Hamburg. “Wer liest, gewinnt immer“: Was beim Vorlesewettbewerb außer einer guten Geschichte wichtig ist, verrät Landessiegerin Sara.
Es bringt auf neue Ideen, stärkt das Mitgefühl und den Gerechtigkeitssinn, fördert die Fähigkeit, sich zu konzentrieren und macht klug – und das sind nur einige Auswirkungen, die an Kindern beobachtet werden können, denen regelmäßig vorgelesen wird. Dabei ist man sich körperlich und geistig nah, das stärkt nicht nur die Beziehung zueinander, sondern wappnet Mädchen und Jungen von klein auf für die Herausforderungen im Alltag, in der Kita und in der Schule. Wenig überraschend dann auch das Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen, die zeigen, dass Kinder mit Vorleseerfahrungen mehr Freude am Lesenlernen haben und sich weniger schwertun, Buchstaben, Wörter und Sätze zu entschlüsseln.
Dabei ist Lesenlernen alles andere als leicht, es braucht jahrelange, regelmäßige Übung, um flüssig lesen zu können. Damit Leseanfänger dranbleiben, braucht es Anreize und es muss Spaß machen. So lassen sich verborgene Talente am besten hervorlocken.
Vorlesewettbewerb: Stoimenovski vertritt Hamburg
Spaß am Lesen zu vermitteln, ist das Ziel des Vorlesewettbewerbs, der seit 1959 jedes Jahr bundesweit stattfindet. Henriette Schimanski vom Landesverband Nord des Börsenvereins des deutschen Buchhandels richtet im Auftrag der Stiftung Buchkunst und Leseförderung die Landesentscheide des Wettbewerbs in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern aus. „Teilnehmen können Schülerinnen und Schüler der 6. Klassen. Die Mädchen und Jungen stellen in ihrer Klasse einen kurzen Abschnitt aus einem selbst gewählten Buch vor. Es gibt erst Schulentscheide, später Regional- oder, in Hamburg Bezirksentscheide, dann Landesentscheide“, erklärt Henriette Schimanski das Prozedere. In Hamburg haben in diesem Jahr 101 Schulen und 10.610 Schülerinnen und Schüler teilgenommen.
Eine von ihnen ist Sara Stoimenovski. Dabei hätte die 12-Jährige, die zu ihren Lieblingsbüchern „Harry Potter“ und „Die Tribute von Panem“ zählt und das Gymnasium Oberalster in Sasel besucht, den Ausscheid beinahe verpasst. „Während ich in Quarantäne war, hat meine Klassenlehrerin den anderen Kindern Genaueres zum Vorlesewettbewerb erzählt. Als ich dann wieder in der Schule war, hab ich mich aus Spaß dazu entschieden, mitzumachen. Und dann ging es irgendwie immer weiter und weiter für mich, obwohl ich damit überhaupt nicht gerechnet habe.“ Denn Sara hat nicht nur den Entscheid an ihrer Schule und im Bezirk gewonnen, sondern sie hat sich auch beim Landesfinale durchgesetzt, das auf großer Bühne in der Zentralbibliothek ausgetragen wurde.
"Stimmlage und Intonation müssen zum Text passen"
Der Jury hat sie einen Auszug aus „Das Mädchen mit dem blauen Mantel“ vorgetragen. Die Geschichte von Monica Hesse, die unter anderem für die „Washington Post“ schreibt, spielt im Amsterdam der 1940er-Jahre und traf damit genau den Geschmack von Sara, die sich sehr für die Zeit des Zweiten Weltkriegs interessiert. Wie es ist, sich vor einer Jury zu präsentieren und dabei zu überzeugen, weiß auch Johanna Wood. Sie hat im vergangenen Jahr die Hansestadt im Finale vertreten. Noch in der Grundschule gehörte Johanna nach eigener Einschätzung nicht zu denen, die mit ihrem Vortrag Zuhörer fesseln können. Allerdings habe sie immer gern und viel gelesen.
So viel, dass sie sich nicht auf einzelne Titel festlegen mag. „Meine Lieblingsbücher sind immer die, die ich gegenwärtig lese“, sagt Johanna. Für alle, die ihre Fähigkeiten als Vorleserin oder Vorleser verbessern wollen, hat die 13-Jährige, die das Struensee Gymnasium in Altona besucht, wertvolle Tipps. Die Auswahl der Bücher sei entscheidend. „Es lohnt sich, Ausschau zu halten nach guten Dialogen und spannenden Szenen. Wichtig ist es, auf keinen Fall gelangweilt oder monoton vorzulesen. Stimmlage und Intonation müssen jeweils zum Text passen, sonst ist es unglaubwürdig. Außerdem sollte man abwechslungsreich lesen und nicht zu schnell.“
Bei Bundesfinale klappte es leider nicht
Ganz ähnlich klingt auch Saras Erfolgsrezept: „Für mich ist es ganz wichtig, natürlich zu klingen und nicht gekünstelt. Ein angenehmes Tempo trägt auch viel dazu bei. Vor allem, wenn man aufgeregt ist, muss man darauf achten, langsam und deutlich zu sprechen, damit die Zuhörer hinterherkommen. Der wichtigste Punkt ist aber, sich zu entspannen. Aufregung gehört dazu, aber man sollte in den Text eintauchen. Dann reißt man die Zuhörer wie von selbst mit.“
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Zwar hat es beim Bundesfinale in Berlin nicht mit dem Sieg geklappt, aber traurig ist Sara deswegen nicht. Sie hat andere Lesebegeisterte kennengelernt, viele Eindrücke und nicht zuletzt neue Lektüretipps gesammelt. Denn auch darum geht es beim Vorlesewettbewerb, dessen Motto lautet: Wer liest, gewinnt immer.
Vorlesewettbewerb: Vorlesen zur Entspannung
Johanna liest inzwischen häufiger für sich. Trotzdem sagt sie: „Ich mag es immer noch gern, vorgelesen zu bekommen, – egal ob live oder als Hörbuch.“ Auch Sara genießt es, ab und zu einfach zuzuhören. „Ich lese sehr gerne für mich, aber manchmal lesen meine Zwillingsschwester und ich uns gegenseitig jeweils ein Kapitel aus einem Buch vor. Das ist immer schön, weil man entspannen und zuhören kann.“