Hamburg. Maribel Deking kellnert gern in der Strandperle. Auch bei Hochwasser wird bedient. Warum es das “beste Fitnessstudio der Welt ist“.

Auf der Innenseite der Stahltür vor der Kombüse sind die Perlen des Elbufers zu sehen: weiblich oder männlich, farbig ausgedruckt, ein Foto neben dem anderen. Damit die Mitarbeiter sich zu Schichtbeginn ein Bild machen können, wer aktuell Dienst hat. Weil jetzt im Sommer vor der Strandperle an der Waterkant der Klabautermann los ist. Bei sechs Festangestellten und 70 Aushilfen kann man sich so Gesichter und Namen der Kollegen einprägen.

Eine an dieser Fotowand streckt ihre Zunge raus – keck, selbstbewusst, fröhlich. Und genau mit dieser Frau setzen wir uns ein gutes Stündchen an einen der Tische des Ausflugslokals in Övelgönne. Wenn Hamburg einen Hauch südländischen Flairs offenbart, dann hier, vis-à-vis von Blohm+Voss. Wenn dicke Pötte vorbeiziehen. Einheimische wie Touristen steuern das zwanglose Strandlokal in exquisiter Lage bei Wind und Wetter an.

Gastronomie Hamburg: Deking seit sieben Jahren dabei

Wenn die Sonne scheint, geht’s zwischen Altonaer Fischmarkt und Anleger Teufelsbrück drunter und drüber. Es kann keinen besseren Startpunkt für diese kleine Ferienserie geben. Dabei blicken wir sechs Hamburgerinnen im Job über die Schulter – sie sind im Sommereinsatz.

Unterhalb der Elbchaussee, am Schulberg, lässt es sich vortrefflich aushalten. Hat sich Maribel Deking auch gesagt, als sie vor gut sieben Jahren in der Strandperle an Bord ging. Allen Tücken zum Trotz blieb sie. Standhaft. Denn zwischenzeitlich ereignete sich eine Menge. Für sie privat zum Glück überwiegend Gutes.

Der Arbeitstag beginnt um 9 Uhr

Beispiele sind der aktuell eineinhalb Jahre alte Sohn Nuno, Lebensgefährte Andrea aus Italien sowie ein Studium zur deutschen Gebärdensprachendolmetscherin. Der Abschluss ist in Sicht, die Bachelorarbeit geschrieben. In diesen Tagen stehen die finalen Prüfungen auf dem Programm. Es ist ein Kunststück, auf mehreren Gebieten erfolgreich seine Frau zu stehen. Maribel schafft’s mit einem Lächeln.

Mit dem Fahrrad ist sie von zu Hause in Altona ruckzuck bei der Arbeit. Da ihr oben an der Chaussee zwei Räder und ein Motorroller gestohlen wurden, stellt sie ihr Gefährt unten ab. Der Arbeitstag beginnt um 9 Uhr anpackend. Im Alleingang stellt die 38-Jährige 60 Tische und viel mehr Stühle auf den Sand. „Das beste Fitnessstudio der Welt“, sagt sie. Und: „Ich bin gern in Aktion und brauche viel Bewegung.“ Ist ihr anzusehen.

Die frühe Stunde an der Elbe schätzt Deking besonders

Trotz des Aufbaus schätzt Maribel diese frühe Stunde am Strand ganz besonders – nicht nur im Sommer. Vor dem großen Ansturm ist es ruhig am Wasser. Manchmal nebelig, oft stürmisch. Vereinzelt sind Spaziergänger mit Hunden unterwegs. Maribel liebt die Elbe. Immer anders sieht sie aus. Dann hat sie den Strand nur für sich: „Für einen Moment denke ich dann, dass mir diese maritime Idylle ganz allein gehört.“

Muße zum Sinnieren bleibt kaum. Sind die Tische nach einer Stunde aufgeklappt und sinnvoll platziert, Blumen und Aschenbecher positioniert, fegt sie die Holzterrasse. Anschließend nimmt die plietsche Hanseatin erste Bestellungen entgegen: „Moin, was darf’s sein?“ Am Strom läuft praktisch alles per Du.

