Hamburg. Der Abriss des Versorgungstunnels unter der Kaiser-Wilhelm-Straße steht bevor. Nur 25 Meter bleiben erhalten.

Wer größer ist als 1,75 Meter, muss den Kopf einziehen – sonst stößt er gegen einen der vielen Stahlträger, die die Decke des historischen Versorgungstunnels unter der Kaiser-Wilhelm-Straße halten. Die gemauerten Gewölbekappen dazwischen bieten mehr Höhe, hier kann man sich wieder aufrichten. Wer in dem 1892 errichteten Bauwerk an den hier verlaufenden Strom-, Wasser- oder Gasleitungen arbeitete, musste sich auf rund 450 Metern Länge auf diese Weise fortbewegen.

Dafür blieb den Hamburger Bürgern und Bürgerinnen aber eine überirdische Baustelle erspart – und genau das war die Absicht des Bauwerks, das unmittelbar an den Kellerwänden der angrenzenden Häuser verlief und jetzt zum größten Teil abgebrochen wird. Nur 25 Meter am Ende des Tunnels, zum Johannes-Brahms-Platz gelegen, bleiben als Reverenz an dieses technische Denkmal aus der Frühzeit der modernen Infrastruktur erhalten.

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Dieser Abschnitt des Tunnels wurde bereits gereinigt, von Schadstoffen befreit und durch eine Wand von dem Teil getrennt, der abgebrochen wird. Säuberlich abgeknipst ragen Reste der elektrischen Hausanschlüsse aus der backsteinernen Tunnelwand. Während ein altes Gasrohr bereits stillgelegt wurde, verlaufen auf kurzen, in Kniehöhe angebrachten Stahlträgern eine Wasserleitung und zwei Fernwärmerohre, die auch weiterhin in Betrieb sein werden.

Blick in den Teil des Tunnels, der erhalten bleiben soll.
Blick in den Teil des Tunnels, der erhalten bleiben soll. © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt | Roland Magunia/Hamburger Abendblatt

„Sie knicken gleich hinter der Schottwand ab“, sagt Wulf Schöning vom zuständigen Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG). Sobald der andere Tunnelteil verfüllt ist, werden sie wieder zurückverlegt. Warum der Tunnel nicht weiter genutzt werden kann, erklärt Schöning mit dem maroden Zustand des Bauwerks und den gestiegenen Sicherheitsanforderungen. Auch, warum es bei diesem seinerzeit als Experiment angelegten Einzelprojekt blieb, weiß er. „Wir haben hier große Sielanlagen, unterirdische Hochbahnstrecken, Kanäle und Fleete.“ Für ein Netz von Versorgungstunneln wie etwa in Prag eigne sich der Hamburger Untergrund nicht.

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Auf der anderen Seite der Schottwand sind die Rückbauarbeiten in vollem Gange. Arbeiter in Schutzmontur flexen Stahlträger und Rohre durch. Sind diese draußen, wird der Tunnel mit Flüssigbeton verfüllt und von oben die Ziegeldecke abgerissen. Die Herstellung von Leitungstrassen, Fahrbahn und Radwegen soll 2023 abgeschlossen werden.

Die Maßnahme findet im Zuge des Ausbaus der Velorouten 1 und 2 zwischen dem Axel-Springer-Platz und dem Johannes-Brahms-Platz statt sowie der Erneuerung der Fahrbahn an der Kaiser-Wilhelm-Straße und der Bushaltestellen am Johannes-Brahms-Platz. Außerdem soll die Erreichbarkeit des Bezirksamts verbessert, der ruhende Verkehr neu geordnet und die Gehwegflächen erneuert werden.