupt unser gesellschaftspolitischer Ansporn sein sollte, diese Diskrepanz aufzulösen.“
Wohnen in Hamburg: Wiener Modell könnte Vorbild sein
Angesichts der klima- sowie energiepolitischen Zielsetzungen stelle sich vielmehr die Frage, wie verdichtetes Wohnen „so attraktiv, bezahlbar und vielleicht auch in Eigentumsform überführt“ realisiert werden kann, „dass es dann der neue Traum der Deutschen ist, in einem fünfgeschossigen Mehrfamilienhaus mit einer attraktiven Gartenzone und Gemeinschaftsräumen zu leben und eben nicht mehr im Einfamilienhaus“.
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Vom Wiener Wohnungsbaumodell, das die Anmietung von Gemeinschaftsflächen vorsieht, um Wohnflächen sowie -kosten zu reduzieren und die Nachbarschaftlichkeit zu fördern, könne man sich einiges abschauen, so Ebel. „Wir haben ja auch den Trend der Singularisierung zu verzeichnen, und damit einher geht häufig Vereinsamung gerade bei älteren Menschen, und auf diesem Wege können Voraussetzungen geschaffen werden, um Vorsorge zu treffen.“