Hamburg. Mönckebergstraße, Umgebung der Laeiszhalle, Lohbrügger Markt, Wandsbeker Chaussee: Grüne sehen gerade Hamburgs Plätze als Problemzonen.

  • Kriselnde Mönckebergstraße soll Markthalle erhalten
  • Bühne und Bar für Johannes-Brahms-Platz - Holstenwall soll zurückgebaut werden
  • Lohbrügger Markt wird mit Spielplatz und Freizeitfläche geplant
  • Wandsbeker Chaussee könnte zum Boulevard werden

Die grüne Bürgerschaftsfraktion will die ganze Stadt in den Blick nehmen: Um Fraktionschef Dominik Lorenzen hat sich die Arbeitsgemeinschaft Öko, in der zwölf von 33 Abgeordneten vertreten sind, in den vergangenen Monaten intensiv mit dem Thema Stadtentwicklung befasst. Herausgekommen ist ein Ideenpapier, das die Stadt und ihre Quartiere neu denkt.

„Wir möchten den Blick auf die Stadt weiten – über das Rathaus hinaus hinein in die Quartiere - nach Neugraben genauso wie nach Rahlstedt, nach Harburg wie nach Niendorf“, sagt Lorenzen dem Abendblatt. „Eine Stadt der kurzen Wege zieht Veränderungen in allen Quartieren nach sich.“

Grüne wollen Hamburg umbauen - das sind die ersten vier Projekte

Vier Beispiele hat die Grünen-Fraktion konkretisiert – da man nicht mit 104 Stadtteilen auf einen Schlag beginnen könne. Sie sollen mögliche Veränderungen zeigen, die den Politikern vorschweben. Vor Ort machten sich die Abgeordneten zunächst ein Bild, luden Experten hinzu, veranstalteten Ideenrunden.

So könnte die Mönckebergstraße aussehen, wenn es nach den Ideen der Grünen geht: Das Klöpperhaus wird zum Marktplatz.
So könnte die Mönckebergstraße aussehen, wenn es nach den Ideen der Grünen geht: Das Klöpperhaus wird zum Marktplatz. © Grünen Fraktion Hamburg | Grünen Fraktion Hamburg

Eines der Konzepte, die Architekten nun visualisiert haben, befasst sich mit der Mönckebergstraße, die durch die Leerstände der früheren Kaufhäuser Karstadt Sport und Kaufhof in die Krise gerutscht ist. Die Grünen wollten hier einen neuen Stadteingang schaffen, sagt Lorenzen. Im leer stehenden Klöpperhaus, einem Bau von Fritz Höger, soll nach den Vorstellungen der Grünen eine Markthalle für regionale Händler einziehen, die sich durch die Rundbögen zur Straße öffnet. Die Mö soll zum Boulevard werden. Über parallele Achsen bleiben die Busse fußläufig erreichbar.

Hamburger Grüne sehen Plätze als Problem der Stadt

Als eines der zentralen Probleme haben die Grünen Hamburg und seine Plätze ausgemacht, die Kritiker als „Platzwunden“ bezeichnet haben. „Hamburgs Freiflächen sind wahnsinnig untergenutzt“, kritisiert Lorenzen. Die Grünen plädieren für einen veränderten Johannes-Brahms-Platz, den viele Hamburger bislang vor allem als Stellfläche wahrnehmen.

Dabei zählt er zu den besonderen städtebaulichen Ensembles der Stadt mit seiner Lage zwischen Laeiszhalle, Planten un Blomen sowie dem Brahms-Kontor, einstmals mit 55 Metern das höchste Haus der Stadt. „Im Hamburg der Zukunft sitzen wir an einem lauen Sommerabend mitten in der Stadt“, schwärmen die Grünen und zeigen auf ihren Wunschbildern eine Bühne und eine Brahmsbar.

Die Kultur soll aus den Theatern und Konzerthäusern in die Straßen kommen und für alle erlebbar werden. Sitzgelegenheiten und eine Toilette gehören ebenso dazu wie ein Rückbau des Holstenwalls um eine Spur und ein neuer Radweg. Lorenzen versteht die Ideen als Anregungen: „Es muss am Ende nicht so aussehen wie erdacht. Wir wollen Vorschläge machen, nicht die Arbeit der Behörde übernehmen.“

Grüne wollen Hamburg mehr gestalten

Der grüne Fraktionschef stellt zugleich klar: „Wir verstehen es als unsere Aufgabe, die Stadt zu gestalten und lebenswerter zu machen. Dazu gehört, für die Senatsarbeit Impulse zu setzen und Aufträge zu geben“, so Lorenzen. „Wir haben uns mit der Stadt von morgen befasst, die lebenswert ist und sich zugleich auf den Klimawandel einstellt.“

Damit deutet Lorenzen eine Verschiebung der inhaltlichen Arbeit an – noch in der letzten Legislaturperiode bildete die Mobilitätswende einen Schwerpunkt in der parlamentarischen Arbeit. Nun wird die zweite Stufe gezündet – denn eine veränderte Mobilität verändert die ganze Stadt. „Wenn die Mobilitätswende der erste Schritt war, ist die Stadtentwicklung nun der zweite“, sagt der 44-Jährige.

