Hamburg. Dirk Albrecht soll Arbeit des Betriebsrates systematisch behindert und vertrauliche Post geöffnet haben. Der Tierparkchef wehrt sich.
Dass der Frieden schon wieder passé ist, erfuhren die Mitarbeiter des Tierparks Hagenbeck am Schwarzen Brett. „Euer Betriebsrat informiert“, stand Mitte dieser Woche auf dem Aushang in den Mitarbeiterräumen, und ein Stück darunter in fetter Schrift: „Strafanzeige gegen Geschäftsführung“.
Die Vertreter der Belegschaft gehen eine weitere Eskalation im Konflikt mit Tierparkchef Dirk Albrecht ein. Der Vorwurf: Er soll systematisch die Arbeit des Betriebsrates behindert und auch das Postgeheimnis verletzt haben – beides ist strafbar.
Hat Hagenbeck-Chef Albrecht vertrauliche Post geöffnet?
Albrecht habe den Betriebsräten keine Wahl mehr gelassen, sagt Dirk Johne, Regionalleiter der zuständigen Gewerkschaft. Zwar war ein monatelanger Streit um die Kündigung des Betriebsratschefs Thomas Günther erst Ende Februar beigelegt worden, der langjährige Giraffenpfleger darf bleiben.
Erneut und in mindestens zwei Fällen sei nun aber vertrauliche Post an den Betriebsrat vor der Zustellung geöffnet worden. Nach Abendblatt-Informationen spricht der Betriebsrat intern von konkreten Hinweisen darauf, dass Albrecht dies persönlich getan haben könnte. In dem Strafantrag geht es nun aber auch um das Vorgehen des Geschäftsführers bei vorigen Streitthemen.
Albrecht nennt Vorgehen des Betriebsrats "bedauerlich"
Dirk Albrecht antwortete auf die Anschuldigungen am Donnerstag mit einem eigenen Aushang: Darin nennt er das Vorgehen der Betriebsräte „bedauerlich“. Aus seinem Umfeld ist zu hören, er sei überrascht und enttäuscht darüber, dass der Betriebsrat vor der Strafanzeige ihn nicht direkt mit den Vorwürfen konfrontiert habe. Die Anschuldigungen würden sich „nach meiner festen Überzeugung als haltlos erweisen“, schrieb er direkt in Richtung des Gremiums.
Einmal mehr scheint ein Kitt des Risses hinter den Kulissen in sehr weiter Ferne. Auch die beiden ebenfalls verfeindeten Stämme der Eigentümerfamilie Hagenbeck geraten angesichts des Konfliktes zunehmend unter Druck.
In der Belegschaft ist seit langem von einem „vergifteten Klima“ die Rede. Eine Mitarbeiterin sagte am Freitag: „Es ist alles nur noch furchtbar. Es kann wohl keinen Frieden mit diesem Chef geben.“ Bereits seit Monaten setzen Gewerkschaft und der Betriebsrat in dem Konflikt auch auf öffentlichen Druck. Am Freitag hatte zuerst die „Mopo“ über die Strafanzeige berichtet.
Hagenbeck-Chef habe sich "offenes Gespräch gewünscht"
Der Geschäftsführer selbst sieht sich dagegen als Opfer einer Verleumdungskampagne – und glaubt weiterhin auch einen Teil der Belegschaft hinter sich. Auf Anfrage des Abendblatts sagte Albrecht, selbstverständlich müsse der Betriebsrat seiner Arbeit nachgehen dürfen und kritische Punkte ansprechen.
„Ich hätte mir daher gewünscht, dass das offene Gespräch gesucht wird, um im allseitigen Interesse Lösungen zu finden. Mit der Stellung einer – offensichtlich taktisch motivierten – Strafanzeige hat der Betriebsrat jedoch aus Sicht des Tierparks leider den Rahmen der gebotenen vertrauensvollen Zusammenarbeit verlassen und den Betriebsfrieden gefährdet.“ Zu den neuen Vorwürfen könne er nichts sagen, „da mir diese nicht konkret bekannt sind“. Bereits zuletzt hatte Albrecht davon gesprochen, dass Vorfälle böswillig verdreht worden seien, um seinem Ansehen zu schaden.
