Harburg. Die Toys Company in Harburg sammelt Spielzeugspenden ein und verteilt die Spielwaren später an bedürftige Familien.
Es gibt Kinder, die glauben, dass die Geschenke unter dem Tannenbaum in einer Wichtelwerkstatt des Weihnachtsmanns am Nordpol hergestellt wurden. So überraschend das jetzt klingen mag: Das stimmt natürlich nicht. Aber wenn man durch die Räume der Toys Company in Harburg streift, hat man den Eindruck, dass ein kleiner wahrer Kern an der Geschichte ist.
Die Toys Company sammelt Spielzeugspenden ein und verteilt die Spielwaren an bedürftige Familien. Nicht alles, was gespendet wird, ist sofort wieder brauchbar. Hier kommen viele fleißige Hände ins Spiel. Zum Beispiel die von André Sievers.
Zugegeben: Wie ein Wichtel wirkt Sievers nicht gerade. Eher wie ganz viele Wichtel über-, neben-, und hintereinander. Er ist eigentlich der Playmobil-Experte seiner Arbeitsgruppe. Jetzt gerade hilft er aber seinen Kollegen, den Lego-Fachleuten.
Irgendwas fehlt bei den meisten Sets
Auf dem Tisch liegt ein Karton mit einem komplizierten Bausatz. Fahrketten, Zahnräder, Rollen, transparente und normale Legosteine liegen sortiert daneben. Zwei Zahnräder fehlen. Sievers geht zum Fundus, einer ganzen Wand voller Sortierkästen und sucht die Teile heraus. Glück gehabt, sie sind vorhanden. „Irgendwas fehlt bei den meisten Sets, die wir bekommen“, sagt Sievers. „Ist ja normal: Damit haben Kinder gespielt.“
Jeder Bausatz, der hereinkommt, wird von den Lego-und Playmobil-Spezialisten auf Vollständigkeit geprüft und bei Bedarf aufgefüllt. Auch Bauanleitungen werden als Nachdrucke aus dem Computer nachgelegt. Was nicht im Set-Karton kommt, wird in den Fundus einsortiert. Chef des Ganzen ist Daniel Fürstenberg. „Projektleiter“ nennt sich seine Funktion, denn die „Toys Company“ ist keine Firma im klassischen Sinne, sondern ein Projekt der DEKRA Academy zur Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen. „Wir haben hier 45 Teilnehmer mit völlig unterschiedlichen Grundqualifikationen“, sagt er, „das ist eine bunte Truppe.“
Teil der Truppe ist auch Ramadan Ajdari, der in der Elektrowerkstatt gerade wieder eine Puppe zum Weinen gebracht hat, indem er ihren Bewegungsschalter reparierte. Jetzt prüft er gerade, warum die Steuersignale der Fernlenkung nicht ihren Weg zum Motor des batteriebetriebenen Flitzers finden, der vor ihm liegt.
Nicht alles, was ankommt, muss repariert werden
„Ich war früher Trockenbauer“, sagt er, „aber vor einigen Jahren hatte ich einen Arbeitsunfall und darf seitdem nicht mehr schwer heben. Das geht auf der Baustelle natürlich nicht. Jetzt lerne ich hier den Umgang mit Elektronik und Elektrowerkzeugen. Ah, da ist der Fehler ja: Der Batteriekontakt ist defekt!“
Nicht alles, was ankommt, muss repariert werden. Einiges kann gleich in die Regale, einiges kann nicht mehr repariert oder weitergegeben werden. Gut 60.000 Artikel bekam die Toys Company im Jahr 2019 an Spenden, 35.000 konnte sie wieder herausgeben. „Alte Kuscheltiere können wir aus hygienischen Gründen nicht weitergeben“, sagt Daniel Fürstenberg, und Bücher, die im Keller Schimmel angesetzt haben, müssen wir auch entsorgen. Aber unser Recyclingfaktor ist hoch.“
So wird in der Metallwerkstatt gerne mal aus zwei oder drei kaputten Fahrrädern ein funktionsfähiges und verkehrssicheres zusammengesetzt oder nebenan in der Holzabteilung der Kugelraupe ein neuer Kopf verpasst. In der Näherei sitzt Susann Reimann und näht eine winzige Polsterdecke zu, die sie gerade mit Polyesterwatte gefüllt hat: „Der Puppenwagen hier war eigentlich nur noch der nackte Korb und das Fahrgestell“, sagt sie. „da mag doch kein Kind mit spielen. Deshalb haben wir ihn neu ausgeschlagen und machen jetzt noch ein passendes Kissen und eine passende Decke dazu fertig.“
Bis zu fünf Spielzeuge kann sich eine Familie pro Besuch in der Toys Company mitnehmen. Im Schnitt kommen 10 Familien pro Tag. Jetzt vor Weihnachten sind es deutlich mehr. Außerdem stattet die Toys Company auch Institutionen aller Art mit Spielwaren aus. Da ist es ganz gut, dass die Spendenflut nie abreißt. Gerade hat zum Beispiel eine große Sammelaktion bei der Firma Beiersdorf stattgefunden, wo die Mitarbeiter säckeweise neues Spielzeug unter den Weihnachtsbäumen der einzelnen Hamburger Beiersdorf-Standorte ablegten.
Und die Hamburger Stadtreinigung sammelte vor Weihnachten auf den Recyclinghöfen. „Da kamen über 800 Kubikmeter zusammen“, sagt Daniel Fürstenberg. „Das ist zwar etwas weniger, als im vergangenen Jahr, aber immer noch gut. Es lief diesmal aber auch schleppend an. Zwischendurch dachten wir, dass wir höchstens 650 Kubikmeter erreichen.“
So groß diese Mengen auch scheinen: Wirklich überquellen sieht man die Lager nicht. „Im Schnitt liegt ein Artikel bei uns 17 Stunden“, sagt Daniel Fürstenberg. „Und das schließt die Ladenhüter mit ein.“
André Sievers und Susann Reimann sind redaktionell geänderte Namen. Sie wollen nicht mit ihrem richtigen Namen genannt werden.