Hamburg. Die Forschungseinrichtung am UKE legt den Namen endgültig ab, Pettes Sohn protestiert. Was wird aus dem Bernhard-Nocht-Institut?
Das weltbekannte Haus ist umbenannt – doch der Ärger bleibt: Nach Jahren der Diskussionen, Gutachten und Widersprüche wird das Heinrich-Pette-Institut am UKE in Zukunft Leibniz-Institut für Virologie (LIV) heißen. Wie Institutsleiter Prof. Thomas Dobner erklärte, habe sich die Einrichtung weiterentwickelt und der Name Heinrich Pette erscheine mit Blick auf die Zukunft und die internationale Ausrichtung „nicht mehr zeitgemäß“.
Seit der Gründung des Instituts als Stiftung 1948 durch das Forscherpaar Heinrich und Edith Pette werden hier Viruserkrankungen und Therapien erforscht. Eine internationale Ausrichtung besteht seit den Anfangstagen. Die Pettes erforschten unter anderem die Kinderlähmung und multiple Sklerose. Die Corona-Pandemie hat die Bedeutung des Hauses noch einmal gestärkt.
Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) sagte, die „konsequente Aufarbeitung der deutschen Geschichte bleibt eine hochaktuelle Aufgabe für uns alle“. Das Institut hatte vor zehn Jahren begonnen, seine Geschichte und die des Gründers zu untersuchen. Im vergangenen Jahr legte es den Namen Pettes ab, behielt aber das HPI in Klammern bei. Fegebank sagte: „Der neue Name bringt den Forschungsschwerpunkt des Instituts klar auf den Punkt und passt hervorragend zu dessen internationaler Ausrichtung.“
Prof. Heinrich Pette: Sohn entdeckt Fehler in Gutachten
Das sieht der Sohn der Pettes anders. Prof. Dirk Pette sagte dem Abendblatt: „Meine Eltern waren keine Nazis, ich werde ihre Verleumdung weiter bekämpfen. Was sich hier abspielt, ist eine Geschichtsklitterung.“
Zwei Gutachten von Historikern konnten keine Mittäterschaft Pettes bei Verbrechen während der NS-Zeit nachweisen. Eine Empfehlung zur Umbenennung gaben sie nicht. Dirk Pette konnte in den Gutachten mehrere Fehler belegen, die die Historiker zum Teil auch korrigiert haben. Sie hatten Personen vertauscht (Reichsmarschall Göring und seinen Cousin), Pette in einer Nachkriegs-Affäre um einen NS-Täter (Heyde/Sawade) vom Zeugen zum Mitbeschuldigten gemacht und entlastende Argumente laut Sohn Pette nicht berücksichtigt.
Allerdings hatten die Gutachten belegt, dass Heinrich Pette schon 1933 in die NSDAP eintrat. Bei 15 dokumentierten Fällen als Gutachter hat er eine Zwangssterilisation von „erblich belasteten“ Menschen in sieben Fällen befürwortet, in acht abgelehnt.
Institutsdirektor Dobner sagte: „Heinrich und seine Frau Edith Pette, die das Institut gemeinsam aufbauten und leiteten, sind natürlich nicht vergessen. Ihre Bedeutung für das Institut und ihre wissenschaftlichen Erfolge sollen auch weiterhin gewürdigt werden.“
Hafenarzt Bernhard Nocht: Debatte um Rassismus hält an
Ob das beim Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin auch so bleibt? Der Hafenarzt (1857-1945) hatte die Forschung zu tropentypischen Krankheitserregern in der Hansestadt etabliert und sich um den Seuchenschutz verdient gemacht.
Er war allerdings auch in die koloniale Expansionspolitik des Deutschen Reiches eingebunden und trat für Segregation ein, also die Rassentrennung, wie aus seinem Bericht über eine Reise nach Ostafrika im Jahr 1911 hervorgeht. Darin beklagt Nocht etwa, dass es nicht gelungen sei, eine im „Europäerviertel“ gelegene Schule für „Negerkinder“, die „bekanntlich die besten Lieferanten von Malariaparasiten“ seien, zu verlegen. 1933 unterzeichnete Bernhard Nocht ein Bekenntnis deutscher Professoren zu Adolf Hitler.
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Wie die Verstrickungen Nochts zu bewerten sind, sollen bald unabhängige Experten klären. „Wir diskutieren aktuell intern, welche Gutachterin oder Gutachter genau für unser Institut geeignet ist und welche Gutachtenform“, teilte das Institut auf Abendblatt-Anfrage mit. „Das ist ein längerer Findungsprozess. Er ist wichtig, um über die Beauftragung und den möglichen Zeit- und Finanzrahmen zu entscheiden.“ Über Vorschläge zu einer etwaigen Umbenennung des Instituts wollten die Mitarbeitenden „erst nach der Auswertung des Gutachtens diskutieren“.
Müssen weitere Hamburger Straßen umbenannt werden?
Da das zur außeruniversitären Leibniz-Gemeinschaft zählende Tropeninstitut längst als eine Forschungseinrichtung für weltweit auftretende Infektionen agiert, könnte es künftig womöglich etwa in „Leibniz-Institut für globale Infektionen“ umbenannt werden – ob mit dem Zusatz „Bernhard Nocht“ oder ohne, wird sich zeigen.
Sollten die Tropenmediziner den Namen Bernhard Nocht aus guten Gründen abstreifen, wird auch der Bezirk Mitte nicht um eine Diskussion um die gleichnamige Straße herumkommen. Wie berichtet, sind in anderen Hamburger Bezirken Straßen nach Menschen benannt, die zum Beispiel als NS-Täter klar identifiziert sind. Diese Widmungen haben zumeist nach dem Zweiten Weltkrieg stattgefunden.