Hamburg. Ergebnis soll binnen 60 Minuten vorliegen. Wie die Fußball-Bundesliga, Kliniken und Schulen vom Schnelltest profitieren können.
Man sollte nicht zu viel versprechen, aber der neue Corona-Schnelltest des Hamburger Familienunternehmens sanaGroup dürfte es leichter machen, künftig in erheblich kürzerer Zeit die Gesunden von den Kranken zu unterscheiden. Und die Frage zu beantworten: Grippe oder Corona? Bei PCR-Tests mit dem HSV und seinen Profis soll das Ergebnis der Getesteten nach Abendblatt-Informationen nach 41 Minuten vorgelegen haben. Die hanseatisch sehr zurückhaltende Firma und ihr Vorstandschef Thomas Wüstefeld sprechen davon, die Zeit auf unter eine Stunde zu drücken. Bislang bringt ein PCR-Test das Ergebnis frühestens nach vier bis acht Stunden. Normalbürger warten meist einen Tag.
Dieser neue PCR-Schnelltest wurde jetzt vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte sowie von den amerikanischen Behörden (Federal Drug Administration) autorisiert. Er kann auf einen Blick zeigen, ob ein Patient Influenza A oder B oder das Coronavirus in sich trägt. Diese Unterscheidung ist in der Grippesaison wichtig, vor allem für medizinisches Personal wie Ärzte und Pfleger, aber auch für Polizisten, Manager oder Schüler mit Erkältungssymptomen, bei denen man Sorge hat, sie könnten Covid-19 haben.
Wüstefeld sagte dem Abendblatt: „Die PCR-Tests lassen sich mobil aufbauen, wir sparen auf diese Weise die Logistik der Probenversendung. Zusätzlich sparen wir durch den Extraktionspuffer etwa sieben bis elf Arbeitsschritte.“ Wüstefeld sagte aber auch: „Entscheidend bleibt, dass medizinisches Fachpersonal den Abstrich vornimmt.“
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Was ist das Besondere an diesem Corona-Schnelltest?
Mit der mobilen PCR-Anwendung, die nicht größer als eine Brotbox ist, können bis zu 21 Menschen gleichzeitig auf das Sars-Cov-2-Virus sowie auf Influenza A und B getestet werden – in weniger als einer Stunde. Das größere PCR-Gerät kann Proben von bis zu 189 Menschen gleichzeitig untersuchen. Proben müssen nicht versandt werden. Sieben bis elf Arbeitsschritte, die manuell im Labor ausgeführt werden und fehleranfällig sind, können mit der „Box“ automatisiert werden.
Wie funktioniert der Corona-Test?
Im Prinzip ist es dasselbe Verfahren wie im Labor. Der Test basiert auf der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und weist das Viruserbgut nach. Dazu wird dem Patienten ein Abstrich aus dem Nasen-Rachen-Raum entnommen – vom Arzt oder ausgebildeten Profi.
Wie zuverlässig sind PCR-Tests?
Sie gelten als sehr zuverlässig. Unter Laborbedingungen soll die Sensitivität, also der Anteil richtig diagnostizierter Kranker, bei 100 Prozent liegen. In der Praxis dürfte dieser Wert nie erreicht werden. Bei der PCR-Anwendung des Hamburger Unternehmens soll die Sensitivität bei 98 Prozent liegen. Die Spezifität, also der Anteil richtig diagnostizierter Gesunder, liegt bei 100 Prozent.
Ist der Test bereits zugelassen?
Der PCR-Schnelltest wurde beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angemeldet und ist von der amerikanischen Federal Drug Administration mit Notfallgenehmigung (Emergency Use Authorization) autorisiert worden. Zudem lässt die sanaGroup Tests nach eigenen Angaben von unabhängigen Laboren gegenchecken.
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Was ist der Unterschied zum Antigen-Schnelltest?
Antigen-Tests gelten laut Robert Koch-Institut als nicht so genau wie PCR-Tests. Damit sie ein positives Ergebnis anzeigen ist eine größere Virusmenge nötig. Auch von Labormedizinern werden Antigen-Schnelltests heute noch kritisch diskutiert. „Das ist mit Recht so. Wir fahren daher zweigleisig“, sagt Wüstefeld. Der Schnelltest der sana-Group wurde um die Nachweisspuren Influenza A und Influenza B erweitert.
