Der Hamburger TV-Koch hat sein Restaurant in der Sternschanze geschlossen. Tim Mälzer spricht nun offen über eine persönliche Krise.

  • Tim Mälzer ist traurig: Er hat hat die Bullerei geschlossen
  • Der Hamburger TV-Koch spricht über eine persönliche Krise
  • Tim Mälzer verrät: So geht es weiter in seinem Restaurant

Tim Mälzer hat sich die Sache gründlich überlegt: „Wir werden die Bullerei am Sonntag für circa drei Wochen schließen. Wir ziehen so eine Art von Betriebsurlaub vor. Diese Entscheidung haben wir schon vor der 2G-plus-Regel getroffen.“

Diesen Schritt gehe man in Anbetracht der steigenden Corona-Zahlen: „Wir haben uns gesagt, wir wollen nicht mehr reagieren, sondern wir agieren.“ Er habe Verständnis für die Regelung des Senats, dass Geimpfte, die noch nicht geboostert sind, für einen Restaurantbesuch einen Schnelltest brauchen, sagte der bekannte Hamburger Gastronom dem Abendblatt.

Tim Mälzer schließt Restaurant Bullerei wegen 2G plus

„Wir sehen in den kommenden Wochen größere Herausforderungen in der Gastronomie – auch angesichts der vorgesehenen Restriktionen, die wir sehr unterstützen.“ Er sei absolut für 2G plus, allerdings gebe es derzeit noch zu wenig Schnelltestkapazitäten, was die Situation für die Gastronomie erschwere: „Unsere Klientel entscheidet sich oft erst um 18 Uhr, und da ist das Angebot für die Schnelltests noch nicht ausreichend.“ Er sei im Austausch mit einem Unternehmen, das eine Teststation vor seinem Restaurant aufbauen wolle, aber die Genehmigung sei noch nicht erteilt.

Die Erfahrungen von Kollegen in anderen Bundesländern zeigten, dass es durch die Testpflicht für Nicht-Geboosterte zu erheblichen Einbußen komme, „laut Dehoga im Schnitt 58 Prozent“, sagt Mälzer.

Tim Mälzer: Infektionen auch im Bullerei-Team

Es sei nicht nur eine wirtschaftliche Entscheidung, sondern man habe auch die Mitarbeiter im Blick. Auch unter den 80 Mitarbeitern habe es Infektionen gegeben. „Man stellt sich die Frage, wie ist die Gefährdung im Verhältnis zur Wirtschaftlichkeit. Da haben wir uns jetzt entschieden, dass wir eine Ruhepause herstellen.“

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Die Mitarbeiter würden Resturlaube abbauen oder Urlaub nehmen, zum Teil werde man Kurzarbeit beantragen, sagt Mälzer. „Die Mitarbeiter haben wir am Mittwoch informiert, die wissen Bescheid. Wir haben auch gesehen, wie sehr die Situation die Mitarbeiter belastet. Die haben natürlich dieselben Ängste wie die Menschen auf der Straße, die haben alle Familie und Freunde. Man soll Kontaktbeschränkungen einhalten, aber an ihrem Arbeitsplatz ist das genaue Gegenteil der Fall“, sagt Mälzer.

Wozu Tim Mälzer anderen Gastronomen in Hamburg rät

Seine Mitarbeiter seien wegen der Schließungspläne eher erleichtert: „Wir wollen unserer Verantwortung gerecht werden, aber auch als ein Vorbild dastehen.“ Die Bullerei sei nach wie vor ein Schlachtschiff, „das fährt konstant durch eisige Seen durch, aber wir können gerade nicht unserem Auftrag gerecht werden, wie wir es gerne würden. Wenn man jetzt nur ,Augen zu und durch‘ agiert, handelt man nicht verantwortlich.“

Januar sei in der Gastronomie eher ein schwächerer Monat. Anderen Gas­tronomen rät er, die wirtschaftlichen und sozialen Komponenten abzuwägen und die Möglichkeit einer vorübergehenden Schließung nicht außer Acht zu lassen. „Wir sind der festen Überzeugung, dass wir gesamtgesellschaftlich noch mal eine Kraftanstrengung brauchen, durch Impfen, Boostern, nachhaltige Hygienekonzepte.“ Nur dann komme man in eine dauerhafte Normalität mit Corona.

