Hamburg. Am kommenden Sonntag beginnt die 12. Hamburger Klimawoche. Auf dem Rathausmarkt geht es um die Rettung der Erde.
Es war so schwer wie nie zuvor. Die 12. Hamburger Klimawoche, die zwischen dem 20. und 27. September stattfindet, hätte fast nicht stattgefunden. Die Behörden taten sich schwer mit der Genehmigung, und die Geldgeber verhielten sich extrem zurückhaltend. Sponsoren wünschen sich ein möglichst großes Publikum, und dies widerspricht den aktuellen Abstandsregelungen. Bis vor vier Wochen war der Veranstalter Frank Schweikert noch „verzweifelt“, weil auch viele Redner ihre Teilnahmezusage wegen Corona hinauszögerten. Doch nun kommen hochkarätige Gäste, die Umweltbehörde unterstützt mit 25.000 Euro, und es gibt rund 200 verschiedene Programmpunkte, die alle kostenfrei besucht werden können.
Aktuell fehlen allerdings immer noch 75.000 Euro, doch Schweikert, der gemeinsam mit dem Unternehmer Frank Otto 2015 die Deutsche Meeresstiftung gründete, zeigt sich zuversichtlich: „Wir haben es elf Jahre lang geschafft, die Klimawoche auszurichten, wir werden es auch im zwölften Jahr hinbekommen.“
Herausfordernd war die Entwicklung eines sicheren Veranstaltungskonzeptes
Besonders herausfordernd war die Entwicklung eines sicheren Veranstaltungskonzeptes. Im vergangenen Jahr hatte Europas größte Klimaveranstaltung in großen Kugelbauten stattgefunden, in diesem Jahr musste wegen der strengen Hygienebedingungen ein anderes Konzept her. Unter der Federführung von EventPlanung nord, Nord Event und der Schenefelder Segelmacherei Albrecht von Bremen entstand eine nach außen hin offene, regengeschützte Open-Air-Konstruktion. Die Bauten garantieren eine gute Durchlüftung, ein Ein-Wege-System sowie eine digitale Gästeerfassung zur Nachverfolgbarkeit von möglichen Infektionswegen. Nie mehr als 200 Personen dürfen sich nun auf dem Rathausmarkt aufhalten.
Weil bei populären Programmpunkten wie der Diskussion mit Verkehrssenator Anjes Tjarks (Dienstag, 22. September, 20 Uhr), dem vom Wetterexperten Karsten Schwanke („Der Klimawandel wird die größte Herausforderung unserer Gesellschaft – auch bei uns zu Hause in Deutschland!“) moderierten Gespräch mit Bürgermeister Peter Tschentscher (Freitag, 25. September, 20 Uhr) oder dem Interview mit Senator Jens Kerstan zur Frage, wie Hamburgs Landwirtschaft sich anders ausrichten sollte (Sonnabend, 26. September, 18 Uhr), die maximale Gästezahl überschritten werden dürfte, findet die 12. Hamburger Klimawoche als Hybrid-Veranstaltung statt. Die Programmpunkte können als Stream zu Hause auf dem YouTube-Kanal der Klimawoche verfolgt werden; außerdem zeigt Hamburgs Communitysender Tide die Höhepunkte im Fernsehen.
Teure Folgen des Klimawandels
Die Veranstaltung sei in diesem Jahr wichtiger denn je, glaubt Frank Schweikert, denn der Ausbruch von Corona habe gezeigt, in welcher Symbiose Klima und Umwelt stünden. „Der Klimawandel war wahrscheinlich sogar der Auslöser der Covid-19-Pandemie“, so der Umweltaktivist. „Durch die Verringerung der biologischen Vielfalt, also dadurch, dass immer mehr Tiere und Pflanzen aussterben, haben es bestimmte Krankheiten und Viren leichter, sich auszubreiten.“
Corona habe gezeigt, wie eine Gesellschaft quasi über Nacht gezwungen werden kann, auf eine Gefahr aus der Umwelt zu reagieren. „Nur ist der Klimawandel gefährlicher als Corona. Die Schäden durch den Klimawandel werden die Schäden der Pandemie um ein Vielfaches übersteigen. Die Folgen werden viel teurer sein, und die Zahl der Toten durch Hitze, Stürme, Überschwemmungen und Feinstaub wird hoch sein“, prognostiziert Schweikert, der 2018 für sein Engagement zum Schutz der Ozeane gemeinsam mit Fürst Albert II. von Monaco in der Dresdner Frauenkirche mit dem Europäischen Kulturpreis ausgezeichnet wurde.
Gefahr für die Unternehmen
Der Hamburger genießt großen Respekt in der Nachhaltigkeitsbewegung und konnte Professor Claudia Kemfert als Schirmfrau der 12. Hamburger Klimawoche gewinnen. Die renommierte Wirtschaftsexpertin mit den Schwerpunkten Energieforschung und Klimaschutz leitet seit 2004 die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und geht davon aus, dass wir aus der jetzigen Krise eine Menge lernen können: „Etwa dass viele Dinge, die vorher utopisch schienen, auf einmal möglich sind: emotionale Nähe und solidarische Achtsamkeit statt materiellem Egoismus und ‚Survival-of-the-fittest‘. Sichere Fahrradstraßen statt autofixierte Verkehrspolitik. Homeoffice, Videokonferenzen und sogar virtuelle G-20-Gipfel statt Diesel-Dienstwagen und Kerosin-Flüge um den halben Globus.“
Coronavirus – die Fotos zur Krise
Für die Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit stellen Dekarbonisierung, Digitalisierung, Dezentralisierung und Demokratisierung die Schlüsselbegriffe der Zukunft dar. Im Gespräch mit dem Abendblatt erklärt sie, warum Wirtschaft und Klimaschutz keine Gegensätze darstellen: „Klimaschutz schafft Jobs! Nachhaltiges Wirtschaften und zukunftsfähige Arbeitsplätze gehören zusammen wie Saat und Ernte. Es gilt auch das Gegenteil: Wenn wir heute nicht in eine klimaschonende Wirtschaft investieren, werden viele Unternehmen kriseln und noch mehr Jobs verloren gehen.“
Kemfert: Wirtschaft und Klimaschutz liegen nicht im Krieg
Kemfert legt Wert darauf, dass sich Wirtschaft und Klimaschutz nicht im Krieg gegeneinander befinden und folglich nicht versöhnt werden müssen. „Diese Mär ist fatal“, sagt sie. „Sie führt dazu, dass wir weiterhin die immensen Kosten des Klimawandels ignorieren und die wirtschaftlichen Chancen des Klimaschutzes unterschätzen.“ Die Wirtschaft werde dauerhaft vom Klimaschutz profitieren.
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Kemfert wird am Freitag, 25. September, um 19.30 Uhr mit Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher und Maja Göpel, eine der Initiatorinnen der Scientists4Future und Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung zu globalen Umweltveränderungen, auf dem Rathausmarkt diskutieren. Ihr Thema: „Corona und Klima: Was wir wirtschaftlich und gesellschaftlich ändern müssen.“