Hamburg. Noch kein Termin für Prozess gegen Ex-Bezirkschef. CDU fordert Konsequenzen aus dem Korruptionsfall.
Es ist wohl Geschmacksache, ob es nun eines des besten Konzerte des Jahrzehnts in Hamburg gewesen ist, wie manche Besucher behaupten. Eines ist aber klar: Kein Auftritt hat so lange nachgehallt wie der der Rolling Stones im Stadtpark im September 2017. Bis heute beschäftigen sich Justiz und Politik in Hamburg mit den Folgen – denn bekanntlich sind Teile der Karten auf unrechtmäßige Weise an politische Amts- und Mandatsträger verteilt worden. Ein Ende der Aufarbeitung ist nicht absehbar: Noch immer laufen zehn Straf-, ein Ermittlungs- und 15 Disziplinarverfahren wegen der unrechtmäßigen Vergabe oder Annahme von Gratis- und Vorzugskarten für das Konzert. Das geht aus einer Antwort des Senates auf eine Kleine Anfrage des CDU-Verfassungspolitikers André Trepoll hervor.
Hinzukommt: Bis heute gibt es laut Landgericht keinen Termin für die Gerichtsverhandlung gegen den möglichen Urheber der Stones-Affäre, den früheren Leiter des Bezirksamtes Hamburg-Nord, Harald Rösler. Im März 2020 hatte die Staatsanwaltschaft Anklage gegen den SPD-Mann erhoben, der 300 reservierte Kauf- und 100 Freikarten vom Veranstalter verlangt haben und diesem den Stadtpark für nur 205.000 statt der mindestens zu erhebenden etwa 600.0000 Euro überlassen haben soll. Rösler wird Vorteilsgewährung in 39 Fällen und Bestechung in vier Fällen vorgeworfen, davon in 40 Fällen in Tateinheit mit Verleiten eines Untergebenen zu einer Straftat sowie Untreue im besonders schweren Fall. Offenbar hatten Beteiligte zuletzt Fristverlängerungen für Stellungnahmen erbeten, sodass der Prozess gegen Rösler noch nicht terminiert werden konnte.
Neue Stelle zur Vorbeugung gegen Korruption im Bezirksamt Mitte
Viele Bezirksmitarbeiter, Amtsträger und Abgeordnete, die Stones-Karten angenommen hatten, haben dafür teuer bezahlt – mit Ermittlungsverfahren, Strafzahlungen oder dem Verlust ihres Amtes, so etwa Ex-Staatsrätin Elke Badde (SPD), die in einem (noch nicht rechtskräftigen Urteil) zu einer Geldstrafe von 20.400 Euro verurteilt wurde. Insgesamt hat es bei der Staatsanwaltschaft bislang Ermittlungen gegen 56 Personen unter anderem wegen Vorteilsannahme, Vorteilsgewährung und Bestechlichkeit gegeben. Hinzukommen 16 mittlerweile allesamt eingestellte Verfahren wegen Abgeordnetenbestechung.
Als eine politische Konsequenz der Stones-Affäre wurde am 1. Juni 2020 probeweise im Bezirksamt Mitte eine Stelle zur Vorbeugung gegen Korruption eingerichtet. Diese arbeitet laut der Senatsantwort „nicht nur bei der Aufklärung von bekannt gewordenen Sachverhalten“ mit, sondern dient „auch als Ansprechpartnerin für Beschäftigte mit Hinweisen und Fragen“. Das Pilotprojekt ist zunächst bis Ende 2022 angelegt.
Behindert Corona die Aufarbeitung?
In einem anderen Punkt allerdings lassen die Konsequenzen auch mehr als drei Jahre nach dem Konzert noch auf sich warten. Die Ende 2019 beschlossene Überarbeitung der Regularien für die Vergabe von öffentlichen Flächen für Sondernutzungen ist noch nicht weit gediehen, denn die im Februar dafür beschlossene Arbeitsgruppe konnte bisher noch nicht tagen. Laut Senat sind die beteiligten Bezirke und Behörden derzeit „vielfältig mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie beschäftigt“.
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Für CDU-Verfassungspolitiker Trepoll ist das „mehr als unbefriedigend“. Die Corona-Pandemie könne „nun wirklich nicht für alles als bequeme Ausrede herhalten“, so Trepoll. „Ich erwarte jetzt endlich vom rot-grünen Senat konkrete Ergebnisse, denn es darf nicht der Eindruck zurückbleiben, dass die Stadt aus der Freikartenaffäre nichts gelernt hat. Korruption, Bestechung und Vorteilsnahme rund um die Genehmigung und Durchführung einer Veranstaltung darf es in unserer Stadt nicht wieder geben.“