Hamburg. “Ich war zuerst tief verletzt und hätte nie geglaubt, dass so ein beschämender Umgang mit einer jungen Mutter beim NDR möglich ist.“

Anke Harnack und der Michel – das war vor zwölf Jahren quasi Liebe auf den ersten Blick. Die Journalistin war gerade aus Schwerin nach Hamburg gezogen und besuchte nach einem Stadtrundgang einen Gottesdienst im Wahrzeichen der Stadt. „Eine alte Dame sagte zu mir: ‚Wenn der liebe Gott irgendwo wohnt, dann doch wohl hier.‘ Ab da war ich der Kirche verbunden“, sagt die ehemalige NDR-Moderatorin.

Inzwischen ist die 41-Jährige sogar Vorstandsmitglied bei der Stiftung St. Michaelis und eng befreundet mit Julia Atze, Gemeindepastorin an der Hauptkirche. Die langen Gespräche mit der Seelsorgerin haben Harnack überzeugt, „dass der Glaube zu meinem Leben intensiver dazugehören sollte“. So hat sie sich erst vor knapp sechs Jahren von Julia Atze im Michel taufen lassen.

In ihrer behüteten Kindheit hat der Glaube keine Rolle gespielt. Anke Har­nack wurde 1979 in Bergen auf Rügen geboren. Die Mutter arbeitete als Buchhalterin, der Vater als Bauingenieur. Sie hatten sich gut mit der DDR arrangiert, Westdeutschland schien weit weg. „Wir hatten auf Rügen kein Westfernsehen, das habe ich zum ersten Mal im Sommer 1989 in Berlin gesehen und auch erst dort von den Protesten gegen das DDR-Regime erfahren.“ Wenige Monate später geriet ihre Welt und vor allem die ihrer Eltern aus den Fugen – da war Anke Harnack zehn Jahre alt.

Anke Harnack – was wenige über sie wissen

Plötzlich war der Familienalltag von Zukunftsangst geprägt. „Meine Eltern wurden immer wieder arbeitslos, auf einmal wurden sie nicht mehr gebraucht. Wir hatten ab da nur sehr wenig Geld. Aber das ging allen in meinem Umfeld so, viele strauchelten“, sagt Harnack ohne Bitterkeit. Denn für sie brachte die Wende viel Positives mit sich. Sie durfte Abitur machen – als Akademikerkind war das zu DDR-Zeiten keine Selbstverständlichkeit. Sie war sehr neugierig auf das, was kommen würde. Der Tod ihrer Oma, die 1990 an Brustkrebs starb, brachte sie erstmals Gott näher. „Meiner Oma hat der Glaube geholfen, den Schmerz zu ertragen und den Tod anzunehmen. Ich wollte auch diesen Halt spüren und habe immer wieder das Gespräch mit Pastoren gesucht.“

Anke Harnack im Michel
Anke Harnack im Michel © Andreas Laible / Funke Foto Services

Mit zwölf Jahren beschloss sie, sich für ein Auslandsjahr in Amerika zu bewerben. „Meine Eltern fanden das gut, aber konnten mir finanziell nur ein Taschengeld zusichern.“ Also schrubbte sie Toiletten, sparte das Geld von der Jugendweihe, erhielt ein Leistungsstipendium und hatte mit 16 Jahren die 10.000 D-Mark für das Jahr an einer US-Highschool zusammen.

Lesen Sie auch

1995 flog sie das erste Mal in ihrem Leben, es ging nach Kalifornien. „Das war für mich das Paradies auf Erden“, erinnert sie sich. Ihre Begeisterung ist gepaart mit großer Freude für diese Chance. „Ich bin eine große Gewinnerin der Wende und den Menschen tief dankbar, die damals für die Freiheit auf die Straße gegangen sind“, sagt Harnack.

Ihre spritzige, etwas freche Art gefiel den Verantwortlichen des NDR

Weil ihre Eltern kein Geld für das Studium aufbringen konnten, machte Har­nack nach dem Abitur ein Volontariat beim privaten Rundfunksender Antenne MV. Mit 21 Jahren wechselte sie zum NDR nach Schwerin. Ihre spritzige, etwas freche Art gefiel den Verantwortlichen. Schnell avancierte sie zur Moderatorin, hatte eine eigene Sendung, machte Reportagen. Sie verdiente genug, um nebenbei noch in Wismar Wirtschaftsrecht zu studieren. „Ich wollte ein Backup, das kommt mir jetzt auch zugute.“

2008 wechselte Harnack zum NDR nach Hamburg. „Meine Geschichten im Osten waren irgendwie auserzählt“, sagt sie. Wie zuvor auch moderierte sie sowohl im Radio – die Morgensendung bei NDR 90,3 – als auch im Fernsehen. Zunächst „Mein Nachmittag“, dann das „Hamburg Journal“ um 18 Uhr. Bei diesem Format besuchte sie als Live-Moderatorin Schauplätze in der Stadt, lernte dabei viele spätere Freunde kennen. Wie Pastorin Atze oder Theatermacher Corny Littmann, der Namensgeber ihres 2017 geborenen Sohnes Cornelius wurde. „Und auch nur deswegen zur Taufe meines Sohnes in den Michel kam“, erzählt sie lachend.

Die Figur – was Anke Harnack sich anhören musste

Wer so in der Öffentlichkeit steht, muss auch gegen Angriffe gewappnet sein. „Die meisten Menschen mochten meine offene, authentische Art.“ Aber sie musste auch gemeine Kommentare wegen ihrer Figur aushalten. „Es gab Briefe, wie man denn so etwas Fettes wie mich vor die Kamera lassen könnte.“ Doch Dicksein gehöre zu ihr, sagt sie, auch wenn ihr immer bewusst gewesen sei, dass dadurch bestimmte Fernsehformate nie für sie infrage kamen. „Einmal habe ich Barbara Schöneberger bei der ,NDR-Talkshow‘ vertreten, da war davor schon tagelang Thema im Team, was ich anziehen sollte, um schlanker zu wirken.“ Gleichzeitig erhielt sie Briefe von Frauen, die ihren Stil bewunderten.

Es waren gute, erfolgreiche Jahre, und als sie dann noch 2016 ihren Mann Tim, einen Unternehmensberater, kennenlernte, ihn nach nur drei Monaten heiratete und ein Jahr später ihr Sohn auf die Welt kam, schien das Glück vollkommen. Nach knapp zehn Monaten Babypause wurde sie vom NDR gebeten, frühzeitig im September 2018 zurückzukommen. „Doch dann wurde ich immer weniger eingesetzt. Ich weiß bis heute nicht, warum, aber ich habe gemerkt, dass ich unglücklich wurde. Ich war zuerst tief verletzt und hätte nie geglaubt, dass so ein beschämender Umgang mit einer jungen Mutter beim NDR möglich ist.“ Sie zog die emotionale Notbremse und kündigte ihren Rahmenvertrag beim NDR im Herbst 2019 – „und habe das bis heute keinen Tag bereut“.

Geholfen bei dieser Entscheidung hätten ihr der Glaube und die Zuversicht, dass „ich nicht tiefer fallen kann als in Gottes Hand. So abgedroschen das jetzt klingt“, sagt sie ernst. Viele ihrer Entscheidungen treffe sie im Zwiegespräch mit Gott. „daraus gehe ich immer gestärkt hervor.“ Im Moment genießt sie die Zeit mit ihrem Sohn und Mann – und ist dabei, sich als Coach und Rhetorik-Trainerin für Führungskräfte zu etablieren.