Hamburg. Selten waren die Kontakte vom Senat zur Bundesregierung in Berlin so gut wie jetzt. Wird die Stadt davon künftig profitieren?

Manch einer stellt sich das vermutlich ganz einfach vor. Wenn Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) künftig Unterstützung oder gar Geld vom Bund braucht, muss er in seinem Handy nur bis O wie Olaf scrollen – und schon hat er den Bundeskanzler dran: Olaf Scholz. Falls sein Genosse und Vorgänger im Bürgermeisteramt gerade verhindert sein sollte, könnte der Senatschef es auch bei Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt versuchen – der war Hamburgs Staatsrat für Auswärtiges, als Tschentscher noch Finanzsenator war. Man kennt sich lange und gut.

Geht es um eher „grüne“ Themen, könnte sich Fraktionschefin Jennifer Jasberg bei Vizekanzler Robert Habeck melden – für den sie in seiner Zeit als Umweltminister in Schleswig-Holstein tätig war. Alternativ könnten die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank oder Umweltsenator Jens Kerstan (beide Grüne) ihre langjährige Weggefährtin Anja Hajduk anrufen: Die frühere Stadtentwicklungssenatorin ist jetzt Staatssekretärin in Habecks Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und koordiniert dort die grüne Regierungsarbeit.

Hamburg hat glänzende Kontakte zur Bundesregierung

Die Liste ließe sich noch fortsetzen und verdeutlicht eines: Selten zuvor hatte ein Hamburger Senat derart glänzende Kontakte zur Bundesregierung. Und das legt natürlich den Gedanken nahe, dass die Hansestadt es künftig zumindest leichter haben dürfte, mit ihren Anliegen in Berlin Gehör zu finden. Indes: So einfach ist das leider nicht.

Klar sei es ein Vorteil, dass der Bundeskanzler aus Hamburg komme und ein Gefühl für die Belange einer Großstadt habe, die Deutschlands größter Indus­triestandort und deren Hafen das Tor zur Welt ist, heißt es unisono aus dem Regierungslager. Dennoch hat niemand die Erwartung, dass der Hansestadt nun alle Wünsche erfüllt werden, nur weil der Kanzler Olaf Scholz heißt. „Man sollte nicht davon ausgehen, dass er jeden Monat mit einem Sack Geld vorbeikommt“, sagt ein Senatsmitglied und betont eine Binsenweisheit: „Beim Geld hört die Freundschaft auf.“

Hinzu kommt, dass es in der Bundesrepublik eher unüblich, um nicht zu sagen: verpönt ist, als Kanzler die eigene Heimat zu bevorzugen. Einige Verantwortliche in Hamburg können sich daher sogar vorstellen, dass Scholz, obwohl er die Überzeugung vertritt, dass sich die Zukunft der Menschheit in den „Big Cities“ entscheide, es eher vermeiden wird, Hamburg offensichtlich zu fördern. „Er muss jetzt ja zeigen, dass er das ganze Land im Blick hat, auch die ländlichen Räume“, sagt ein Weggefährte.

Hamburg kommt im Koalitionsvertrag nur selten vor

Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP bestätigt das: Hamburg kommt auf 177 Seiten genau zweimal vor und damit einmal mehr als München, aber seltener als Berlin. Die erste Erwähnung betrifft das wenig glamouröse Thema betriebliches Eingliederungsmanagement: Da will die Ampel auf Qualitätsstandards nach „Hamburger Modell“ setzen – das ehrt die Hansestadt, aber kaufen kann sie sich dafür nichts.

Die zweite direkte Erwähnung könnte dagegen Gold wert sein: Im Kapitel „Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung“ wird das Ziel ausgegeben, besonders bedeutsame Infrastrukturmaßnahmen künftig im Wege der „Legalplanung“ auf den Weg zu bringen, also mithilfe eines vom Bundestag beschlossenen Gesetzes anstelle langwieriger Planfeststellungsverfahren. „Beginnen werden wir mit Schienenprojekten aus dem Deutschlandtakt“ heißt es, und dort wird explizit auch der „Knoten Hamburg“ genannt. Gemeint ist damit die Beseitigung des Engpasses am Hauptbahnhof durch die Erweiterung der Eisenbahnbrücken über die Elbe und den Bau eines neuen ­S-Bahn-Tunnels unter dem Hauptbahnhof hindurch zum Bahnhof Diebsteich.