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Der offene Streit zwischen Albrecht und Betriebsrat war im Dezember ausgebrochen, als sich beide Seite nicht über eine Kurzarbeiterregelung einigen konnten und Albrecht daraufhin die Kündigung von insgesamt elf Mitarbeitern aussprach, darunter der Betriebsratschef Thomas Günther.
„Schutz der Tiere und Mitarbeiter hat oberste Priorität“
Nach Lesart der Arbeitnehmervertreter hat Albrecht damals bereits die Arbeit des Betriebsrates behindert, indem er bei einer Begehung die Polizei rief, den Betriebsräten bestimmte Räumlichkeiten sowie externe Gäste verboten und die Schuld an den Kündigungen gegenüber Mitarbeitern dem Betriebsrat zugeschoben habe. Auch im vergangenen Jahr soll bereits in mindestens einem Fall ein Brief an das Gremium geöffnet worden sein. Einen eigenen Briefkasten habe Albrecht dem Gremium untersagt.
Dass er selbst die Post des Betriebsrates geöffnet haben könnte, bezeichnete Albrecht intern bereits als absurde Vorstellung. Er ist zudem keinesfalls bereit, im Konflikt mit den Betriebsräten nachzugeben. Als neben den zehn weiteren Mitarbeitern auch die Kündigung von Thomas Günther zurückgenommen wurde, betonte er, dass dies keinesfalls ein Erfolg der Mitarbeitervertreter sei. Vielmehr habe Günther eingesehen, dass er nicht noch einmal eine Begehung vor Ort mit externen Beratern in de Corona-Pandemie ansetzen könne. „Der Schutz der Tiere und Mitarbeiter hat oberste Priorität“, so Albrecht intern.
Auch Streit um geplante Tierpark-Öffnung im März
Albrecht hatte sein Amt erst vor knapp einem Jahr angetreten. Er ist ein langjähriger Vertrauter des Tierpark-Patriarchen Claus Hagenbeck – wird jedoch auch von dessen angeheirateten Neffen Joachim Weinlig-Hagenbeck bislang gestützt, obwohl die Familienstämme seit zehn Jahren zerstritten sind.
Weinlig-Hagenbeck sieht in Albrecht den richtigen Mann, um den Sanierungsstau im Tierpark aufzulösen. Wie das Abendblatt enthüllt hatte, sind viele Anlagen baufällig und Investitionen von mehr als 40 Millionen Euro nötig. Zuletzt war eine Machbarkeitsstudie für ein neues Giraffengehege in Auftrag gegeben worden. Albrechts Gegner weisen aber daraufhin, dass sich substanziell nicht viel geändert habe. „Dabei wäre ein Lockdown die perfekte Zeit für Baumaßnahmen, die niemanden stören.“
Das Dossier: Hagenbeck – der zerrissene Hamburger Tierpark
Am 26. März soll der Tierpark nach den Plänen der Geschäftsführung wieder öffnen – auch um diesen Zeitpunkt gibt es jedoch Streit, denn bereits ab dem vergangenen Montag wäre eine Öffnung möglich gewesen. „Man ist offenbar erstaunlich unvorbereitet“, sagt der Gewerkschafter Dirk Johne. Die Geschäftsführung begründete die Verzögerung dagegen mit der unklaren Lage und den nötigen Hygienemaßnahmen. Gerade in der „Aufbruchstimmung“ komme das Vorgehen des Betriebsrates aber zur Unzeit. Umstritten ist intern auch, ob nach der Wiedereröffnung eine Maskenpflicht für Besucher gelten muss.