Hamburg. Hamburgensie darf voraussichtlich im Oktober öffnen, aber mit weniger Händlern. Ob “Aale-Dieter“ dabeibleibt, ist ungewiss.
Seit März ist der Hamburger Fischmarkt wegen der Corona-Krise geschlossen. Laut waren zuletzt die Rufe der Händler nach einem Konzept für die Wiedereröffnung. Nun macht der Bezirk Altona den lang ersehnten Schritt: Im Oktober sollen die Buden des traditionsreichen Markts am Hafen wieder ihre Klappen öffnen. Doch die Bedingungen haben sich geändert.
Die wohl wichtigste: Fisch, Obst und Gemüse werden nicht mehr frühmorgens, sondern von 11 bis 15 Uhr verkauft. Das geht aus dem Hygiene- und Abstandskonzept hervor, das der Bezirk gemeinsam mit der Gesundheitsbehörde entwickelt hat. Wie das Bezirksamt am Dienstag mitteilte, soll das 200.000 Euro teure Konzept in den kommenden Tagen verabschiedet werden. Nach Abendblatt-Informationen warten die Markthändler noch darauf, in die Planung einbezogen zu werden. Die „Bild“-Zeitung hatte zuerst berichtet.
Öffnungszeit hängt auch an Kirchenstaatsvertrag
Die geänderten Öffnungszeiten sollen zum Infektionsschutz beitragen, indem der Fischmarkt uninteressanter für Partygänger wird, die eigentlich nach dem Feiern auf dem Kiez ihr Frühstück auf dem Fischmarkt eingenommen hätten. Die Behörden befürchten, dass die Nachtschwärmer die Corona-Regeln unzureichend einhalten würden. Doch um 11 Uhr sind die Feiernden schon lange im Bett.
Dass der Fischmarkt trotzdem so spät öffnen soll, liegt am Kirchenstaatsvertrag, der zwischen 10 und 11 Uhr eine Ruhestunde vorsieht, wie Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg dem NDR mitteilte.
Händler müssen sich im Internet bewerben
Auch neu: Der Fischmarkt wird umzäunt und zur Einbahnstraße – mit nur je einem Ein- und Ausgang. 20 Sicherheitskräfte sollen den Einlass regeln und dafür sorgen, dass nur jene den Fischmarkt betreten, die sich zuvor über ein Online-Tool angemeldet und daraufhin einen festen Zeitraum zugewiesen bekommen haben. Die Sicherheitskräfte sollen auch dafür sorgen, dass die Abstandsregeln eingehalten werden und der Eingang eine halbe Stunde vor Ende geschlossen wird. Maximal 500 Besucher sind erlaubt.
Auch die Anzahl der Marktstände soll schrumpfen: Statt etwa 120 dürfen nur noch 60 Händler ihre Ware verkaufen. Wer auf dem Fischmarkt verkaufen will, muss sich übrigens mit einer Interessensbekundung bewerben.
„Aale-Dieter“ nimmt Nachtschwärmer in Schutz
Das gilt auch für Dieter Bruhn alias „Aale-Dieter“, der seit 1959 auf dem Fischmarkt geräucherten Aal und Lachs verkauft. Der Händler ärgert sich über das neue Hygienekonzept. „Das ist doch überzogen! Man kann Tradition nicht so ummodeln“, sagt er. Über die Öffnungszeiten ärgert er sich am meisten. „Warum soll der Markt bis 15 Uhr öffnen? Da sind schon alle wach. Morgens um 5 Uhr ist es so leer, da kann man auf dem Fischmarkt Fußball spielen.“
Anders als die Behörden sieht er die Lage um die Partygänger gelassen, denn der Fischmarkt sei ruhig geworden. „Früher sind die Betrunkenen aus den Kneipen getorkelt, es gab Schlägereien. Heute kann ich die wirklich Betrunkenen der letzten 20 Jahre an einer Hand abzählen“, sagt der Markthändler. Er kenne die Klientel, schließlich verkaufe er seine Ware seit über 60 Jahren.
Schaustellerverband Hamburg übt Kritik
Kritik äußert auch Wilfried Thal, Präsident des Schaustellerverbandes Hamburg. Es würden ohnehin weniger Besucher zum Fischmarkt kommen: weniger Nachtschwärmer, weniger Touristen, dazu ein defensives Kaufverhalten der Hamburger. „Ich habe mir eine mutigere Entscheidung von der Politik gewünscht. Also, dass man den Fischmarkt wie einen Wochenmarkt veranstaltet.“ Das wäre unkomplizierter gewesen. Doch der Fischmarkt gilt weiterhin als Großveranstaltung und muss so behandelt werden. „Es wird nicht der Fischmarkt, den wir kennen“, sagt der Präsident. Trotzdem freut er sich, dass der Traditionsmarkt nach langem Ringen wieder öffnen darf.
Erst am Donnerstag hatten Markthändler vor dem Altonaer Rathaus unmittelbar vor Beginn der Bezirksversammlung protestiert. Aus ihrer Sicht dauerte die Erarbeitung des neuen Hygienekonzeptes zu lange. Zuletzt war völlig unklar, wann der Fischmarkt überhaupt wieder öffnen könne. Seit Mitte März haben sie wegen der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie auf ihren 300 Jahre alten Fischmarkt verzichten müssen.
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„Den Händlern steht das Wasser bis zum Hals“, sagt Andreas Bernau, Abgeordneter der SPD-Fraktion Altona. Er schließt sich ihren Forderungen an. Ihm ist außerdem unverständlich, warum der Markt erst im Oktober öffnen darf, und fordert: „Das muss schneller gehen.“ Rückenwind erhält er von der FDP. Die Kritik der Politiker sowie der Protest der Marktschreier haben offenbar bereits gewirkt. Ob der Fischmarkt doch noch früher öffnen darf, bleibt abzuwarten.