So könne man innerhalb von 15 Minuten jene „rausfischen“, die infektiös sind. Ob eine Corona-Infektion mit Sicherheit vorliege, könne anschließend der PCR-Test zeigen. „Das kann man mit einer Außenleuchte vergleichen, die bei Dunkelheit angeht. Einige Lampen gehen erst an, wenn es bereits stockduster ist. So ist das auch mit den Schnelltests einiger Hersteller. Die schlagen erst an, wenn die Viruslast sehr groß ist.“ Ziel sei jedoch, dass die Tests bei geringer Viruslast anschlagen. „Bei uns geht das Licht schon bei leichter Dämmerung an“, so Wüstefeld.
Wo kann der neue Test angewendet werden?
Die sanaGroup steht nach eigener Aussagen bereits im Gespräch mit Hamburger Behörden. Vor allem im Gesundheits- und Pflegebereich, aber auch an Schulen könnte der PCR-Test bald schon durchgeführt werden. Die Sozialbehörde hat nach Abendblatt-Informationen den Test der sanaGroup bereits gelistet. In Zukunft können Schnelltests zum Beispiel bei Besuchern von Heimen eingesetzt werden, die ihre Angehörigen besuchen wollen. Wüstefeld sagte: „Uns geht es unter anderem auch darum, dass Schulen nicht schließen müssen, wenn ein Kind Symptome zeigt.“
Was kostet der Schnelltest der neuen Art mit Corona und Influenza?
Einen genauen Preis möchte die sanaGroup nicht nennen. „Wir sind nicht die billigsten oder die teuersten Anbieter von Schnelltests, wollen aber fachlich auf höchstem Niveau mitarbeiten und unseren Beitrag leisten“, sagt der Vorstandschef. Bisherige Tests kosten 59 bis etwa 180 Euro. Experten glauben, dass der Preis sich auf 40 Euro zubewegen könnte.
Kann der Profifußball vom Schnelltest profitieren?
Zweimal pro Woche werden die HSV-Profis derzeit auf das Coronavirus getestet. Zuletzt am Donnerstag. Ob die Ergebnisse negativ sind, erfahren die Verantwortlichen erst einen Tag später nach der Laboruntersuchung, in dieser Woche also erst nach der Ankunft in Fürth. Um diesen Prozess zu beschleunigen, plant der HSV mit der sanaGroup eine Kooperation. Erste Tests haben bereits stattgefunden. „Nach dem Angebot haben wir bisher einen einzelnen Testlauf mit dieser Art Fast-Track-PCR-Testung durchgeführt, die die Abläufe vereinfachen könnten und verfolgen daher die weitere Entwicklung sehr interessiert“, sagte HSV-Mannschaftsarzt Götz Welsch dem Abendblatt.
„Fakt ist, dass wir Stand jetzt weiter an die durch die DFL zertifizierten und freigegebenen Labore gebunden sind und die schneller ablaufenden PCR-Tests aktuell nur als mögliche Ergänzung in speziellen Fällen hinzuziehen könnten.“ Auch andere Proficlubs sind interessiert. Eine Spielabsage wie zuletzt gegen Aue hätte mit dem neuen Verfahren vermieden werden können. Auch die schnellere Rückkehr eines Spielers in den Trainingsbetrieb wäre möglich. Zuletzt musste Manuel Wintzheimer vier Tage mit dem Training aussetzen, nachdem er Kontakt zum positiv getesteten Stephan Ambrosius hatte.
Was sind Schwächen und Stärken der mobilen PCR-Anwendung?
Der UKE-Experte Dominik Sebastian Nörz (Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene) sagte, es gebe derzeit zu den entsprechenden Testsystemen noch keine qualitativ hochwertigen und unabhängig gewonnenen Vergleichsdaten in der Literatur. Generell könnte aber die Verfügbarkeit von Reagenzien und Verbrauchsmaterialien ein Problem werden. Der sanaGroup-Chef kennt von seinen Partnern die einzig entscheidende Frage: Könnt ihr liefern? „Die Antwort ist ja“, so Wüstefeld.