Hamburg. Zahlreiche Häuser verfallen, Mieter und Nachbarn sind empört. Der verantwortliche Behördenchef ist ein ehemaliger Hamburger Politiker.
Auf den ersten Blick sehen diese Häuser ganz schnuckelig aus. Erdgeschoss und Dachgeschoss, je zwei Parteien, Klinker, weiße Fenster, Bäume vor dem Eingang. Die Lage an der Osdorfer Landstraße mag „zentral“ klingen, aber etwas laut sein. Doch das ist nicht der Grund, warum die Wohnungen hier schon lange leer stehen. Das gleiche Bild etwas weiter südlich Richtung Blankenese. Am Grotefendweg sehen die unbewohnten Häuser schon etwas weiter heruntergekommen aus. Gras und Sträucher wuchern ungebändigt. Ein halb heruntergelassenes Rollo fault dem Verfall entgegen. Das Dach macht keinen vertrauenswürdigen Eindruck.
Kein Wunder. Hier in Dockenhuden in der Nähe der Clausewitz-Kaserne und der Führungsakademie der Bundeswehr beobachten die Nachbarn seit Jahren, dass die Häuser in ihrer Straße „quasi aufgegeben wurden“, wie einer sagt. Mag der Leerstand weiter nördlich an der Reichspräsident-Ebert-Kaserne nicht sofort auffallen – in dieser beschaulichen Straße ist er ein Dauer-Aufreger.
Immobilien: Diese Häuser lässt der Bund in Hamburg leer stehen
Markus E. hat in einem der Häuser gewohnt. Sie gehören alle der Bima, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Die Bima vermietet die Wohnungen an Bundesbeamte, Polizisten, Zoll-Mitarbeiter, Soldaten. Und die Bima stritt sich mit einigen von ihnen um die Miete. Denn die Bewohner sahen nicht ein, die volle Summe zu zahlen, obwohl „es schimmelte, zwischenzeitlich weder Strom noch Wasser floss und das Haus zu verrotten drohte“, wie Ex-Mieter Markus E. sagte. Er ging mit einem Anwalt gegen die Bima vor und verglich sich nach einem Beweissicherungsverfahren letztendlich. „Die Bima ist eingeknickt“, so Markus E. Er durfte die Miete um die Hälfte mindern und bekam den Umzug zum Teil erstattet.
Nach Abendblatt-Informationen gab es mehrere dieser Fälle in Hamburg. In ihrem derzeitigen Zustand sind die leer stehenden Häuser auch nicht vermietbar. Das ist ein Ärgernis für alle, die in Hamburg eine bezahlbare Wohnung suchen, zumal für kleine und mittlere Beamte. Die Bima räumt auf Abendblatt-Nachfragen ein, dass an der Osdorfer Landstraße und am Grotefendweg je vier Wohnungen unbewohnt sind – zum Teil seit 2018 und 2019. Sie müssten grundsaniert werden, sagte ein Bima-Sprecher. Die Bundesanstalt arbeite noch an der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Verkaufen wolle man aber keine der 264 Wohnungen in Hamburg.
