Neuengamme. “Ich war gartentechnisch ein Vollhonk“, sagt die NDR-Moderatorin. Warum die 45-Jährige jetzt keine Tomaten mehr auf den Augen hat.

Millionen kennen sie als „Miss Tagesschau“, sie moderiert glanzvolle Galas sowie an der Seite von „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo die Talkshow „3 nach 9“, und ist für den NDR als Inselreporterin zwischen Amrum und ihrem Lieblingseiland Rügen unterwegs. Aber Judith Rakers beim Ausmisten eines Hühnerstalls?

Im ewigen Kampf gegen einen Maulwurf, den sie mittlerweile liebevoll „Günter Grabowski“ nennt, zwischen Kartoffelernte und Tomatenzucht? „Diese Vision vom Leben auf dem Land, die Sehnsucht nach Natur, die hatte ich schon lange“, sagt die Journalistin, „aber natürlich war ich in meiner Eppendorfer Altbauwohnung – vierter Stock, Minibalkon – meilenweit davon entfernt.“

Und zwar nicht nur geografisch. „Sagen wir die Wahrheit: Ich war gartentechnisch eine absolute Null, ein Vollhonk. Nix grüner Daumen und so. Gefühlt sind Trilliarden von Basilikumpflänzchen aus dem Supermarkt bei mir traurig verödet. Irgendwann habe ich dann nur noch auf künstliche Orchideen gesetzt, weil schlicht nichts anderes überlebt hat.“ Und ihre Küche, die sei eigentlich nur ein „Showroom für Obstschalen“ gewesen, in denen Bananen braun und Äpfel schrumpelig wurden.

Judith Rakers hat mit zwei Beeten angefangen

Doch das änderte sich, als die 45-Jährige vor drei Jahren an den nördlichen Stadtrand zog. In ein Fachwerkhäuschen mit riesigem Garten, ganz in der Nähe eines Naturschutzgebietes, durch das die leidenschaftliche Reiterin gern mit Stute Sazou galoppiert. „Ich habe mich von Anfang an voll reingeworfen, habe mit zwei Beeten angefangen und dann den Ziergarten mit Rosen und Rhododendren immer weiter in einen Nutzgarten verwandelt“, sagt Judith Rakers, die in den Erntemonaten mittlerweile als Selbstversorgerin lebt. „Obwohl das wirklich nie mein Ziel war.“

Über ihr Abenteuer „Homefarming“ hat sie nun das gleichnamige Buch geschrieben, das heute im Verlag Gräfe und Unzer erscheint. „Es ist genau der Ratgeber, den ich gebraucht hätte. Viele praktische Tipps und nur so viel Theorie wie eben nötig.“

Sie selbst habe sich anfangs nämlich nicht nur durch die Erde gewühlt, sondern auch durch zahlreiche Werke über „Gartenarbeit für Anfänger“ und „Selbstversorgung“. „Da will man ja nach der Lektüre gleich schon wieder aufgeben, bevor man überhaupt begonnen hat, weil einen immer gleich das Gefühl beschleicht: Also ohne Doktorarbeit in Biologie kannst du das echt vergessen.“

Sie hat alles gleichzeitig ausprobiert

Ihr habe der intuitive Angang „Viel hilft viel“ geholfen. „Ich habe einfach alles gleichzeitig ausprobiert. Das hat natürlich die Chance erhöht, dass irgendwas davon auch klappt“, sagt Judith Rakers. So sei sie immer noch begeistert über die „knallbunten Radieschen“ aus einem „Ostermix“, die ihr binnen fünf Wochen, vom Samen bis zur Frucht, geglückt seien.

„Die waren ein Motivationsschub. Hätte ich dagegen nur auf Tomaten gesetzt, ich hätte das ganze Vorhaben heulend abgebrochen. Zickig und divaesk, anders kann man die Tomatenpflanzen leider nicht beschreiben. Ständig brauchen die Aufmerksamkeit oder müssen zum Friseur, also ausgegeizt werden.“ Und genau so, wie sie das erzählt – also mit sehr viel Witz und Selbstironie –, schreibt die Journalistin auch über das Leben auf ihrer „kleinen Farm“, wie sie ihr Häuschen am Stadtrand liebevoll nennt.

