Hamburg. Der Vize-Präsident des Dehoga, Niklaus Kaiser von Rosenburg, beklagt Existenzbedrohung für viele Gastronomen in Hamburg.
Angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen und der mittlerweile vorherrschenden Omikron-Variante gelten in Hamburg seit Montag verschärfte Corona-Regeln. Dass Menschen mit einer Grundimmunisierung sowie Genesene im Rahmen des 2G-plus-Zugangsmodells in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens einen zusätzlichen negativen Corona-Test brauchen, trifft vor allem die Gastronomie hart.
„Die spontanen Besucher bleiben weg“, sagt Niklaus Kaiser von Rosenburg, Vizepräsident des Hamburger Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), der mit massiven Umsatzeinbußen in der Branche rechnet. „Wir haben unter 2G schon nicht betriebswirtschaftlich gearbeitet.“ Nun drohe es noch schlimmer zu werden. So hätten sich mit Ankündigung von 2G plus bereits in der vergangenen Woche die Einnahmen in vielen Betrieben halbiert. „Auch Geboosterte kommen nicht, weil alle verunsichert sind.“ Hinzu komme der politische Appell, Kontakte zu reduzieren. „All das führt dazu, dass die Restaurants leer bleiben.“
Situation treibt Mitarbeiter zum Branchenwechsel
Ein großes Problem im nun geltenden 2G-plus-Modell sieht Kaiser von Rosenburg darin, dass in Hamburg noch nicht genügend Menschen geboostert sind, was nicht an der mangelnden Bereitschaft, sondern den fehlenden Kapazitäten liege. „Anders als bei der Einführung von 2G, wo jeder die Chance hatte, sich zu impfen, sind die neuen Regeln für Menschen, die keine Booster-Impfung bekommen, ungerecht.“
Für Gastronomen bedeute die 2G-plus-Regel neben massiven finanziellen Einbußen vor allem enormen administrativen Aufwand. So entstünde durch die Auflagen beim Einchecken 30 Prozent mehr Aufwand im Service. Um das zu veranschaulichen, führt der Dehoga-Vizechef ein einfaches Beispiel an: „Wenn das Einchecken eines Gastes mit Ausweiskontrolle eine Minute dauert, ist ein Mitarbeiter bei einem Zehnertisch zehn Minuten mit dem Kontrollieren beschäftigt. Dann braucht man immer einen Servicemitarbeiter, der sich ausschließlich um diesen Bereich kümmert, sonst bricht der Service zusammen.“ Gerade in kleineren Betrieben, in denen vielleicht nur ein Mitarbeiter für den Service zur Verfügung steht, sei das nicht leistbar. „Das bricht dem Betrieb in vielen kleinen Restaurants das Genick.“
Bereits vor der Einführung der neuen Einschränkungen hätten viele gastronomische Betriebe reduzierte Öffnungszeiten eingeführt, da überdies ein gravierender Personalmangel in der Branche herrsche. „Uns laufen die Mitarbeiter weg, weil kein Geld da ist, es aber auch keine Perspektive mehr gibt.“
2G-plus-Regel: Das bricht vielen kleinen Betrieben das Genick
Ausbleibende Einkommen, fehlendes Trinkgeld, ständig neue Verordnungen – die Branche ist von der Corona-Pandemie hart getroffen. „Immer wieder wird die Gastronomie dichtgemacht. Der Nachwuchs fehlt. Unter solchen Voraussetzungen entscheidet sich keiner mehr für unseren Beruf“, so Kaiser von Rosenburg. „Es ist eine deprimierende Situation für die Gastronomie.“ Im Hotel- und Gastgewerbe seien aktuell zwischen 7000 und 8000 Arbeitsplätze unbesetzt. „Wir hatten vorher schon einen Fachkräftemangel, der sich durch die Pandemie verdoppelt hat.“ Bei einer weiteren Schließung sei die Gefahr extrem hoch, dass Mitarbeiter abwandern. „Viele Betriebe haben geöffnet, weil sie ihre Mitarbeiter sonst nicht mehr halten können, dabei ist es für viele Gastronomen wirtschaftlicher zu schließen, als offen zu haben.“
So zum Beispiel für das „Café Ribatejo“ in Ottensen. „Seit Beginn der Pandemie haben wir mit Umsatzeinbußen zu kämpfen. Während der vielen Lockdowns haben wir versucht, auf unterschiedliche Weise das Ribatejo aufrechtzuerhalten und für euch da zu sein, aber leider war es nicht wirtschaftlich“, schreibt die Betreiberin des beliebten portugiesischen Restaurants auf ihrer Webseite, und weiter: „Aufgrund der aktuellen Covid-Lage und den bevorstehenden Maßnahmen sehen wir uns leider gezwungen, das Ribatejo vorerst ganztägig zu schließen.“
Tim Mälzer kündigte an, sein Restaurant Bullerei zu schließen
Der Hamburger TV-Koch Tim Mälzer kündigte bereits vergangene Woche an, sein Restaurant Bullerei in der Sternschanze für circa drei Wochen zu schließen. „Als Bullerei sind wir nicht nur für kulinarische Wohlgenüsse verantwortlich, sondern tragen auch eine Fürsorgepflicht unseren Mitarbeitern und unseren Gästen gegenüber“, schrieb Mälzer am Donnerstag auf Instagram. In Anbetracht der Infektionszahlen und der bevorstehenden 2G-plus-Regel habe er sich mit seinem Team zu diesem Schritt entschieden.
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„Es ist naiv zu glauben, dass alle zu Hause bleiben, nur weil man die Restaurants dichtmacht. Die Zusammenkünfte verschieben sich in den privaten Bereich“, sagt Kaiser von Rosenburg, der auch Kritik an der Kommunikation des Senats übt: „Mal wieder haben wir erst Freitagnachmittag die Information bekommen, was ab Montagvormittag gilt.“ Auch das Pressestatement von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) habe viele Fragen offen gelassen. „2G plus gab es bereits in verschiedenen Bundesländern, warum wurde die Ankündigung in Hamburg dann nicht mit einer Verordnung begleitet, die schlüssig ist und sich auf das stützt, was dort galt?“
Immer neue Vorschriften überfordern viele Betreiber
Viele Gastronomen würden sich an den Dehoga Hamburg wenden, da sie allgemeine Fragen zur Verordnung, aber zum Beispiel auch zu Dokumentationsabläufen oder Tischabständen hätten. Vor diese Situation würden sich Gastronomen zudem nicht zum ersten Mal gestellt sehen.
„Wir spielen das Spiel jetzt seit zwei Jahren und würden uns wünschen, dass immer wiederkehrende Fragestellungen besser vorbereitet werden“, so Kaiser von Rosenburg. „Gastronomen sind keine Juristen, sehr oft haben sie einen migrantischen Hintergrund. Ich verstehe nicht, dass man nicht etwas mehr auf die Menschen eingeht, die hinter den Betrieben stehen, wenn man schon so stark ihre Rechte einschränkt.“