Hamburg. Aus Geldnot holte Dr. F. über einen Strohmann den Apotheker Z. in seine Groß-Praxis. Im NDR hatte er Betrüger selbst angeprangert.

Einer der langwierigsten Hamburger Prozesse um Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen ist jetzt mit erneuten Schuldsprüchen zu Ende gegangen. Nur die Strafen für die drei Angeklagten haben sich leicht verschoben. Außerdem hat das Landgericht die Summe, die von einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) eingezogen wird, von 1,4 Millionen Euro auf 125.000 Euro gesenkt. Grund dafür war nach Angaben von Gerichtssprecher Kai Wantzen, dass die Leistungen ja erbracht worden seien, auch wenn dieses MVZ wegen seiner Eigentümer mit der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen nicht abrechnen durfte.

Das erste Urteil aus dem Jahr 2019 gegen einen Apotheker und zwei Ärzte wurde vom Bundesgerichtshof geprüft, in Teilen kritisiert und an das Landgericht zurückverwiesen.

Auch im neuen Verfahren wurde festgestellt, dass das MVZ, das auf die Behandlung von Krebspatienten spezialisiert ist, ein illegales Konstrukt war.

Abrechnungsbetrug: Hamburger Apotheker und zwei Ärzte verurteilt

Anteilseigner Dr. F. (59) war in finanziellen Schwierigkeiten, suchte neue Geldgeber und fand den Arzt D. (62). Doch der war nur ein Strohmann für den Apotheker Z. (65). Dass ein Apotheker Einfluss auf ein MVZ oder eine Arztpraxis erhält, ist verboten. Denn es bestünde ja die Möglichkeit, dass die angestellten Ärzte vor allem bei ihm die hochpreisigen Krebsmedikamente bestellen. Das Gericht sprach wie im ersten Verfahren von banden- und gewerbsmäßigem Betrug.

Die Angeklagten, die „Bande“, so zeigte sich in der Neuauflage, sind sich untereinander nicht mehr grün. Da ist der über Hamburg und das Umland hinaus bekannte Arzt Dr. F. (59), der sich schon für politische Ämter bewarb. Er bekam zunächst sechs, jetzt sieben Monate auf Bewährung aufgebrummt. Drei Fälle von banden- und gewerbsmäßigem Betrug wurden ihm nachgewiesen. In zehn Fällen hat er Beihilfe geleistet.

MVZ-Anteile über Strohmann gehalten

Dr. F. war nach eigenen Angaben hauptverantwortlich für das MVZ als Geschäftsführer und Ärztlicher Leiter. Wegen finanzieller Engpässe holte er den Arzt D. (62) ins Boot. Doch der war nur auf dem Papier Anteilseigner, denn hinter ihm steckte der wahre Finanzier: Apotheker Z. (65). Strohmann D. wurde jetzt wie in der ersten Instanz zu zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Z. erhielt nun drei Jahre und drei Monate, drei Monate weniger als zuerst. Ihm wurden zehn Fälle banden- und gewerbsmäßigen Betrugs nachgewiesen, neunmal Betrug, dazu Fälle „in Tateinheit“.

Dieses Trio zeigte in dem neu aufgelegten Prozess einen Hang zum pathetischen Gerichts-Drama. Dr. F. stellte sich erneut als Aufklärer dar. „Ich möchte für mich persönlich feststellen, dass die Verurteilung im Rahmen einer Bandentätigkeit nicht zu akzeptieren war.“ Er habe den „Tatbestand“ – die illegale Beteiligung über einen Strohmann – „umgehend in der Gesellschafterversammlung dargestellt“. Apotheker Z. habe mehr und mehr das Ruder im MVZ übernommen. F. verglich das Betriebsklima mit Terror. Die Ärzte seien in Schockstarre vor Z. gewesen.

Asklepios: "Für uns arbeitet Dr. F. nicht"

F. habe die angestellten MVZ-Ärzte aufgefordert, Anteile zu übernehmen – um den Einfluss von Z. zu mindern. Der Onkologe sagte, er habe seinen „langjährigen Partner Asklepios“ gebeten, in das MVZ einzusteigen. Im ersten Prozess hatte F. sein Einkommen öffentlich gemacht und auf ein monatliches Gehalt von Asklepios verwiesen. Asklepios erklärte dem Abendblatt zu Dr. F. „Für uns arbeitet er nicht.“

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F. sagte, er habe keine andere Wahl gehabt, als seine eigene Gesellschaft, an der er 49 Prozent hielt, zu verlassen. Den Krankenkassen und der Staatsanwaltschaft habe er sich als Zeuge angeboten. In der Vergangenheit war Dr. F. bereits in die Öffentlichkeit gedrängt, um die angeblichen Machenschaften einer „Krebs-Mafia“ anzuprangern, unter anderem in einem Fernsehbeitrag des NDR. Er wirkte an einem verdeckten Filmdreh mit. Dass er selber in dem von ihm kritisierten Betrugsfeld straffällig würde – hätte man das ahnen können?

Apotheker Z. sorgt für Kuriosum im Prozess

Bei der Kassenärztlichen Vereinigung heißt es, sein Name sei „mehrfach aufgefallen“. Details werden nicht genannt. Privat streitet sich der Onkologe mit einem Miteigentümer seit geraumer Zeit um Kosten für eine Immobilie. Es geht um einen Dachschaden. Für F.s Miteigentumsanteile sind im Grundbuch mittlerweile für Summen über mehrere Hunderttausend Euro ein großes Versicherungsunternehmen und eine Consulting-Firma eingetragen, die nach eigener Darstellung unter anderem Pharmaunternehmen berät. Auch ein Apotheker ist dort zu finden.

Auch Apotheker Z. sorgte im neuen Verfahren für Kurioses. Er verkrachte sich kurzzeitig mit seinem Verteidiger Johann Schwenn. Z. wollte auf eine Frage des Richters antworten, während Schwenn dem Richter beschied, sein Mandant werde nichts zur Frage sagen. Er wolle doch, sagte Z. stur. Aufgeregt ging es zwischen den beiden Alpha-Männern hin und her, bis der Richter in auffassungsfrischer Weisheit eine Pause fpr die Anti-Corona-Lüftungsmaßnahme verordnete. Nur Strohmann D. hatte am Ende wenig zu sagen.