Arbeit in der Strandperle ist etwas Besonderes

Intensive Klönschnacks haben Seltenheitswert. Passé sind die Zeiten, in denen die Kellner sich im hochsommerlichen Stress zwischendurch mit einem Bad Abkühlung verschafften. Auch ohne kostenlose Erfrischung ist die Arbeit in diesem Lokal etwas Besonderes. Bei Hochwasser wird die Luke zur Kombüse dicht gemacht und darüber bedient.

Für diesen Fall hängen graugrüne Latzhosen aus Gummi bereit. Die Wasserstände hat Maribel ebenso parat wie die Preise. Die Frau ist Profi, ausgestattet mit 17 Jahren Gastronomieerfahrung. Aber bitte mit bodenständigem Charakter. Abgedrehte Restaurants mit Schampus, Schickimickis und Chichi sind ihre Sache nicht.

„Jetzt im Sommer ist es der Wahnsinn in Tüten“

„An der Strandperle bin ich in meinem Element“, sagt Maribel Deking bei einem Becher Kaffee. Geschäftsführerin Pia Fintelmann, ihre Chefin, hält der Mitarbeiterin an diesem Morgen den Rücken frei. Beide verbindet ein langjähriges Vertrauensverhältnis. Die erfahrenen Servicekräfte geben die Gästewünsche in ihr Tablet ein – und kassieren zum Schluss. Bons mit den Bestellungen werden in der Kombüse an eine Leiste gehängt – und möglichst zügig erledigt. Aushilfen, intern „Runner“ genannt, bringen Speisen und Getränke an die Tische. Der Laden brummt. „Jetzt im Sommer ist es der Wahnsinn in Tüten“, weiß Maribel, „besonders an den Wochenenden.“ In der Saison ist bis in die Nacht geöffnet.

Cappuccino und Bier und Spezi und Schorle gehen prima, Aperol Spritz nach wie vor. Auf der zünftig gestalteten Karte sind Strandperlen-Burger, eine vegane Variante, Riesen-Currywurst mit hausgemachter Sauce und „Alibisalat“, eine „Hipster Schnidde“ oder ein „Hafenarbeiter“ (Laugenstange mit Mett und Zwiebeln) im Angebot. Pott Kaffee oder das Kapitänsfrühstück sind Klassiker. Das Gros der Gäste, sagt Maribel, ist höflich – und gut drauf. Bei arroganten Selbstdarstellern mit Befehlston oder dreisten Miesepetern pflegt sie die Ohren auf Durchzug zu stellen. Oft entwaffnet ein Lächeln. Mancher findet es spaßig „Hallo, Perle“ zu rufen. Nun denn.

Deking will nach Abschluss im Lokal bleiben

Ausländische Besucher wundern sich bisweilen über die patente Kellnerin, ihren Elan, ihre Fremdsprachenkenntnisse. Neben ihrer Muttersprache hat sie Englisch, Italienisch und Spanisch auf Lager. Und deutsche Gebärdensprache, versteht sich.

Touristen fragen oft nach Schiffen, Gezeiten, nach dem Mann auf der Boje backbords auf dem Wasser. Warum steht der da so lange regungslos? Erklärungen des Kunstwerks, der Fischsorten, der Herkunft des Franzbrötchens gehören zum Alltag. Der ihr unter dem Strich so viel Spaß bringt, dass sie auch nach ihrem Uni-Abschluss jetzt im Sommer im Strandperlen-Team bleiben möchte.

Gastronomie Hamburg: Strand sorgt für Glücksgefühle

Am Strand fühlt sie sich wie zu Hause. Als Kind kam sie mit ihren Eltern angeradelt. Damals gab es in Övelgönne noch Osterfeuer. Ist sie heutzutage bei der Arbeit, wird der kleine Nuno in der Krippe oder bei Oma „Willi“ untergebracht. Auch an freien Tagen kommt sie hin und wieder zu Besuch. Mit dem Rad, Kindersitz, Nuno. Und mit Alma, dem früheren Straßenhund. Dann setzt sich Maribel Deking in den Sand und inhaliert Hamburg pur. Ein Traum, aus jeder Perspektive.