Die am Dienstag vorgestellten Pläne für die Erweiterung des Hauptbahnhofs sind da noch nicht eingeschlossen – allerdings betreffen diese auch keine Erweiterung der Schienen-Kapazitäten, sondern die Bewältigung der Personenströme. „Wir haben da auf jeden Fall Rückenwind“, freut man sich im Senat dennoch über die Pläne der Ampel zum „Knoten Hamburg“. Zumal die Hansestadt von einem weiteren großen Bahn-Projekt profitieren dürfte: „Optimiertes Alpha E+“. Hinter der kryptischen Bezeichnung versteckt sich das Gleisdreieck Hamburg-Bremen-Hannover, das ebenfalls zügig ausgebaut werden soll. Hier geht es vor allem darum, den Gütertransport zu und aus den Häfen in Bremen und Hamburg zu beschleunigen.

Erfreut registriert man im Senat auch, dass der Bund die angestrebte Hafenkooperation im Norden unterstützt. „Wir werden eine Nationale Hafenstrategie entwickeln und die enge Zusammenarbeit unserer Häfen fördern“, heißt es im Koalitionsvertrag. Dass Berlin sich direkt in die Verhandlungen der Terminalbetreiber aus Bremen und Hamburg einmischt, wird zwar nicht erwartet. Aber die Unterstützung des Bundeskanzlers nehme man gern mit, heißt es.

Dass die Koalition Deutschland bis 2030 zum „Leitmarkt für Wasserstofftechnologien“ machen will, ist ebenfalls eine unausgesprochene Unterstützung für die Hansestadt, die wie kaum ein anderer Industriestandort auf diese Technologie setzt. Der Besuch des damaligen Kanzlerkandidaten Olaf Scholz im August im Stahlwerk von ArcelorMittal, das mithilfe von grünem Wasserstoff seine Stahlproduktion klimaneutral machen will, war natürlich kein Zufall.

Bund will 400.000 neue Wohnungen im Jahr bauen

Seinerzeit hatte er den Tag mit einer Visite in der Jugendberufsagentur in Harburg begonnen – auch dieses Projekt, das Scholz damals liebevoll „mein Baby“ nannte, findet sich im Koalitionsvertrag wieder. Man wolle Jugendberufsagenturen flächendeckend ausbauen, heißt es. Mehr als das Copyright wird in Hamburg kaum hängen bleiben – schließlich sind diese Einrichtungen hier schon etabliert.

Ähnliches gilt für das Thema Wohnungsbau: Dass der Bund nun den Bau von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr anstrebt und dafür ein „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ schließen will, kommt den meisten Hamburgern vermutlich bekannt vor. Hier war Scholz 2011 als Bürgermeister mit dem Ziel angetreten, 6000 Wohnungen pro Jahr (später auf 10.000 erhöht, davon ein Drittel Sozialwohnungen) zu bauen und hatte dafür ein „Bündnis für das Wohnen“ geschmiedet.

Dass dieses Erfolgsmodell nun von der Elbe aus den Rest der Republik erobern soll, nützt Hamburg erst mal nichts. Dass der Bund in dem Zuge auch seine finanzielle Unterstützung für den sozialen Wohnungsbau erhöhen will, dagegen möglicherweise schon. Mit großen Sprüngen rechne man da aber nicht, sagt ein Sozialdemokrat. Wichtiger sei, dass Berlin sich stärker an der im großen Stil nötigen energetischen Sanierung von Gebäuden beteilige.

Helmut Schmidt hat sich nicht um Kommunales gekümmert

Mit solchen Kinkerlitzchen hätte sich der letzte Kanzler aus Hamburg wohl nicht aufgehalten. Ohnehin hat Helmut Schmidt zumindest in seiner Amtszeit von 1974 bis 1982 vergleichsweise wenig Spuren in seiner Heimatstadt hinterlassen. Die Universität der Bundeswehr hatte er schon 1972 als Verteidigungsminister gegründet, seinen Namen trägt sie seit 2003. Und den posthum nach ihm benannten Flughafen hat er zwar gern genutzt, um hochrangige Gäste in seinem Langenhorner Bungalow empfangen zu können – aber in kommunalpolitische Fragen des Ausbaus hätte er sich wohl kaum eingemischt.

Ob der Kanzler Olaf Scholz es anders handhaben wird, bleibt abzuwarten. Und die Frage, was einmal seinen Namen tragen könnte, steht ja ohnehin erst mal nicht an.