Kreis Pinneberg. Eine Hebamme aus dem Kreis Pinneberg erzählt, wie stark sich ihr Alltag und der werdender Eltern verändert hat.
Sie betreuen Schwangere, Gebärende, Mütter und Familien in einer sensiblen Lebensphase. Am 5. Mai, dem Internationalen Hebammentag, soll ihre Arbeit gewürdigt und soll auf die Bedeutung der Hebammen für die Gesellschaft hingewiesen werden. Auch auf die vielerorts nach wie vor unzureichende Versorgung mit Hebammenhilfe soll an diesem Tag aufmerksam gemacht werden. In diesem Jahr steht der Aktionstag, der 1990 ins Leben gerufen wurde, unter dem Motto „Stark in der Krise“. Von den im Kampf gegen die Coronapandemie verhängten Einschränkungen ist schließlich auch die Hebammenarbeit massiv betroffen.
„Bereits seit März fallen alle Geburtsvorbereitungskurse für Paare aus. Man weiß auch nicht, wie lange das noch der Fall ist“, sagt Claudia Feldgen, die bereits seit 23 Jahren als freiberufliche Hebamme im Kreis Pinneberg tätig ist. Zwar hätten viele Hebammen zügig Online-Angebote ins Leben gerufen, doch für die Hebammen sei das eine schwierige Situation: „Die besondere Atmosphäre in einem Kursus, wo man jemanden direkt begleitet, was vormachen und anfassen kann, fällt dadurch weg. Man lernt auch die Paare nicht kennen.“ Hebammen, die Räume angemietet haben und Miete zahlen müssen, ohne Kurse anbieten zu können, bekämen zudem finanzielle Probleme.
Partner dürfen nicht mit zum Arzt
Für Schwangere breche durch die ausfallenden Kurse der Austausch weg, der in einer Gruppe entsteht. „Häufig werden dort Kontakte geknüpft, die auch über diese Lebensphase hinausreichen. Für die Schwangeren ist das sehr schade“, weiß Feldgen. Aufgrund der geltenden Kontaktbeschränkungen ist auch bei den Vorsorgeuntersuchungen durch den Arzt oder die Hebamme keine Begleitung erlaubt – auch nicht bei den großen Ultraschallterminen. „Besonders belastend kann das werden, wenn eine Schwangere Informationen bekommt, die sie nachdenklich stimmen.“ Auch Kommunikationslücken könnten so entstehen, da der Partner die Informationen nicht direkt vom Arzt bekommt. „In solchen Fällen stehen wir telefonisch zur Verfügung.“
Ohnehin sei das Telefon bei der Hebammenarbeit momentan ein wichtiger Begleiter, wodurch Schwangere in ihrer Eigenverantwortung mehr gefordert seien. „Vor einem Besuch findet zum Beispiel häufig eine telefonische Beratung statt, bei der ich auch schon mal im Auto vor dem Haus der Familie stehe, damit sich die eigentliche Besuchszeit verkürzt“, so Feldgen. Das gehe allerdings nicht bei den ersten Besuchen nach einer Geburt. „Als Hebamme muss man auch ein Gefühl für die Frau und die Familie entwickeln. Das kann man nicht durchs Telefon.“ Bei einem Hausbesuch würden Gespräche zunächst mit Abstand geführt. „Zuvor klären wir die Eltern auf, dass Besuche derzeit kurz und bündig gestaltet werden sollten. Wir müssen auch darauf aufmerksam machen, dass wir viel Kontakt zu anderen Menschen haben“, sagt die erfahrene Hebamme und gibt zu bedenken: „Es ist schwierig, in unserem Beruf alle Corona-Regeln einzuhalten. Wir müssen schließlich Kontakt haben. Jetzt muss immer abgewogen werden, welcher Kontakt wirklich notwendig ist.“ Zu den Arbeitsutensilien bei einem Hausbesuch gehörten für Hebammen außer dem bereits zuvor obligatorisch eingesetzten Desinfektionsmittel nun auch Mundschutz und Handschuhe. Wie sich die Hebammenarbeit durch die Coronakrise verändert hat? „Es läuft insgesamt ganz gut, aber man muss sich umstellen“, sagt die 50-Jährige. Vor allem weil wichtiger, persönlicher Kontakt einfach wegfalle. „Zum Beispiel auch mal jemanden in den Arm zu nehmen.“
„Bis zum Mutterschutz gekämpft, dann ohne Unterstützung zu Hause“
Eine Schwangerschaft in Corona-Zeiten sei in vielerlei Hinsicht fordernd: „Es ist nicht schön für die Frauen, dass die Besuche durch die Hebamme zurzeit kürzer ausfallen müssen.“ Auch die Frage, ob der Partner mit ins Krankenhaus darf, oder unsichere Jobsituationen beschäftigten Schwangere gerade sehr. „In Kombination mit einem ausgeprägten Nestbaubetrieb gerät die Gefühlswelt dann etwas durcheinander.“ Sorgen um die eigene Gesundheit machten sich Schwangere hingegen relativ wenig. Vielmehr beschäftige sie die Betreuung der Geschwisterkinder und die Gesundheit der eigenen Eltern. „Es gibt Fälle, in denen sich hochschwangere Frauen bis zum Mutterschutz gekämpft haben und nun ohne Entlastung zu Hause mit zwei Kindern sitzen, da auch die Großeltern die Kinder zurzeit nicht übernehmen sollten. Das ist für die Betroffenen sehr anstrengend.“ Keine Kurse, keine Begleitung zum Arzt, keine Besuche von Verwandten vor oder nach der Geburt. „Die Angst vor dem Virus ist geringer als die Angst vor der Isolation“, sagt Feldgen. Die Corona-Krise löse vor allem psychische Belastungen bei Schwangeren aus. „Informationen bekommt man auch so, aber der persönliche Kontakt in Kursen und der körperliche Kontakt in Form von Untersuchungen und Massagen sind das A und O während einer Schwangerschaft.“ Daher seien auch die Hausbesuche sehr wichtig. „Über die Isolation von Schwangeren mache ich mir derzeit am meisten Sorgen.“
Wer durch eine Hebamme betreut wird, kann sich in Krisenzeiten daher umso glücklicher schätzen. „Die Situation hat sich so entwickelt, dass Frauen sich bereits melden, wenn ihr Schwangerschaftstest positiv ist. Die Überlastung der Hebammen ist nach wie vor groß. Es ist wirklich schade, dass die Entwicklung so ist“, sagt Feldgen. Häufig habe sie sich in der Vergangenheit daher auch an Aktionen zum Internationalen Hebammentag beteiligt. „Das fällt in diesem Jahr natürlich flach.“
Dennoch sei dieser Tag wichtig, „um auf unseren Beruf aufmerksam zu machen“.