Hamburg. Verkaufsoffener Sonntag fällt mit Lokführerstreik, A7-Vollsperrung und dem ersten von vier Gratis-Tagen im HVV zusammen.

Die Idee war gut: Den ersten von vier Tagen kostenlosen Nahverkehr im HVV mit dem ersten verkaufsoffenen Sonntag in Hamburg zusammenfallen zu lassen, an dem die Kontaktnachverfolgung aufgehoben wurde. Sogar das bislang wenig sommerliche Wetter scheint mitspielen zu wollen, Sonnenschein und Temperaturen von mehr als 20 Grad sind vorhergesagt.

Trotzdem droht Hamburg statt eines die Konjunktur ankurbelnden Shopping-Wochenendes nun ein ausgewachsener Verkehrskollaps: Denn parallel kommt zur geplanten Vollsperrung der A7 nun auch noch der Bahnstreik der Gewerkschaft der Lokführer (GdL).

Verkehr Hamburg: Autobahn AG warnt vor Kollaps: "Gehen Sie zu Fuß!"

"Wir werden ein ziemliches Chaos erleben", warnt entsprechend Christian Hieff, Sprecher des ADAC Hansa. Und ausgerechnet die Autobahn AG und die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) raten: "Gehen Sie zu Fuß, fahren Sie mit dem Rad oder nutzen Sie nach Möglichkeit den ÖPNV!"

Denn am 5. September fällt alles zusammen: Der in der Nacht zu Freitag beginnende fünf Tage lange Ausstand der GdL im Tarifstreit mit der Deutschen Bahn (und im Kräftemessen mit der zweiten Bahn-Gewerkschaft EVG). Die am Freitagabend beginnende und von gutem Wetter abhängende 55-Stunden-Vollsperrung der A7. Der verkaufsoffene Sonntag.

Verkehr in Hamburg: Bahnstreik verhagelt Gratis-HVV-Tag

Und eben der erste von vier Tagen, an denen alle kostenlos im HVV fahren dürfen. Damit gibt der Verkehrsverbund die Mehrwertsteuersenkung aus dem Jahr 2020 an seine Kunden weiter. Das teilte der HVV am Montagnachmittag mit – fast zeitgleich mit der Ankündigung eines weiteren Lokführerstreiks durch die GdL.

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Damit wird die Zahl der kostenlosen HVV-Tage effektiv auf drei verkürzt. Denn auch wenn U-Bahnen, Busse und Fähren sowie die Bahnen der AKN (ebenso wie die die Bahnen von Metronom, Erixx und Enno) nicht von dem Streik betroffen sind, werden Regionalzüge und S-Bahnen nur im sehr eingeschränkten Streikbetrieb verkehren – beim letzten Streik waren zwei von drei S-Bahnen und noch mehr Züge im Nah- und Fernverkehr ausgefallen.

Bahnstreik: Ziel bei der S-Bahn ist "ein stabiler 20-Minuten-Takt"

Die Deutsche Bahn sowie ihre Tochter, die S-Bahn Hamburg, warnen bereits seit Montagnachmittag vor den Auswirkungen des Streiks: Der Regionalverkehr in Schleswig-Holstein und Niedersachsen werde voraussichtlich "stark beeinträchtigt", Fahrgäste werden aufgefordert, geplante Reisen nach Möglichkeit zu verschieben.

Wie schon beim zurückliegenden Drei-Tage-Streik will die DB versuchen, in Hamburg den S-Bahnverkehr im 20-Minuten-Rhythmus aufrecht zu erhalten. Ein Bahnsprecher sagte dem Abendblatt: "Unser Ziel ist es, an allen Streiktagen auf allen Hauptstrecken einen stabilen 20-Minuten-Takt anbieten zu können." Detailliertere Einschätzungen seien voraussichtlich erst Ende der Woche möglich.

Teilstück der U1 am Wochenende ebenfalls gesperrt

Beim zurückliegenden Bahnstreik hatte es zum Teil dichtes Gedränge in S-Bahnen gegeben, vor allem natürlich im Berufsverkehr und in der ohnehin stark ausgelasteten S 3 aus dem Süden der Stadt in Richtung City.

Und selbst bei der nicht vom Streik betroffenen U-Bahn läuft nicht alles nach Fahrplan: Auch wer von Norderstedt mit der U-Bahn in die Hamburger Innenstadt fahren will, muss sich auf Verzögerungen einstellen. Auf der Linie U 1 zwischen Ochsenzoll und Fuhlsbüttel-Nord werden von Freitag bis Sonntag Weichen erneuert. Die Hochbahn setzt Busse statt Bahnen ein.