Pläne der Grünen: Lohbrügger Markt soll Treffpunkt werden

Die Politik dürfe nicht nur auf Ottensen und Eimsbüttel schauen, sagt der Niendorfer. Deshalb haben sich die Grünen bewusst auch mit einem Ort am Stadtrand befasst, dem Lohbrügger Markt. „Marktplätze sind die ursprünglichen Stadtteilzentren – aber bislang wurde er eigentlich nur für Marktbeschicker gedacht“, sagt der Fraktionschef. „So, wie er jetzt ist, darf er nicht bleiben.“

Besser wäre demnach ein Treffpunkt, der auch außerhalb der Marktzeiten funktioniert – als Freifläche, Spielwiese, Begegnungsort. Der Platz soll nach diesen Ideen effizienter gestaltet werden, Spielgeräte und Sitz­gelegenheiten bekommen und eine farbige und grafische Bodengestaltung.

Die Ideen der Grünen für Lohbrügge sehen einen Marktplatz vor, der zum Treffpunkt wird.
Die Ideen der Grünen für Lohbrügge sehen einen Marktplatz vor, der zum Treffpunkt wird. © Grünen Fraktion Hamburg

Wandsbeker Chausee soll ruhiger werden – Rufbusse für HVV-Netz

Intensiv auseinandergesetzt haben sich die Grünen mit der Zukunft der Wandsbeker Chaussee, die sie verengen und beruhigen wollen, wodurch die Trennung Eilbeks überwunden werden könnte. Auf dieser Magistrale sieht der Entwurf bald Menschen flanieren. Das HVV-Netz soll durch Rufbusse ergänzt werden, durch die Umstellung auf Elek­tromobilität verringert sich der Lärm. Begrünte Fassaden sollen das Mikro­klima verbessern. „So wird die Durchfahrtsstraße eine Destination und aus lärmgeplagten Fahrbahnrändern breite Boulevards.“

Mit ihrem Konzept wollen die Grünen die Debatte über die Zukunft Hamburgs befördern. Dabei sollen nicht alle Viertel gleichermaßen verändert werden. Grundsätzlich plädiert Lorenzen für verschiedene Nutzungen in der Stadt: „Hamburg braucht Plätze mit einem Recht auf Ruhe genauso wie Plätze mit einem Recht auf Lautsein. Wir müssen Vielfalt zulassen.“

Die Wandsbeker Chaussee würden die Grünen gerne verengen und beruhigen.
Die Wandsbeker Chaussee würden die Grünen gerne verengen und beruhigen. © Grünen Fraktion Hamburg

Grüne Ideen – Hamburg soll mutiger werden

Ausdrücklich meint er damit auch Treffpunkte wie etwa am Grünen Jäger zwischen St. Pauli, Altona und Schanzenviertel, wo sich an Sommerabenden Hunderte Jugendliche treffen. Viele Anwohner sehen das sogenannte Cornern dort kritisch. „Wir brauchen diese Orte – auch sie machen Qualität von Stadt aus. Aber dann benötigen wir Toiletten, damit sich die Jungs nicht an die Hauswand stellen. Und natürlich gelten auch rund um das Cornern Ruhezeiten.“

Eine lebendige Stadt lebe von ihren Unterschieden: So brauche es Räume, wo sich Menschen mit Hunden tummeln können, aber zugleich Spielflächen, die frei von Hunden sind. „So sehr wir wollen, dass die Stadt zusammenwächst – wir müssen auch akzeptieren, dass sich Stadtteile unterschiedlich entwickeln.“

Lorenzen wünscht sich mehr Debatten, mehr Wagnisse, mehr Experimente. „Hamburg ist bei der Entwicklung zur modernen Stadt lange Zeit extrem mutlos gewesen. Metropolen wie Kopenhagen oder Barcelona zeigen uns, was möglich ist.“ Die Debatte ist eröffnet.