Hamburg. Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg spricht über das Quartier – und macht eine klare Ansage an den umstrittenen Investor.

Das Holsten-Quartier, eines der wichtigsten Stadtentwicklungsprojekte in Hamburg, sorgt seit Wochen für Schlagzeilen. Dabei geht es vor allem um die offensichtlich wirtschaftlich schwer angeschlagene Adler Group. Zu der gehört der Immobilienentwickler Consus Real Estate, der die in immer weitere Ferne rückende Bebauung des ehemaligen Brauereigeländes in Altona realisieren möchte. Dort sind unter anderem rund 1300 Wohnungen, Büros und ein Hotel geplant.

Gegenüber dem Abendblatt bestätigte Altonas Bezirksamtschefin Stefanie von Berg (Grüne) jetzt: „Die Verhandlungen mit der Consus liegen auf Eis.“ Sie sprach Klartext: „Wir haben deutlich gemacht, dass wir von der offensichtlich finanziell angeschlagenen Consus eine Finanzierungszusage einer Bank über das Gesamtprojekt Holsten-Quartier benötigen, ansonsten werden wir kein Baurecht schaffen. Wir haben dazu auch keine Frist gesetzt, sondern warten ab.“

Holsten-Quartier: Verhandlungen mit Investor auf Eis

An einen Zeitplan ist also nicht mehr zu denken. Das Projekt wird sich so oder so weiter verzögern. Denn jetzt muss erst einmal der Bebauungsplanentwurf noch einmal öffentlich ausgelegt werden, weil es eine neue DIN-Norm zur Verschattung gibt (wir berichteten). Deshalb seien ein erneutes Gutachten und damit eine Auslegung erforderlich, so von Berg. Das gesamte Prozedere wird bis zum Herbst dauern. Aber auch danach geht es nicht automatisch weiter. „Ohne Finanzierungszusage wird der Bebauungsplan auch nicht beschlossen werden“, kündigt von Berg im Abendblatt-Gespräch an.

im Holsten-Quartier sollen einmal 1300 Wohnungen entstehen – so sieht es heute dort aus.
im Holsten-Quartier sollen einmal 1300 Wohnungen entstehen – so sieht es heute dort aus. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Eigentlich sollte der städtebauliche Vertrag mit der Consus, in dem die Rahmenbedingungen für das Bauvorhaben geregelt sind, bis Ende Mai unterschrieben werden. Aber auch daraus wird nichts. „Aufgrund der aktuellen Ereignisse und Entwicklungen hat das Bezirksamt in enger Abstimmung mit der Stadtentwicklungsbehörde entschieden, aktuell keine weiteren Vertragsverhandlungen mit Consus beziehungsweise Adler zu führen.“ Die Bezirksamtsleiterin stellt fest: „Wir lassen uns nicht unter Druck setzen.“

Investor: "Quartier soll Ende 2027 fertiggestellt sein“

Die Consus hat den Ernst der Lage offensichtlich noch nicht erkannt. Auf Abendblatt-Anfrage sagte ein Sprecher. „Wir rechnen im dritten Quartal mit der Unterzeichnung des städtebaulichen Vertrags.“ Und anders als der Bezirk haben die Investoren noch einen Zeitplan: „Nach derzeitigem Planungsstand soll das gesamte Quartier Ende 2027 fertiggestellt sein“, so der Consus-Sprecher. Eigentlich sollten dort schon 2020 die ersten Gebäude stehen.

In den vergangenen Wochen hatten sich die Nachrichten überschlagen. Am 25. April verkündete das Bezirksamt in einer Pressemitteilung: „Um die nachhaltige Entwicklung des Holsten-Quartiers zu sichern, fordert das Bezirksamt Altona die Adler Group auf, eine aktuelle Finanzierungszusage der Bank über das gesamte Bauvorhaben einzureichen.“

Grund für diese Maßnahme, so das Amt: „Am vergangenen Freitag, dem 22. April 2022, hat die Adler Group den unabhängigen Bericht über die Sonderuntersuchung von KPMG-Forensik veröffentlicht. Dieser Bericht war aufgrund von Vorwürfen, die gegen das Unternehmen erhoben wurden, in Auftrag gegeben worden.“ In dem Bericht heißt es unter anderem: „Der Vorwurf, dass Adler nicht über die finanziellen Mittel verfügt, die Projektentwicklungen umzusetzen, kann auf Basis der uns in der Sonderuntersuchung zur Verfügung stehenden Unterlagen nicht widerlegt werden.“

Holsten-Quartier: Adler Group in dramatischer Lage

Seitdem wurden immer wieder neue Fakten über die offensichtlich dramatische Lage der Adler Group beziehungsweise von Consus bekannt. Zuletzt gab die Consus am Dienstag eine „Verlustanzeige“ heraus: Demnach sei anzunehmen, dass hohe Abschreibungen zu einem negativen Eigenkapital führen werden – Consus hätte also mehr Schulden als Vermögenswerte. „Hintergrund des Abschreibungsbedarfs sind gestiegene Baukosten und eine deutliche Reduzierung des erwarteten Projektentwicklungsvolumens“, teilte das Unternehmen in Berlin mit.

Der Investor lässt Gebäude auf dem Holsten-Areal abreißen. Wann hier mit dem Neubau begonnen wird, ist noch völlig unklar.
Der Investor lässt Gebäude auf dem Holsten-Areal abreißen. Wann hier mit dem Neubau begonnen wird, ist noch völlig unklar. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Vor rund zwei Wochen wurde bekannt, dass sich der bei der Finanzbehörde angesiedelte Landesbetrieb Immobilien und Grundvermögen (LIG) die Consus angeschrieben und um ein Gespräch für den Erwerb der Fläche gebeten hatte. „Natürlich wäre es die beste Entscheidung, wenn die Stadt das Holsten-Gelände kaufen würde und dann als verlässlicher Partner endlich dieses für Altona so wichtige Bauvorhaben umsetzen würde“, sagt von Berg und stellt fest: „Dass es jetzt diese Probleme bei der Realisierung gibt, ist leider auf ein Versäumnis in der Vergangenheit zurückzuführen.

Die Stadt hätte das Grundstück damals direkt von Carlsberg erwerben müssen und nicht zulassen dürfen, dass die Brauerei an den Meistbietenden verkauft und das Gelände danach per Share-Deals von einer Projektgesellschaft zur anderen weitergereicht und zum Spekulationsobjekt wird.“

Holsten-Quartier: "Enteignung rechtlich gar nicht möglich"

Die Carlsberg Gruppe, zu der die Holsten Brauerei gehört, verkaufte das Grundstück zunächst 2016 an die Gerch Group. Damals war der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) noch Bürgermeister.

Immer wieder werden Stimmen laut, man müsse den Investor enteignen. Dem erteilt von Berg eine Absage. „Eine Enteignung wäre hier rechtlich gar nicht möglich. Aus gutem Grund sind in Deutschland hohe Hürden für eine Enteignung gesetzt.“ Zudem lobt von Berg die gute Zusammenarbeit von Verwaltung und Bezirkspolitik: „Wir ziehen alle an einem Strang, und wir sitzen am längeren Hebel als der Investor. Denn wir haben es in der Hand, hier das Baurecht zu schaffen.“