A7-Sperrung: Auch auf der Umleitungsstrecke drohen Staus

Auch auf den Straßenverkehr wird der Bahnstreik Auswirkungen haben: Denn wer Fahrten nicht verschieben kann oder will, der wird auf das Auto ausweichen – und nicht nur Reiserückkehrern aus Sachsen, Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern begegnen, sondern auch einer von Freitagabend bis Montagfrüh in beiden Richtungen voll gesperrten A7. Die Baufirma hatte schon vor Bekanntwerden des Bahnstreiks davor gewarnt, während dieser Zeit unnötige Fahrten in der Stadt zu unternehmen.

Die Umleitung während der Sperrung soll über die A1, die A21 und die B205 umgeleitet werden: Doch auch auf der A 21 wird gebaut, weswegen die Autobahn südlich von Bad Segeberg nur einspurig je Richtung befahren werden kann. Auf der A 1 im Südosten Hamburgs sind Staus zu erwarten, weil die Sanierung des Abzweigs Veddel andauert. Die Bauarbeiten auf der nur gut drei Kilometer langen A 255 zwischen den Elbbrücken und dem Dreieck Norderelbe führen bei starkem Verkehr ohnehin zu Rückstaus auf der A 1.

A7-Sperrung und Rückreiseverkehr: ADAC warnt vor "echter Katastrophe"

Der ADAC warnt angesichts der zu erwartenden Einschränkungen vor einer "echten Katastrophe", so Hieff: "Jeder Hamburger und jeder Besucher sollte sich genau überlegen, was er sich vornimmt." Auf den Autobahnen und rund um die Innenstadt müsse man mit massiven Staus rechnen. Hieff: "Es sind ja nicht nur die Hamburger unterwegs. Man darf nicht vergessen, dass wir noch immer Rückreiseverkehr haben. In Baden-Württemberg und Bayern enden die Ferien."

Normalerweise, so Hieff weiter, würde der ADAC bei einer Vollsperrung der Autobahn stets empfehlen, auf die Bahn auszuweichen. Doch wegen des Streiks der GDL wird auch die Bahn nur sehr eingeschränkt oder gar nicht fahren.

Bahnstreik: Lufthansa bietet Sonderflüge an, FreeNow wirbt um Neukunden

Wer nicht innerhalb Hamburgs, sondern innerhalb Deutschlands Pläne für den Sonntag hat, dem könnte das Umsteigen auf den Flieger helfen: Die Lufthansa und ihre Tochter Eurowings bieten wegen des Bahnstreiks Sonderflüge an.

Allerdings muss man zumindest in Hamburg immer noch irgendwie zum Flughafen kommen: An einem normalen Tag ginge das mit dem eigenen Pkw oder der S-Bahn. Wie gut diese Varianten am Sonntag funktionieren, bleibt abzuwarten. Der Flughafen warnt jedenfalls wegen der Vollsperrung der A7 und des Bahnstreiks vor einer verlängerten Anfahrt zum Airport und empfiehlt trotz Streiks die S-Bahn.

Optimisten könnten auch auf das Taxi setzen – das Unternehmen FreeNow wirbt mit "fünf mal sieben Euro Startguthaben" für alle Neukunden, die bei der Registrierung den Code "DANKECLAUS" eingeben. Das Guthaben lässt sich auch für die Miete von eScooter und eRoller einsetzen – die dürften am Sonntag besser durchkommen als das Taxi.

Verkaufsoffener Sonntag mit Gratis-HVV und Sommerwetter

Das Citymanagement Hamburg wirbt unter anderem mit einer Ausstellung von Filmfahrzeugen und dem Rahmenprogramm "Hamburg zeigt Kunst" für den zweiten verkaufsoffenen Sonntag in diesem Jahr. Beim ersten Termin Anfang August hatte der Handel ein vorsichtig positives Fazit gezogen – da galten aber noch strengere Corona-Regeln und das Wetter lud auch nur bedingt zum Flanieren ein. Das soll an diesem Wochenende ganz anders werden, die Meteorologen rechnen mit Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen.

Nun aber droht statt Shopping im Sonnenschein Verkehrschaos in der ganzen Stadt: „Was nützt ein verkaufsoffener Sonntag, wenn kaum jemand entspannt kommen kann?“, fragt Brigitte Nolte, Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord. „An einem solchen Tag hängt viel Vorbereitung, auch Geld muss in die Hand genommen werden. Gerade in einem Jahr wie diesem, in dem die Geschäftsleute ohnehin extrem gebeutelt sind, und zu einem Zeitpunkt, zu dem die Corona-Lage weiter angespannt ist, halte ich es für unsensibel, jetzt zum Streik aufzurufen.“

Immerhin hat der HVV noch drei weitere Termine festgelegt, an denen Busse, Bahnen, Regionalzüge und Hafenfähren in den Ringen A-F (also auch jenseits der Hamburger Stadtgrenze) kostenlos benutzt werden dürfen: Bleibt nur zu hoffen, dass die folgenden Sonnabende (11., 18. und 25. September) etwas weniger chaotisch werden.