Hamburg. Gewerkschaft Ver.di warnt in Hamburg vor steigenden Eigenanteilen der Pflegebedürftigen. „Aktionstag“ am 20. November.

Dass der Buß- und Bettag seinen Feiertag-Status 1995 abgeben musste, um die neue Pflegeversicherung zu finanzieren, gerät langsam in Vergessenheit. Wenn die Gewerkschaft Ver.di alljährlich mit einem „Aktionstag Altenpflege“ just am Buß- und Bettag – in diesem Jahr also Mittwoch, 20. November – daran erinnert, hat das einerseits etwas Ritualhaftes, bleibt aber doch erschreckend aktuell. Denn angesichts massiv steigender Eigenanteile und gleichzeitig oft unwürdiger Bedingungen für Pflegekräfte wie Pflegebedürftige lassen sich die Problem des Systems kaum kaschieren.

Durchschnittliche Zuzahlung im Heim bei 1900 Euro im Monat

„Die Pflege in Altenheimen wird künftig kaum noch bezahlbar sein“, warnte Ver.di-Fachbereichsleiterin Hilke Stein. Sie begrüßte zwar die Bemühungen für eine bessere Bezahlung und geringere Belastung des Pflegepersonals. Doch wenn die dadurch ansteigenden Kosten einzig in Form erhöhter Eigenanteile zu Lasten der Pflegebedürftigen gingen, würden „Menschen gegeneinander ausgespielt“, so Stein.

Wie berichtet, hatte der Verband der gesetzlichen Krankenkassen darauf hingewiesen, dass Bewohner von Pflegeheimen inzwischen im Schnitt fast 1.900 Euro monatlich dazu bezahlen müssten und eine Begrenzung dieses Eigenanteils gefordert. „Pflege ist heute ein Armutsrisiko“, sagte Hilke Stein. „Wenn man pflegebedürftig wird, kann man fast davon ausgehen, dass die Altersversorgung nicht ausreicht, die Kosten zu tragen.“

Um das Problem ging es auch bei einem Treffen der Länder-Gesundheitsminister am Montag in Berlin. Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) warb dort für die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die Lösungen erarbeiten sollte. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) habe das aber abgelehnt, hieß es aus dem Umfeld der Senatorin. Er wolle stattdessen im Frühjahr einen eigenen Vorschlag präsentieren.

Chancen und Risiken in der neuen Pflege-Ausbilung

Sorgen macht den Gewerkschaftern auch die neue einheitliche Pflege-Ausbildung, die zum 1. Januar in Kraft tritt. Norbert Proske, Ver.di-Sekretär für den Bereich Altenpflege, begrüßte zwar, dass die Zahl der Auszubildenden von derzeit 700 bis 800 auf 1200 steigen soll. Doch wenn Kinder-, Kranken- und Altenpfleger alle die gleiche Ausbildung absolvieren und sich hinterher aussuchen können, in welchem Bereich sie arbeiten wollen, bestehe die Gefahr, dass sich noch weniger für die extrem schlechte bezahlten Jobs in der Altenpflege entscheiden.

Auf der anderen Seite werde aber der Druck auf die Heimbetreiber erhöht, ihr Personal vernünftig zu bezahlen. Laut Hilke Stein haben 90 Prozent der Hamburger Alten- und Pflegeheime keine Tarifverträge.

Viele Azubis werden als billige Arbeitskräfte missbraucht

Ein großes Problem sei heute schon, dass viele Azubis als billige Arbeitskräfte missbraucht würden und etwa nach der Berufsschule noch eine Schicht im Heim übernehmen müssten, so Proske. „Wir sind oft Lückenbüßer“, bestätigte Christina Wenzel, Auszubildende in der Altenpflege. „Einige von uns müssen sogar ganze Stationen übernehmen, obwohl wir dafür gar nicht qualifiziert sind.“

Die eigentliche Ausbildung müsse am oft aktiv einfordern. Und das, so Nelson Studzinski, Betriebsrat in einem Wilstorfer Pflegeheim, führe dazu, dass offiziell ausgelernte Pflegekräfte in Wahrheit noch gar nicht eigenverantwortlich einsetzbar seien.

Experte aus Bremen beim Aktionstag Altenpflege

Der Aktionstag Altenpflege am Mittwoch, 20. November, findet in der Aula der Berufsschule in der Burgstraße 33 statt. Im Mittelpunkt steht von 17 bis 19 Uhr eine Podiumsdiskussion zur Zukunft der Pflege, an der unter anderem Professor Heinz Rothgang von der Uni Bremen teilnimmt, dessen Gutachten zum deutschen Pflegesystem derzeit für Aufsehen sorgt.