Hamburg. Yvonne Nische soll zwei Tickets im Wert von 336,80 Euro angenommen und das Konzert im Stadtpark mit einem Begleiter besucht haben.

Die Mühlen der Justiz mahlen langsam, aber sie mahlen. In der Affäre um die Freikarten für das Rolling-Stones-Konzert im Stadtpark im September 2017 steht der nächste Prozess an. Nachdem die ehemalige Staatsrätin Elke Badde Ende 2019 vom Amtsgericht Mitte wegen der Vorteilsannahme und der Verleitung von Untergebenen zu einer Straftat zu einer Geldstrafe in Höhe von 20.400 Euro verurteilt wurde, muss sich ab kommenden Montag, 6. August, Yvonne Nische vor Gericht verantworten.

Ex-Bezirksamtschefin soll zwei Freikarten angenommen haben

Gegen die ehemalige designierte Leiterin des Bezirksamts Hamburg-Nord, die wegen der Freikarten-Affäre zurückgetreten war, wird der gleiche Vorwurf erhoben. Sie soll zwei Tribünenfreikarten für das Konzert erhalten haben – im Wert von 336,80 Euro. Das Konzert soll sie mit einem Begleiter privat besucht haben.

"Zudem soll sie die Überlassung weiterer Freikarten an vier Bezirksamtsmitarbeiter als deren Dienstvorgesetzte geduldet haben", heißt es vonseiten des Hanseatisches Oberlandesgerichts. Ihr sei – so die Anklage – jeweils bewusst gewesen, dass die Überlassung der Karten beamtenrechtlich nicht genehmigungsfähig gewesen sei. Zur Hauptverhandlung wurden vier Termine im August angesetzt.

Stones-Affäre in Hamburg: Kein Termin für Verhandlung gegen Rösler

Nische ist damit die Nummer zwei unter den Angeklagten, denen der Prozess gemacht wird. Für die Gerichtsverhandlung gegen den ehemaligen Bezirksamtsleiter Harald Rösler, der als möglicher Urheber der Stones-Affäre gilt, gibt es nach Angaben des Landgerichts weiterhin keinen Termin.

Die Rolling Stones rockten den Hamburger Stadtpark. Die Bühne stand auf der Festwiese.
Die Rolling Stones rockten den Hamburger Stadtpark. Die Bühne stand auf der Festwiese. © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Dabei hatte die Staatsanwaltschaft bereits im März 2020 Anklage gegen den SPD-Mann erhoben, der 300 reservierte Kauf- und 100 Freikarten vom Veranstalter verlangt und diesem den Stadtpark für nur 205.000 statt der mindestens zu erhebenden etwa 600.0000 Euro überlassen haben soll.

Stones-Affäre: Bezirksamtsleiter wird Bestechung vorgeworfen

Rösler, der seit 2018 im alters­bedingten Ruhestand ist, wird Vorteilsgewährung in 39 Fällen und Bestechung in vier Fällen vorgeworfen, davon in 40 Fällen in Tateinheit mit Verleiten eines Untergebenen zu einer Straftat sowie Untreue im besonders schweren Fall. Mit ihm werden drei weitere Beteiligte angeklagt, denen die Staatsanwaltschaft vorwirft, den Ticket-Deal eingefädelt zu haben: neben dem Chef des Konzertveranstalters FSK Skorpio, Folkert Koopmanns, jeweils ein Mitarbeiter des Veranstalters und des Bezirksamts.