Tim Mälzer verrät weitere TV-Pläne

Zur geplanten Wiedereröffnung im Februar hoffe er sehr, dass dann die Teststation vor der Bullerei in Betrieb sei, um den Gästen wieder eine gewisse Leichtigkeit bei der Planung ihrer Restaurantbesuche zu ermöglichen. Davon würden auch die umliegenden Gastronomen im Schanzenviertel profitieren.

Der Wirkungsradius des bekannten Hamburger Gastronomen ist pandemiebedingt derzeit etwas reduziert, trotzdem ist er weiterhin auf vielen unterschiedlichen Feldern aktiv. Im Februar 2022 startet beispielsweise die achte Staffel seiner Fernsehshow „Kitchen Impossible“. Nach einer rein deutschsprachigen Staffel im Jahr 2020 hat Mälzer für die neuen Folgen wieder versucht, mehr Landesgrenzen zu überschreiten.

„Zum Ende hin ist es wieder schwieriger geworden, wir haben dann im näheren europäischen Umfeld gedreht.“ Die weiteste Reise war jene nach Albanien. Der Fernsehkoch schwärmt von der „Emotion des Reisens, des Menschelns, da gibt es viel Tolles zu entdecken. Das macht das Format ja so schön, dass es nicht darum geht, den besten Koch zu finden, sondern eigentlich ist der Wettbewerb ja nur der Anlass dazu, all das erleben und entdecken zu dürfen, was wir tun.“

Tim Mälzer: Erstes Buch zu "Kitchen Impossible"

Erstmals erscheint zur Serie ein Buch, das mit 300 farbigen Abbildungen und vielen Rezepten opulent gestaltet ist. „Teilweise enthält es Originalrezepte der Originalköche, weil sie gut transportierbar und nachkochbar waren und die Produkte hier erhältlich sind. Und wir haben aber auch ein paar Rezepte so bearbeitet, dass sie nachkochbar sind, denn man bekommt­ manchmal hier nicht alle Zu­taten“, sagt Mälzer.

Es sei eine Reise­zusammenfassung der vergangenen Jahre, aber mit Rezepten: „,Kitchen Impossible‘ ist ja keine klassische Kochsendung, sondern es geht eher darum, wie öffnen sich Leute, was ist die Motivation, wie stellen sie sich der Kulinarik. So empfinde ich Kochbücher generell, es sind eher emotionale Momentaufnahmen, außer es handelt sich um echte Kochlehrbücher.“ Beim Blättern in Mälzers Kochbuch fühlt man sich als Betrachter jedenfalls wie auf einer kulinarischen Weltreise in einer Zeit, in der viele Grenzen dicht sind.

Tim Mälzer: "Hab mich geistig verklebt gefühlt"

Tim Mälzer, der nach eigenen Angaben mehr als 100 Tage im Jahr unterwegs ist, sagt von sich: „Ich bin ein Tanzbär, mein Output-Potenzial ist enorm. Ich habe unfassbare Energie.“ Nur im vergangenen Frühjahr, da war sie plötzlich aus ihm gewichen: „Ich habe mich geistig verklebt gefühlt. Die Krise hat mir schon zugesetzt“, sagt der 50-Jährige.

„Ich hatte davor immer das große Glück, wenn ich eine Idee hatte, dass sie entweder so schlecht gelaufen ist, dass ich sie einstellen musste oder dass sie funktioniert hat. Und auf einmal war ich durch die Pandemie gezwungen, mich mit so vielen Dingen auseinandersetzen zu müssen, die ich nie vorhergesehen hätte. Diese Verantwortung für die vielen Mitarbeiter, eine gewisse Last, die man plötzlich vermehrt gespürt hat, die Sorgen vor dem eigenen Scheitern – und nicht, weil ich es selber verbockt habe. Ich habe versucht, mir das nicht anmerken zu lassen, aber irgendwann war ich geistig verklebt, ich war müde und war auch nicht sicher, ob ich in diese Welt noch einmal reinmöchte in dieser Intensität.“

Also eine richtige Krise? „Frag mal einen Marathonläufer, ob er danach noch mal laufen will. Ich glaube, die meisten sagen, das war’s jetzt erst mal. So ging es mir auch. Da habe ich mich ein paar Tage um mich gekümmert – und zwar nur um mich.“

Tim Mälzer tankte beim Fasten wieder auf

Mälzer war im Frühjahr 2021 am Tegernsee im Lanserhof. „Ich habe mir gesagt, ich fahre da mal runter, kümmere mich um mich selber, mache den Schwamm aus dem Leib raus, ich nenne es ,das Verklebte‘.“ Er habe dann zehn Tage gefastet. „Das tat mir wahnsinnig gut, kann ich jedem empfehlen.“ Er habe angefangen, gut zu schlafen, und durch das Fasten auch ein wenig das Gewicht reduziert. Er habe dadurch ein anderes Bewusstsein für Völlegefühl bekommen.

