Hamburg. Viele Frauen erleben Gewalt bei der Geburt. Ein wichtiges Thema, das lange Jahre nicht zur Kenntnis genommen wurde.
Beschimpfungen oder ein Dammschnitt ohne Erlaubnis – dies sind nur zwei Beispiele für Gewalt in der Geburtshilfe, die Frauen weltweit erleben. Den heutigen 25. November, den internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, nutzen Betroffene daher, um auf ihre Erfahrungen aufmerksam zu machen. Bei der Aktion „Roses Revolution“, die zum achten Mal stattfindet, legen Mütter symbolisch eine rosafarbene Rose dort ab, wo sie Gewalt erfahren haben – etwa vor Kreißsälen oder Geburtskliniken.
Gewalt in der Geburtshilfe ist nicht nur für Betroffene, sondern auch für Hebammen ein wichtiges Thema: „Ich halte den Aktionstag für hochrelevant, weltweit“, sagt Claudia Limmer, Professorin für Hebammenwissenschaft an der HAW Hamburg. „Es ist ganz wichtig, dass Frauen ihre Stimme erheben und sagen: Ich habe etwas erlebt, das für mich traumatisierend oder nicht in Ordnung war. Das ist ein ganz wichtiges Thema, das lange Jahre nicht zur Kenntnis genommen, geschweige denn angesprochen wurde. Über eine Geburt hatte die Frau sich zu freuen, zumindest, wenn sie ein gesundes Kind hatte – das war ein ungeschriebenes Gesetz. Nun fällt auf: Es zählen auch andere Aspekte. Denn diese Aspekte wirken darauf ein, wie Familien sich nachher fühlen.“
Projekt soll in den kommenden Jahren fortgesetzt werden
Limmer ist seit 1999 als Hebamme tätig. Respektvolle Geburtshilfe sollte in der gesamten Ausbildung eine Rolle spielen, so die Dozentin: In der Kommunikation, bei Untersuchungen und jeglicher Form von Berührung. Um die 64 Studentinnen, die im September in den neu eingerichteten Studiengang Hebammenwissenschaft gestartet sind, für die Sichtweise werdender Mütter zu sensibilisieren, wurde das Projekt „Schwangere erzählen“ entwickelt.
Rund 40 Frauen werden von November an von je einer bis zwei Studentinnen begleitet und berichten von Gedanken, Sorgen und Ängsten rund um die Schwangerschaft. „Wir wollen, dass die Studierenden nicht nur viel wissen, sondern auch gut beraten können“, sagt Limmer. Das Projekt soll in den kommenden Jahren fortgesetzt werden, immer zum Wintersemester können sich Interessierte dann bei der HAW melden.
Auch Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen gefordert
Den diesjährigen „Roses Revolution“-Aktionstag nehmen die Studentinnen der Hebammenwissenschaft außerdem zum Anlass, um über ihren Lehrplan hinaus mit Hamburgern in Kontakt zu treten. Ursprünglich wollten sie im öffentlichen Raum Rosen pflanzen und Interessierte zu Gesprächen einladen.
Dies soll coronabedingt nun online stattfinden: Unter der Mail-Adresse thewaywegrow.hh@googlemail.com und auf dem gleichnamigen Instagram-Profil möchten die Studentinnen ab heute ihre Ausbildung vorstellen und von jungen Hamburgern hören, die in den kommenden Jahren ihre Familienplanung angehen wollen. Aber auch Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, seien aufgefordert, sich zu melden.
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Professorin Limmer begrüßt den Ansatz, online Erfahrungen zu sammeln und auszuwerten: „Es ist eine Möglichkeit, direkt zu hören: „Was bewegt Schwangere, Gebärende und Eltern? Was erleben sie?“ Die Studentinnen würden dadurch mithelfen, die Geburtshilfe in Hamburg zu verbessern. Erfahrungsberichte sammelt auch das Organisationsteam des deutschlandweiten „Roses Revolution“-Aktionstages. Auf der Facebook-Seite „Roses Revolution Deutschland“ trägt der Verein „Traum(a) Geburt“ Veranstaltungen und Hinweise rund um das Thema Gewalt in der Geburtshilfe zusammen.