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Dass im Falle der Angeklagten um den Hauptbeschuldigten noch kein Prozess terminiert wurde, liege vor allem an der hohen Belastung des Landgerichts durch sogenannte Haftsachen, die Vorrang haben, weil sich die Angeklagten in Untersuchungshaft befinden, sagt Gerichtssprecher Kai Wantzen. Außerdem habe es coronabedingte Verzögerungen gegeben. „Dass in umfangreichen Verfahren nach der Anklageerhebung 15 Monate vergehen, ist leider momentan keine Besonderheit.“

Komplexe Anklage der Staatsanwaltschaft

Auch andere Prozesse im Zusammenhang mit der Freikarten-Affäre hätten coronabedingt verschoben werden müssen. Wantzen betonte, dass das Gericht im Falle Röslers und der drei Mitangeklagten zudem noch keine Entscheidung über die Zulassung der Anklage getroffen habe. „Es ist ein sehr komplexes Verfahren mit einer Fülle an Unterlagen, die aufbereitet werden müssen.“

In dem Verfahren um die vier Hauptbeschuldigten habe die Staatsanwaltschaft wegen fast 50 Straftaten eine komplexe Anklage erhoben, bestätigt Sprecherin Liddy Oechtering. Da es sich um „eine Sache von besonderer Bedeutung“ handele, die sich deutlich aus der Masse durchschnittlicher Verfahren heraushebe und sich unter anderem gegen „zwei hochrangige Amtsträger wegen gravierender Rechtsverletzungen“ richte, sei eine sorgfältige Prüfung auch aufseiten des Gerichts selbstverständlich.

Auch ein Disziplinarverfahren droht

Und was droht Rösler und Co.? Das Gesetz sieht für Bestechlichkeit die Verhängung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vor. Da die Staatsanwaltschaft Anklage unter anderem auch wegen Vorteilsgewährung und Bestechung erhoben hat, dürfte im Falle einer Verurteilung eine Gesamtstrafe gebildet werden. Aus strafprozessualer Sicht dürfte die lange Verfahrensdauer bei der späteren strafrechtlichen Bewertung stark mildernd für die Angeklagten ausgelegt werden.

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Doch neben dem strafrechtlichen Verfahren droht Beamten auch ein sich anschließendes vom Dienstherrn eingeleitetes Disziplinarverfahren. Denn durch ihre Stellung im Staat haben Beamte zwar besondere Rechte, aber eben auch mehr Pflichten – besonders, wenn es um die Einhaltung geltenden Rechts geht. So droht ihnen beim Begehen einer Straftat die Kürzung oder sogar der Verlust des Ruhegehalts.

Harald Rösler leitete das Bezirksamt Hamburg-Nord.
Harald Rösler leitete das Bezirksamt Hamburg-Nord. © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Insgesamt hat es bei der Staatsanwaltschaft bislang Ermittlungen gegen 56 Personen unter anderem wegen Vorteilsannahme, Vorteilsgewährung und Bestechlichkeit gegeben. Hinzukommen 16 mittlerweile allesamt eingestellte Verfahren wegen Abgeordnetenbestechung.

Zwei Vorfälle wecken Erinnerung an Stones-Affäre

Die Erinnerung an die Freikarten-Affäre war jüngst durch zwei Vorfälle neu geweckt worden. Zum einen hatte die Stadt ein Benefizkonzert, das Jan Delay im Impfzentrum geben wollte, offenbar wegen Compliance-Bedenken abgesagt. Außerdem hat das Bezirksamt Hamburg-Nord die Schanklizenz der Sporthalle Hamburg um fünf Jahre verlängert. Begünstigter ist die Firma FKP Eventservice, deren Geschäftsführer Koopmanns mit Rösler zusammen angeklagt ist.

Bereits im Zuge der Stones-Affäre war bekannt geworden, dass es für das Bezirksamt Freikarten-Kontingente in der auch für Konzerte genutzten Sporthalle gegeben hatte. Ob das rechtmäßig war, zum Beispiel für Kontrollaufgaben, ist nicht abschließend entschieden. Aber im Bezirksamt und unter allen politisch Beteiligten war man sich einig: Solche Absprachen darf es nicht mehr geben. Dass das Bezirksamt Wettbewerber von FKP abblitzen ließ, war nicht nur bei Mitbewerbern, sondern auch bei der CDU-Fraktion auf Kritik gestoßen.