Hamburg. Rechtsanwalt erstattet Anzeige. Bußgeldstelle sah keine Veranlassung für Ermittlungen gegen Teilnehmer. Was ihnen nun droht.

Alle dachten, das Thema sei beendet – nun aber bekommt die illegale Feier von SPD-Innensenator Andy Grote in einer Bar mit rund 30 (Partei-)Freunden mitten in Corona-Zeiten wohl doch noch eine Fortsetzung. Ein Rechtsanwalt hat seine bereits im Juni gegen Grote selbst erstattete Anzeige gegen dessen rund 30 Gäste erweitert.

Anlass ist offenbar die Aussage der Bußgeldstelle, sie könne gegen die Gäste nicht vorgehen, da diese nicht offiziell namentlich bekannt seien und gegen sie keine Anzeigen vorlägen (Abendblatt berichtete). Dies will der Anwalt offensichtlich nicht hinnehmen.

Grote hatte für Umtrunk 1000 Euro Bußgeld zahlen müssen

Bekanntlich hatte die Bußgeldstelle gegen Grote selbst ein Bußgeld von 1000 Euro verhängt, da sein Treffen mit 30 Gästen in einem Club der HafenCity zur Feier seiner Wiederernennung am 10. Juni gegen die von ihm selbst mit erlassenen Coronaregeln verstieß. Gegen die Gäste wurde dagegen nicht vorgegangen, obwohl der Bußgeldkatalog Bußgelder von 150 Euro für die Teilnahme an solchen verbotenen Veranstaltungen vorsieht.

Ermittlungen gegen die teils namentlich bekannten Gäste etwa aus der SPD-Bürgerschaftsfraktion seien weder möglich noch zwingend, hatte die Bußgeldstelle auf Anfrage mitgeteilt. Die Gästeliste des Barbetreibers sei nur zum Zwecke der Feststellung eingesehen worden, "ob und mit wie viel Personen das Ereignis stattgefunden hat“, so die Sprecherin des zuständigen Einwohnerzentralamtes. Für die Ermittlungen könne diese aus Datenschutzgründen nicht genutzt werden.

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    Die in Medien genannten (und von der Bürgerschaftsfraktion bestätigten) Namen von Grote-Gästen aus der SPD-Fraktion fußten auf „nicht erwiesenen Behauptungen“. Im Übrigen bestehe „im Ordnungswidrigkeitenrecht keine Ermittlungsplicht“, so das Einwohnerzentralamt. "Es gilt das Opportunitätsprinzip“, nach dem "die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten (sog. Bußgeldverfahren) im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörden liegt“.

    Anwalt: Es bestehe ein überragendes öffentliches Interesse an Ermittlungen

    Damit will sich der nun anzeigende Anwalt offenbar nicht abfinden. Es sei in Medien zu lesen gewesen, dass nicht gegen bekannte Gäste vorgegangen werde, „da es an entsprechenden Anzeigen fehlen würde“, heißt es in dem Schreiben des Juristen an die Staatsanwaltschaft Hamburg, das dem Abendblatt vorliegt.

    „Sollte dies tatsächlich die Begründung sein, so wäre dies überraschend, da Ermittlungs- und Ordnungsbehörden positive Kenntnis von den entsprechenden Verstößen haben. Die Bürgerinnen und Bürger der Hansestadt Hamburg müssen, ebenso wie die der anderen Bundesländer, seit mittlerweile über fünf Monaten erhebliche Grundrechtseingriffe dulden, welche vielfach bis heute existenzbedrohend sind. Insbesondere die Branche, die im Zusammenhang mit der gerügten Veranstaltung steht, ist besonders betroffen.“

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    Es bestehe daher ein „überragendes öffentliches Interesse auch an der Straf- oder ordnungsrechtlichen Klärung der gerügten Veranstaltung“, heißt es weiter. „Wie sollen die Bürgerinnen und Bürger die Grundrechtseingriffe akzeptieren, wenn nicht mal die Legislative meinte, sich hieran halten zu müssen? Vor diesem Hintergrund erweitern wir unsere Anzeige hiermit gegen sämtliche Teilnehmer der gerügten Veranstaltung und bitten um die Einleitung entsprechender Verfahren.“

    Anwalt bittet um Akteneinsicht zu Grotes Umtrunk

    Sollten aus Sicht der Staatsanwaltschaft die gerügten Verstöße lediglich den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllen, werde „um Weiterleitung der Anzeige an die entsprechende Ordnungsbehörde gebeten“. Zugleich bittet der Anwalt um Akteneinsicht und die Mitteilung des Aktenzeichens.

    Die Staatsanwaltschaft konnte den Eingang der Anzeige am Freitag noch nicht bestätigen. Dies könne aber daran liegen, dass die neuerliche Anzeige noch nicht in das System eingepflegt sei, so die Sprecherin. Man werde die Anzeige bei Eingang prüfen und klären, ob sie strafrechtlich relevant sei. Andernfalls werde man sie an die Bußgeldstelle weiterleiten.

    CDU: Bürgermeister Tschentscher decke das "Schauspiel des Innensenators"

    CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator sieht die Glaubwürdigkeit des rot-grünen Senats durch die illegale Grote-Feier und den Umgang damit weiter nachhaltig beschädigt. „Das gilt auch für den Bürgermeister, der sich das Schauspiel des Innensenators nicht nur mit ansieht, sondern dieses auch noch deckt und politische Absolution erteilt hat“, sagte Gladiator.

    „Dabei sind die Anzeige und die daraus zu erwartenden Ermittlungen gegen die Gäste sachlich völlig richtig. Es kann nicht sein, dass Kinder Bußgelder zahlen müssen, weil sie ihren Freunden beim Spielen zu nahe gekommen sind, aber Verantwortung tragende Regierungspolitiker ohne Strafen davonkommen.“

    Die Bußgeldstelle müsse hier „unabhängig von der Person und Parteizugehörigkeit ermitteln und Verstöße ahnden“, sagte der CDU-Politiker. „Im Kampf gegen die Corona-Pandemie und eine zweite Welle wäre es so wichtig, dass Personen des öffentlichen Lebens mit gutem Beispiel vorangehen. Umso bitterer ist es, dass der Innensenator und seine Gäste eine verbotene Zusammenkunft veranstaltet haben und dem Innensenator bis heute jede Einsicht für seinen Verstoß fehlt.“ Entweder wisse Grote nicht, was er tue oder er habe die Hamburgerinnen und Hamburger bewusst getäuscht, so Gladiator. „Beides ist mit seinem Amt nicht vereinbar.“