Judith Rakers im Gespräch mit Bernd
Eggers in Neuengamme. Von dem
Geflügelzüchter bekam sie die Hühner.
Judith Rakers im Gespräch mit Bernd Eggers in Neuengamme. Von dem Geflügelzüchter bekam sie die Hühner. © Sebastian Fuchs

Im zweiten Jahr habe das mit den Tomaten, die sie „in jeder Form“ wahnsinnig gern esse, übrigens geklappt: „Da habe ich mir gesagt: So, das wollen wir doch mal sehen. Ich habe optimale Bedingungen geschaffen und zum Beispiel in ein neues Gewächshaus mit automatischen Fensteröffnern investiert. Und was soll ich sagen? Die sind so gewuchert, ich konnte mich nur noch auf einige wenige Pflanzen konzentrieren.“

Ihr Geheimnis sind zeitunkritische Sorten

Damit kommt auch schon die Frage auf, die der viel beschäftigten Moderatorin immer wieder gestellt wird: „Wie, bitte, schaffst du das?“ Mit Schichtdienst bei der „Tagesschau“, mit Engagements außerhalb der Stadt, mit Inselrepor­tagen, für die sie jeweils mindestens neun Tage am Stück raus ist aus ihrem Gartenparadies. „Doch, das geht! Wobei ich zugebe­, dass ich früher auch immer gedacht­ habe: Natürlich haben die Experten­ aus den Gartenbüchern einen Traumgarten, das ist ja auch deren Beruf! Oder: Wenn ich mal weniger arbeite, dann lege ich mir auch mal ein Hochbeet an. Aber das Geheimnis ist, sich auf zeitunkritische Sorten zu verlagern.“

Heißt? „Rucola zum Beispiel. Lässt du drin, bis du ihn brauchst. Schneidest du ab, wächst nach. Oder Himbeeren! Pflanzt man einmal ein, und man muss sich kaum mehr darum kümmern.“ Die Mirabellen hätten ihr dagegen eine harte Lektion erteilt: „Da habe ich gelernt: Man sollte die Früchte schon ernten, wenn sie reif sind. Die warten jetzt nicht unbedingt, bis du aus dem Urlaub zurück bist.“

Eine völlig neue Judith

Und wie haben Familie, Freunde, Kollegen auf die Wandlung reagiert? Auf die völlig neue Judith, die plötzlich Marmelade einkocht und den halben Bekanntenkreis mit frischen Eiern versorgt? „Mein Vater hat sich erst mal amüsiert“, erzählt die gebürtige Paderbornerin, die allein bei ihrem Vater Hermann aufgewachsen ist. „Ich hatte mich dem Thema Küche und Kochen in den ersten 40 Jahren meines Lebens nämlich komplett verweigert.“

Doch spätestens, als sie an einem Sommerabend frisches Gemüse aus ihrem Garten auf den Grill legte, seien alle Gäste verblüfft und „total begeistert vom Geschmack“ gewesen. Einige Freunde seien danach sogar spontan übers Wochenende geblieben, fürs „Bauernhof-Gefühl“. „Sie durften dann Hochbeete anlegen, für die sie die Patenschaft übernommen haben.“

Apropos Patenonkel. Hahn Giovanni hat, wie der Name verrät, einen ziemlich prominenten: „Zeit“-Chefredakteur di Lorenzo, mit dem Judith Rakers nicht nur beruflich verbunden, sondern auch gut befreundet ist. „Er hat sehr gelacht, als ich ihm erzählt habe, wie ich meinen Hahn genannt habe. Und er ist dann auch gleich zu mir rausgefahren, um ihn zu taufen.“

„Homefarming.
Selbstversorgung
ohne grünen Daumen“ erscheint
am 2. Februar im
Verlag Gräfe und
Unzer. Die gebundene Ausgabe
kostet 22 Euro.
„Homefarming. Selbstversorgung ohne grünen Daumen“ erscheint am 2. Februar im Verlag Gräfe und Unzer. Die gebundene Ausgabe kostet 22 Euro.

13 Hühner hat Judith Rakers aktuell, dazugekommen sei sie „wie die Jungfrau zum Kinde“: „Ich konnte eigentlich mit den Flatterviechern nicht viel anfangen. Dachte ich jedenfalls immer. Als ich dann das Haus kaufte, wollten die Vorbesitzer gern, dass ich ihre drei Hühner übernehme. Da dachte ich: Okay, wenn es denn sein muss?“

Heute sagt sie rückblickend, der Sommer 2020 sei zwar ein „Corona-Sommer“ gewesen, aber er habe ihr auch die Möglichkeit gegeben, sich intensiv dem Thema Hühnerzucht zu widmen – zehn Küken drei verschiedener Hühnerrassen schlüpften im Sommer in ihrem Garten: „Ich kann jedem nur zu Hühnern raten. Und man sieht ja jetzt, dass Hühnerhaltung sogar in der Stadt Trend wird. Hühner machen so wenig Arbeit und schenken so viel Freude.“ Von den frischen warmen Eiern ganz abgesehen, die eben doch anders schmeckten als jene, die schon ein paar Tage im Supermarktregal lagen.

Die Idee zum Buch, das mit wunderschön natürlichen Aufnahmen des Hamburger Fotografen Sebastian Fuchs illustriert ist, sei im vergangenen April während des ersten Teillockdowns entstanden: „Ich bekam so viel Feedback via Instagram auf meine Fotos und Anekdoten, es gab so viele Fragen. Und da dachte ich mir: Ich schreibe das einfach mal auf. Als Mutmacher für alle, die wie ich einst dachten: Gärtnern ist nur was für die anderen.“