Was der Bezirk Altona zum Leerstand sagt
Dem Bezirksamt Altona sind die Leerstände „ordnungsgemäß“ im August 2020 angezeigt worden, wie Sprecher Mike Schlink dem Abendblatt sagte: „Dadurch tritt eine sogenannte Genehmigungsfiktion ein. Das bedeutet: Der Leerstand ist vorerst erlaubt. In diesem konkreten Fall ist das an das Vorhaben des Eigentümers geknüpft, eine Komplettsanierung der Objekte durchzuführen. Diese Maßnahmen sind für das Jahr 2021 geplant. Erfolgt der Start dieser Maßnahmen nicht, wird das Bezirksamt Kontakt zur Bima aufnehmen.“
Beim Mieterverein heißt es, dass ein Leerstand von mehr als drei Monaten im Prinzip ein Bußgeld nach sich ziehe. „Dass Verstöße verfolgt werden, passiert viel zu selten“, so der Mieterverein. Da hier Staatseigentum verfällt, ist das auch dem FDP-Politiker Wieland Schinnenburg ein Dorn im Auge: „Angesichts der Wohnungsknappheit und weil Hamburg in diesem Jahr das Ziel der 10.000 genehmigten Wohnungen verfehlen wird, ist es ein Skandal, dass die Bima nicht alles tut, um für die Hamburger Wohnungen bereit zu stellen. Dass die Bima in Hamburg so versagt, ist besonders peinlich: Die Fachaufsicht hat Noch-Finanzminister Olaf Scholz, Chef der Bima ist Christoph Krupp.“
Die Bima will die Häuser schnell sanieren
Krupp war Bezirksamtsleiter in Bergedorf und Leiter der Senatskanzlei bei Scholz. Er ist inzwischen Vorstandssprecher der Bima und nebenbei Corona-Impfstoffbeschaffer der geschäftsführenden Bundesregierung. Schinnenburg hatte noch als Bundestagsabgeordneter mit einer Anfrage an die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass die Länder diese Bundeswohnungen ja günstig und einfach kaufen könnten, auch Hamburg. Das böte die „Chance, besonders in Ballungszentren und Großstädten dringend notwendige neue Wohnungsflächen zu erschließen. Durch ein erhöhtes Wohnungsangebot ließe sich der Anstieg von Mieten und Immobilienpreisen zumindest bremsen.“
Schinnenburgs damaliger SPD-Kollege Matthias Bartke, Abgeordneter aus Altona, schrieb wegen der Bima-Wohnungen sogar seinem Genossen Christoph Krupp. Krupp antwortete entschuldigend, die Bima habe „zahlreiche Wohnungen von einem externen Dienstleister“ in die eigene Verwaltung übernommen. „Leider“ habe sich herausgestellt, dass von diesen viele komplett saniert werden müssten. Dazu müsse sich die Bima mit Bezirksamt und Stadt Hamburg abstimmen, um „sodann“ die Aufträge zur Sanierung zu vergeben.
Ausgeprägte Personalnot bei der Bima
Die Mehrheit der 36.000 Wohnungen der Bima in Deutschland stammt aus den fünfziger Jahren. Entsprechend sind der technische Standard und der immense Sanierungsbedarf, wie aus Unterlagen aus dem Haushaltsausschuss des Bundestages hervorgeht. 7300 neue Wohnungen müssten wegen der Nachfrage von Beamten bis 2024 gebaut werden, 3700 stehen nur im Vorhabenplan. Die Bima will Milliarden investieren – doch Experten halten das Tempo für „schneckengleich“.
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Das allerdings ist kein Wunder. Im Haushaltsplan der Bima für 2020 sind mit Stand vom 1. Juni 2019 genau 6150 Stellen vermerkt. Das Soll an Mitarbeitern für 2019 beträgt aber 6908 Stellen. Für 2020 liegt das Soll bei 7039 – also müssten weitere Wohnungsverwalter eingestellt werden. Die Personalnot muss extrem groß sein. Die Bima teilte dem Abendblatt mit: „Die Aufstockung der zur Verfügung stehenden Haushaltsstellen von 6908 auf 7039 ist darin begründet, dass eine Vielzahl von Wohnliegenschaften wieder in die Verwaltung der Bundesanstalt überführt wurden.“ Findet das Bundesfinanzministerium keine Leute für die Bima?
Lüneburg: Leerstand auch im Hamburger Umland
Auch im Hamburger Umland wie in Lüneburg stehen Reihenhäuser und Mehrfamilieneinheiten seit Längerem leer. Das empört Nachbarn, die auf den in Lüneburg ebenfalls angespannten Wohnungsmarkt aufmerksam machen. In Ostenholz im Heidekreis hat sich eine Initiative gegründet, die einen traditionsreichen, verfallenden Hof (erfolglos) retten wollte und die Leerstandspolitik und die schleppende Sanierung der Bima beklagt. Genervte Mieter tauschen sich mittlerweile in Facebook-Gruppen aus. Tenor: „Die Reaktionszeit der Bima kann man nicht in Monaten messen, sondern in Jahren.“
Bima-Chef Krupp schrieb an seinen Hamburger Genossen Matthias Bartke: „Die Beschäftigten der Bima arbeiten vor Ort intensiv daran, dass die Wohnungen schnellstmöglich wieder zur Vermietung angeboten werden können.“