Hamburg. Steigende Kosten für Lebensmittel bringen Caterer in Bedrängnis. Sie fordern einen Essenspreis von 4,65 Euro. Das stößt auf Widerstand.

Die steigenden Lebensmittelpreise haben nun auch die Schulcaterer in Hamburg erreicht. Die Folge: Die Kosten für das Essen an den Schulen werden weiter steigen. Müssen Hamburgs Eltern bereits seit Februar 50 Cent mehr pro Mahlzeit zahlen, steigt das Essensgeld vom 1. August an um weitere 15 Cent auf dann 4,15 Euro. Die Initiative Hamburger Schulcaterer fordert sogar einen Essenspreis von 4,65 Euro, um die Kostensteigerung im Großhandel auszugleichen, und sorgt so für Streit mit der Schulbehörde.

Am Montag gab es an einem Eimsbütteler Gymnasium Ofenkartoffel mit Gemüse, Sour Cream oder Gemüsecurry, Salat und zum Dessert Nougatpudding mit Vanillesoße. Verantwortlich für das Essen ist Okan Saiti, Geschäftsführer von Mammas Canteen, einer der größten Schul­caterer der Stadt mit 250 Mitarbeitern. Ob er solch ein Angebot beibehalten kann, ist fraglich. „Mit den 4 Euro aktuell pro Mahlzeit kommen wir nicht klar“, so Saiti. Sagt man ihm, er könne doch günstigere Lebensmittelanbieter suchen, muss er fast lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

Schule Hamburg: Caterer haben kaum Spielraum

Sein Warenwirtschaftssystem vergleiche bereits die Preise verschiedener Anbieter. Er habe kaum Spielraum. „Wir haben seit Corona ohnehin Engpässe in der Lieferkette. Das bedeutet, wir bestellen mit vier bis sechs Wochen Vorlauf, um genügend Waren zu haben.“ Diese Engpässe beträfen alle Lebensmittel. Und es wird noch schlimmer, so seine Sorge: „Noch bekommen wir Pasta und Reis, aber auch dort wird es bald eine Verknappung geben.“

Weil sich die Einkaufspreise im Großhandel enorm erhöht haben, haben die Caterer der Behörde für Schule und Berufsbildung pro Essen rückwirkend zum Mai 50 Cent gesondert in Rechnung gestellt. Das sorgt für Ärger: „Eine solche Rechnung hat uns bislang nicht erreicht. Und eine solche Zahlung ist im Rahmenvertrag auch nicht vorgesehen“, sagt Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde. Die Forderung auf einen Krisenausgleich von 50 Cent sei nicht vertragskonform. Die Caterer bleiben dabei, fordern mittelfristig noch mehr: „Aber auch die daraus resultierenden 4,65 Euro reichen nicht, um die Kostensteigerungen zu kompensieren“, heißt es in einer Mitteilung der Initiative Hamburger Schulcaterer.

Verkaufspreise im Großhandel stark gestiegen

Vor zwei Jahren hatten Caterer und Schulbehörde eine Rahmenvereinbarung über die Preise über das Mittagessen geschlossen. Dieser Index sieht eine jährliche Anpassung entsprechend der Preisentwicklung im Gastronomie- und Lebensmittelbereich vor. Das führt dazu, dass im Sommer die Höchstgrenze für ein Mittagessen auf 4,15 Euro ansteigen kann. Die Caterer fordern nun Nachverhandlungen und die Möglichkeit, höhere Preise von den Eltern verlangen zu können. „Der jetzige Index war für Krisensituationen wie die Corona-andemie und die steigende Inflation gar nicht vorgesehen“, so Saiti.

Die Kalkulationen haben sich verändert. Denn: Laut Statistischem Bundesamt, das hat die Initiative ermittelt, seien die Verkaufspreise im Großhandel im April um 23,8 Prozent höher gewesen als im April des Vorjahres. Dies sei der höchste Anstieg gegenüber einem Vorjahresmonat seit Beginn der Erhebung im Jahr 1962. Im Großhandel mit Milch, Milcherzeugnissen, Eiern, Speiseölen und Nahrungsfetten stiegen die Preise um 29,7 Prozent. Die Inflationsrate für Nahrungsmittel hat sich seit Februar sogar verdoppelt.

