Hamburg. Yvonne Nische soll zwei Tickets im Wert von 336,80 Euro angenommen haben. Für sie war es eine “repräsentative Aufgabe“.
Für das Konzert der Rolling Stones im Hamburger Stadtpark 2017 haben manche Fans viel Geld ausgegeben. Mitarbeiter des Bezirksamtes kamen dagegen in den Genuss von Freikarten. Die Dezernatsleiterin „fühlte sich verpflichtet“, die Karten anzunehmen. Fast vier Jahre nach dem Konzert und der damit zusammenhängenden Freikartenaffäre hat das zweite Gerichtsverfahren begonnen.
Die angeklagte Dezernatsleiterin des Bezirksamts Nord, Yvonne Nische, wies zu Beginn der Verhandlung am Freitag vor dem Amtsgericht alle Vorwürfe zurück. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich um eine repräsentative Aufgabe handelte – auch die Vorgehensweise schien ihr vollkommen korrekt, da die Karten von ihrem Chef, dem damaligen Bezirksamtsleiter Harald Rösler (SPD), gekommen seien.
Stones-Freikarten-Affäre: Anklage gegen Yvonne Nische lautet auf Vorteilsnahme
Der 56-Jährigen wird vorgeworfen, zwei Tribünenfreikarten im Wert von 336,80 Euro angenommen zu haben. Die Anklage lautet auf Vorteilsnahme. Die beiden Tickets gehörten zu einem Kontingent von 100 Freikarten, die Rösler vom Konzertveranstalter verlangt haben soll.
Außerdem wird ihr vorgeworfen, „die nicht genehmigungsfähige Inanspruchnahme weiterer Freikarten durch vier Bezirksamtsmitarbeiter als deren Dienstvorgesetzte geduldet zu haben“ - also Verleiten eines Untergebenen zu einer Straftat. In einem ersten Verfahren Ende 2019 war bereits eine ehemalige Staatsrätin zu einer Geldstrafe in Höhe von 20.400 Euro verurteilt worden.
Nische: „Ich fühlte mich verpflichtet, die Karten anzunehmen“
Die Angeklagte betonte, dass sie sich zuvor persönlich um Kaufkarten bemüht hatte, da sie privat mit einem Bekannten auf das Konzert gehen wollte. Die Stehkarten hätten jeweils 290 Euro gekostet. Mitte Mai habe sie dann eine E-Mail von ihrem Chef erhalten, wonach sie zwei von 100 Freikarten bekommen könne.
„Ich fühlte mich verpflichtet, die Karten anzunehmen“, sagte die 56-Jährige, da sie das Bezirksamt repräsentieren sollte. Außerdem sei sie für den Katastrophenschutz zuständig und da sei es sinnvoll, wenn sie vor Ort sei, sollte etwas passieren. Ein Jurist des Bezirksamtes habe den Vorgang kontrolliert, daher habe sie gedacht, alles sei in Ordnung.
Coronabedingte Verzögerungen
Leider habe in der Mail jedoch eine dezidierte Formulierung für die Mitarbeiter gefehlt. „Ich bedauere wirklich zutiefst, durch einen Irrtum Teil eines Vorgangs zu sein, der dem Ansehen von der Verwaltung in der Öffentlichkeit geschadet hat“, sagte die Dezernatsleiterin. Auch die anderen Mitarbeiter hätten aus Repräsentationsgründen an dem Konzert teilnehmen sollen, das sei bei Veranstaltungen oft üblich.
Wann gegen Rösler und drei weitere Mitangeklagte, die den Kartendeal ausgemacht haben sollen, verhandelt wird, steht noch nicht fest. Das liege an coronabedingten Verzögerungen, vor allem aber an Verfahren, die Vorrang haben, weil dort die Beschuldigten in Untersuchungshaft sind, sagte ein Gerichtssprecher.
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Rösler und die drei Mitangeklagten waren am Freitag als Zeugen geladen. Sie machten jedoch von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch und erschienen nicht. Rund 82 000 Fans hatten das Konzert der legendären Rockband besucht. Die Tickets kosteten zwischen 100 und knapp 900 Euro. Der Prozess wird am 13. August fortgesetzt.