Und wie ist es jetzt? „Mir geht es gut, diese geistige Beruhigung tat gut. Andere Leute gehen wandern oder Pilze sammeln oder fahren Fahrrad, um abzuschalten.“ Ihm falle das nicht leicht, aber jetzt halte er auch mal die Füße still, versuche, sich ein wenig runterzufahren. Das bedeute aber nicht Stillstand. „Ich bin voll medial tätig, bin unternehmerisch tätig mit einer Gastronomie, die schon für sich einen 50-, 60-Stunden-Job bedeutet, mager bemessen. Und es gibt ja auch noch so was wie ein Privatleben. Manchmal denke ich, das ist ein ganz schöner Ritt.“ In diesem Frühjahr werde er die Lanserhof-Auszeit jedenfalls wiederholen, sagt der Hamburger.

Auch mit Henssler dreht Mälzer wieder neue TV-Shows

Was in diesem Jahr ebenfalls ansteht, sind neue Folgen der gemeinsamen Fernsehshow mit Steffen Henssler „Mälzer und Henssler liefern ab!“ auf Vox. Die Idee dafür sei in der Corona-Krise entstanden, sagt Mälzer. „Wir haben uns ausgetauscht, was wir zusammen machen könnten.“ Henssler und er, sie seien eher „wie Brüder. Wir sind keine Freunde, das mag ich sehr.“

Dreh­termin für die neue Staffel ist noch in diesem Monat. Der Ton zwischen ihnen solle dann auch etwas feiner werden, „wir brauchen den Brachialhumor nicht mehr“. Was bleibe: Jeder habe den persönlichen Ehrgeiz, den Wettbewerb zu gewinnen, da gebe es keine Regeln, auch unfaire Aktionen seien erlaubt.

Sasha singt - Tim Mälzer schleicht sich mit Torte an

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    Gedreht wird wieder im Restaurant „Die gute Botschaft“ an der Alster. Die ist derzeit geschlossen, „da ist eine Baustelle vor dem Haus, da machst du nur Verluste“, sagt Mälzer. Es habe derzeit keinen Sinn, dort für Gäste zu öffnen.

    Tim Mälzer: "Habe sogar selbst ausgeliefert"

    2020 sei wie ein großes Ungeheuer gewesen. „Wir haben lange gebraucht, wieder voll besetzt zu sein.“ 25 Prozent der Mitarbeiter hätten die Branche verlassen. Mälzer zeigt für diese Umorientierung großes Verständnis: „Die sind abhängig­ von regelmäßigen Zahlungseingängen.“

    Ein weiteres Standbein sind die Lebensmittelboxen, die er auf Bestellung weiterhin liefern lässt. Fertig gekochtes Essen außer Haus habe dagegen im Lockdown nicht gut funktioniert. Alleine die Logistik würde sie vor Probleme stellen, weil der Andrang sich auf wenige Abendstunden ballt. Zudem seien die Gerichte dann preislich wohl auch nicht mehr so abbildbar wie im Restaurant. „Ich habe sogar selbst ausgeliefert.“

    Wenn er selbst essen geht, wagt der gebürtige Pinneberger lieber keine großen Experimente. Er sei ein Gewohnheitstier, wenn er sich in einem Restaurant wohlfühlt, komme er immer wieder, sagt er: „Ich kann auch Leute verstehen, die 20 Jahre in denselben Ort in Urlaub fahren, wenn ich etwas mag, möchte ich es mehrmals haben. Und ich gehe ja nicht so oft essen.“ Er beschwere sich nie. Allerdings gehe er ja meistens in dieselben Läden. Da könne er auch mal in Ruhe Gast sein und laufe nicht groß Gefahr, enttäuscht zu werden. „Wenn es nicht schmeckt, gehe ich eben nicht wieder hin.“

    Tim Mälzer: Kitchen Impossible, Mosaik Verlag, 24 Euro, Veröffentlichung am 21. Februar 2022