„Es kommen weniger Kinder zum Mittagessen in die Schule"

Nicht nur die Lebensmittelpreise im Großhandel seien gestiegen, auch das Essverhalten der Kinder habe sich verändert, so Okan Saiti: „Es kommen weniger Kinder zum Mittagessen in die Schule. Grund ist der so lange Zeit veränderte Schulalltag durch Corona.“ An den 70 Schulen, die Mammas Canteen mit Essen versorgt, seien es in den unteren Klassenstufen fünf bis zehn Prozent weniger Mahlzeiten, an den weiterführenden Schulen gingen demnach rund zehn Prozent weniger Schüler zum Mittagessen als vor Corona.

Rund 15 Millionen schulische Mittagessen werden jährlich von den 58 privaten Catering-Betrieben in den Schulkantinen ausgegeben. Jede Schule wählt eigenverantwortlich einen Caterer und vereinbart mit ihm Angebot, Vielfalt und Qualität des Mittagessens. Doch es ist gar nicht so leicht, einen Caterer zu finden, der für 4,15 Euro pro Mahlzeit kocht. Das erlebt jedenfalls Maike Languth, Leiterin des Gymnasiums Eppendorf, derzeit. Sie sucht zum 1. Februar einen neuen Caterer. „Zu den derzeitigen Bedingungen aber wollen die Caterer nicht kochen.“

Sozialstaffel fällt ab Klasse 5 weg

Diese fordern nicht nur Nachverhandlungen bei den Höchstpreisen für ein Schulessen, sondern auch die Erweiterung der Sozialstaffel auf die Kinder an den weiterführenden Schulen. Wie berichtet, fällt die soziale Staffelung an den weiterführenden Schulen ab Klasse 5 seit Februar weg, während die Kosten für das Mittagessen an den Grundschulen weiterhin für Kinder aus Familien mit geringem Einkommen subventioniert wird.

Diese Sozialstaffel bezuschusst Grundschul­eltern je nach Einkommen (und Geschwisterbonus) mit Mitteln der Hansestadt. Bis Februar hatte die Schulbehörde die Preissteigerung für alle Eltern ausgeglichen. Laut Schulbehörde isst ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen an allen Schulformen durch Zuschüsse der Bundesregierung und der Stadt in Höhe von mehr als 40 Millionen Euro pro Jahr zur Schulverpflegung kostenlos. Ein weiteres Drittel der Kinder an den Grundschulen zahle einen reduzierten Essenspreis.

Caterer zweifeln Geschwisterrabatt bei höheren Einkommen an

Dennoch gebe es zu viele Eltern, die sich ein Mittagessen nicht leisten könnten, so die Initiative der Hamburger Schulcaterer. „Da die Eltern ebenso inflationsgebeutelt sind wie wir, muss gerade für die Familien mit niedrigen Einkommen die Sozialstaffel auch greifen“, so Petra Lafferentz von der Alraune GmbH. Für eine ausgeweitete Bezuschussung kämpfen Caterer, Eltern- und Schülerkammer sowie der Hamburger Sozialverband (wir berichteten). Diese Bezuschussung sei, so Lafferentz, nahezu kostenneutral nötig, wenn der Geschwisterrabatt abgeschafft werde. Denn: „Die Hälfte der Grundschul-Sozialstaffel-Gelder fließt an Familien lediglich aufgrund des Geschwisterrabattes, unabhängig vom Einkommen.“ Somit bekämen auch Familien mit einem theoretischen Nettoeinkommen von 10.000 Euro im Monat einen Rabatt, so Lafferentz.

