Hamburg. Bei dem Projekt in Hamburg reparieren Arbeitslose Spielzeug. Hinter den Kulissen rumort es – nun erheben Mitarbeiter schwere Vorwürfe.
Es ist keine schöne Bescherung: Das seit 15 Jahren in Hamburg etablierte Sozialprojekt „Toys Company“ wird Anfang des kommenden Jahres eingestellt. Die Idee, ebenso simpel wie genial: Langzeitarbeitslose bringen altes Spielzeug wieder in Form. Darüber freuen sich bedürftige, kinderreiche Familien. Unter dem Strich gab es nur Gewinner – und weniger Müll. Betroffen sind feste und freie Mitarbeiter sowie 50 Hamburger, die seit Langem arbeitslos sind und auf dem Markt kaum eine Chance haben.
„Das Projekt in Hamburg wird zum 31. Januar 2022 eingestellt“, bestätigte die Zentrale der Prüfgesellschaft Dekra in Stuttgart. Sachverständige der Organisation, die mit 44.000 Mitarbeitern 3,2 Milliarden Euro Jahresumsatz erzielt, kümmern sich um Sicherheit in Verkehr, Arbeit und zu Hause. Motto: „Alles im grünen Bereich“.
"Toys Company" in Hamburg: Vorwürfe gegen Dekra
Für den Standort in einem Rotklinkerbau an der Straße Am Werder in Harburg gilt das nicht mehr. Das vom Jobcenter geförderte Projekt wurde von der Dekra Akademie gegründet. Nachdem die Außenstelle Norderstedt geschlossen wurde, wird nun der Standort Hamburg eingestellt. Weitere der 30 „Toys Company“-Projekte sollen nicht beendet werden, versichert die Dekra. Kontakte zur Dekra-Leitung in Hamburg wurden vom Konzern ebenso verhindert wie Fotos in den Räumen der Initiative. Der lokale Projektleiter Daniel Fürstenberg durfte sich auf Anfrage nicht äußern.
„Es gibt interne Gründe für die Schließung“, teilte ein Sprecher der Dekra in Stuttgart mit. Mehr wolle man nicht sagen. Tatsächlich rumort es heftig hinter den Kulissen. In einem zweiseitigen Papier erheben Mitarbeiter Vorwürfe gegen die Dekra: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt fühlen wir uns im Stich gelassen, ja gar verraten und belogen.“ Durch die Schließung gebe es „zu viele Verlierer“. Leidtragende seien hauptsächlich Kinder.
Diese profitierten, und das ist unstrittig, seit 15 Jahren von einem Projekt mit Modellcharakter. Tonnenweise Spielzeug, das sonst in den Müll wandert und verschrottet wird, kommt nach Aufbereitung und Reparatur in gute Hände, die es gebrauchen können. Für 42 bis 50 Langzeitarbeitslose überweist das Jobcenter jeweils 700 Euro im Monat. Dadurch können die Miete im 2. Stock Am Werder 1 sowie der Betrieb gedeckt werden.
184 Container voll Spielzeug bisher in Hamburg angeliefert
Projektmitarbeiter haben Buch geführt: Bisher wurden 184 Standardcontainer mit Spielzeug angenommen. Das entspricht etwa 2,47 Millionen Einzelteilen: Fahrräder, Roller, Kinderwagen, Puppenhäuser, Modellautos, Gesellschaftsspiele, aber auch Bücher, CDs, DVDs. Devise vielfach: Aus drei alten entsteht ein neuer Artikel.
Darüber freuen sich Familien mit Kindern unter 14 Jahren, die ihre Bedürftigkeit nachweisen müssen. Es gibt Regeln für Zahl der Besuche und Menge der abgeholten Spielwaren. Parallel erhielten Menschen mit langer Arbeitslosigkeit Gelegenheit, sich an einen strukturierten Alltag zu gewöhnen, sich mit Sinnvollem zu beschäftigen, Wert zu haben. Nicht wenige der Helfer werden als Problemfälle eingestuft. Umso bedeutsamer ist eine Mitarbeiterführung mit Fingerspitzengefühl.
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Genau das ist die Idee der "Toys Company". Diese Modellfirma solle nach den realen Bedingungen eines Wirtschaftsunternehmens operieren – allerdings ohne Gewinnerwartung und bei gleichem Lohn der Mitwirkenden. Aktuell sind 4000 Haushalte und mehr als 600 Vereine oder Sozialstationen als Kunden registriert. Das funktioniert.
Hamburger bestürzt über Aus für "Toys Company"
„Arbeitslose, indes nicht arbeitsscheue Menschen sortieren, säubern, ergänzen und reparieren Spielzeugschätze“, weiß Jürgen Reip aus Othmarschen. Jüngst brachte er Playmobil und andere gut erhaltene Artikel zur Toys Company. „Es geht um Kinderglück, Nachhaltigkeit, Recycling und Befreiung vom Überfluss.“
Das offiziell nicht begründete Aus kann er ebenso wenig verstehen wie Meike Metke. Mit Tochter Lisa arbeitet sie als Tagesmutter in Neugraben. Beide sammelten altes Spielzeug, das sonst weggeschmissen worden wäre, und bringt es zur Company. Im Gegenzug werden erneuerte Einzelteile in die Kindertagesstätte mitgenommen. „Die Schließung ist ganz schlimm und nicht nachvollziehbar“, meint Metke. „Diese Aktion macht so viel Sinn.“ Zudem seien ihr die Mitarbeiter ans Herz gewachsen. In einer Holzwerkstatt, einem Nähraum und der Fahrradstation wird aus „alt“ wieder „gut verwendbar“ gemacht.
Auch die Stadtreinigung bedauert den Stopp des Projekts. Mit seinen Recyclinghöfen und den „Stilbruch“-Filialen fungiert das Unternehmen als Sammelstelle. „Die Wiederaufbereitung kaputter Spielsachen, Einlagerung und Ausgabe mit allem dahinterstehenden Know-how und großem Netzwerk kann nur ein Träger wie die Hamburger Toys Company leisten“, sagt Andree Möller im Namen der Stadtreinigung. Die Spielzeugsammlung habe jährlich viele 1000 Kinder bedacht. Sie sei ein „Paradestück für Abfallvermeidung“.