Um den Kostenanteil der reinen Geschwisterkind-Regelung für Vollzahler zu ermitteln, haben die Caterer exemplarisch 77 Grundschulen ausgewertet. Lafferentz: „In die Betrachtung haben wir jeweils nur Familien einbezogen, die 33 Prozent des Essenspreises zahlen müssen, da dies zu 100 Prozent auf Geschwisterermäßigung für Vollzahler hindeutet. Erwartungsgemäß schlägt die Geschwisterregelung in Einzugsgebieten mit besser verdienender Klientel wie im Hamburger Westen, den Walddörfern oder Eimsbüttel anteilig erheblich stärker zu Buche als in Armutsgebieten.“

Ausweitung der Sozialstaffel "nicht finanzierbar"

Demnach werden im Schnitt 57,1 Prozent der Kinder in den 77 Grundschulen über Geschwisterregelung begünstigt, obwohl die Eltern nach Einkommen Vollzahler wären. Ob es zulässig ist, einen Geschwisterrabatt etwa nur bei mittleren oder niedrigen Familieneinkommen zu gewähren, müsse rechtlich geprüft werden, heißt es aus der Schulbehörde. „Eine Sozialstaffel auch für die weiterführenden Schulen wäre auch für uns wünschenswert, ist aber aufgrund der sehr hohen Kosten von rund 12 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr nicht finanzierbar“, so Behördensprecher Peter Albrecht.

In Ausnahmesituationen unterstütze die Behörde die Caterer über die Rahmenvereinbarung hinaus. So habe die Behörde während der Pandemie den Caterern zweimal ein Hilfspaket jeweils über eine Million Euro bereitgestellt. Darüber hinaus profitierten die Caterer während der CoronaZeit von der abgesenkten Mehrwertsteuer und von den Möglichkeiten der Kurzarbeit. „Vor diesem Hintergrund können wir die jetzigen Forderungen nicht nachvollziehen. Verträge sind einzuhalten.“ Die Fronten sind verhärtet. Grundsätzlich bezuschusse die Stadt jedes Schulessen mit zusätzlichen 90 Cent, weil anders als in den meisten anderen Kommunen in Hamburg die Caterer kostenlos die von der Stadt errichteten Kantinen benutzen.

Boeddinghaus stellt Forderungen an Hamburger Senat

Unterstützung bekommen die Caterer von Politikern, die alle auf weitere Verhandlungen setzen. Linken-Fraktions­chefin Sabine Boeddinghaus: „Alle Schüler/-innen müssen einen kostenfreien Zugang dazu haben. Berlin macht es vor, wo dies bis zur Klasse 6 gewährleistet ist.“ Sie erwartet vom Senat, in Verhandlungen mit den Caterern zu gehen. Für eine Übertragung der Sozialstaffelung auf die weiterführenden Schulen setzt sich Birgit Stöver, bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, ein. Sina Aylin Demirha der Grünen-Bürgerschaftsfraktion hofft auf Bundesmittel.

„Die hohen Inflationsraten sind kein Hamburger Problem und deshalb auch nicht aus dem Hamburger Haushalt zu bewältigen. Die Kosten für Lebensmittel lassen sich geld- und fiskalpolitisch nicht auf Landesebene eindämmen.“ Nils Hansen, SPD-Fraktion, hofft auf Versöhnung: „In der aktuellen Lage mit steigenden Preisen ist es wichtig, dass Caterer und Behörde eine Lösung im Sinne der Schülerinnen und Schüler finden. Das Mittagessen in Hamburgs Schulen wird vom Staat bereits umfangreich unterstützt, so ist rund die Hälfte der Kosten durch Steuergelder gedeckt.“

Schule Hamburg: "Stadt steht in der Verantwortung"

Und wenn es keine Einigung gibt? „Für uns ist das existenziell. Wir haben keine Strategie, außer Personal zu entlassen und den Wareneinsatz zu kürzen“, so Okan Saiti. Das Angebot müsste verringert werden, es würde weniger Bioprodukte geben. Wenn Hamburg den Ganztag ausbaut, so Saiti, müsse die Stadt auch für die Essensversorgung sorgen. „Da steht die Stadt in der Verantwortung. Und nicht jeder kann sich das Schulessen leisten, vor allem die unteren und mittleren Einkommen fallen durchs Raster.“