Hamburg. Verkehrssenator Anjes Tjarks kündigt Bau von 600 neuen Haltestellen an. Sie sollen ab 2022 bisher vernachlässigte Viertel anbinden.

Mit der imposanten Hauptkirche St. Petri im Hintergrund wirkt der „Quartiersbus“ noch kleiner. Die Hamburger Hochbahn präsentierte am Mittwoch das 8,30 Meter lange und 2,43 Meter breite Testfahrzeug, das von Ende 2022 an in Hamburg eingesetzt werden könnte. Zunächst fährt der sogenannte Midi-Bus eine Woche lang kreuz und quer durch die Stadt in Gebiete, die nicht optimal an den öffentlichen Personennahverkehr angeschlossen sind: „Aktuell analysieren und entwerfen unsere Verkehrsplaner mögliche Linien für den künftigen Einsatz von Quartiersbussen. Dabei spielt natürlich auch der Praxistest vor Ort eine wichtige Rolle“, sagte Hochbahn-Chef Henrik Falk.

Bereits zum Fahrplanwechsel im Dezember dieses Jahres soll es auf Finkenwerder eine neue Linie geben, die einen Vorgeschmack auf den Quartiersbus geben und das angrenzende Wohngebiet besser an den Anleger Finkenwerder anschließen soll. Von dort fährt die Hadag-Fähre unter anderem zu den St. Pauli-Landungsbrücken. „Da wir in unserer Flotte noch keine emissionsfreien Midi-Busse haben und die Straßenbreiten ausreichen, kommen hier noch die rund zwölf Meter langen Standardbusse zum Einsatz“, kündigte Falk an.

Ende 2022 sollen die ersten klimaschonenden Midi-Busse eingesetzt werden. „Wir brauchen eine Flotte mit 100 bis 200 Quartiersbussen. Wir stehen bei der Fahrzeugauswahl in engem Kontakt mit den Herstellern, aber auch mit unserem Schwesterunternehmen VHH, das auf der Linie 530 Erfahrungen mit Quartiersbussen hat“, sagte Falk.

Erste Quartiersbusse in Langenhorn und Lurup

Als erste Einsatzgebiete für die kleinen Quartiersbusse ab Ende 2022 hat die Hochbahn bislang den Bereich Langenhorn – hier sollen die U-Bahn-Haltestellen Fuhlsbüttel, Langenhorn Markt und Ochsenzoll angebunden werden – ausgewählt. Ein weiterer Bereich ist Eidelstedt/Lurup, dort würden die Fahrzeuge aus den Wohngebieten zu den S-Bahn-Haltestellen Krupunder und Elbgaustraße fahren. Weitere Linien sollen folgen.

Ein klares Ziel vor Augen hat Anjes Tjarks (Grüne). Der Senator für Verkehr und Mobilitätswende sagte: „Um noch mehr Hamburger für den öffentlichen Nahverkehr zu gewinnen, wollen wir ein Angebot machen, das sie tatsächlich überzeugt. Ein wichtiger Baustein dafür werden die Quartiersbusse sein. Sie sollen dort fahren, wo heute noch kein Bus fährt, näher zum Fahrgast kommen und die Quartiere noch besser an Schnellbahn-Haltestellen anbinden.“

Tjarks kündigte an: „Insgesamt werden in den kommenden Jahren rund 600 neue Haltestellen gebaut. Kleinere Fahrzeuge, die emissionsfrei angetrieben werden, können hier ein modernes Mobilitätsangebot sein.“

Midi-Bus Atac Electric hat stolzen Preis

Der am Mittwoch präsentierte Midi-Bus Atac Electric wurde von der Firma Karsan in der türkischen Stadt Bursa gebaut. Das 3,10 Meter hohe Fahrzeug wird vollelektronisch angetrieben und hat eine Reichweite von rund 300 Kilometern ohne Nachladung. Die Batterien kommen von BMW. Es gibt im Fahrgastraum 22 Sitz- und 26 Stehplätze und einen barrierefreien Zugang.

In der Türkei fahren bereits 1500 Busse dieses Typs, allerdings mit einem Dieselmotor. Die Fahrzeuge werden auch in der Metropole Istanbul eingesetzt. Die ersten mit Batterie betriebenen Busse Atac Electric sollen in Deutschland demnächst in Baden-Baden und auf dem Werksgelände von BMW in München fahren. Wichtig ist, dass der Quartiersbus auch durch enge Wohnstraßen fahren kann – ähnlich wie die „Bergziege“ in Blankenese (Linie 48).

Hochbahn-Chef Falk und Senator Tjarks unternahmen am Mittwoch eine kurze Testfahrt mit dem neuen Midi-Bus durch die Innenstadt. Anjes Tjarks war danach sehr zufrieden: „Der Bus fährt völlig geräuschlos, und man hatte in dem Fahrzeug ein heimeliges Gefühl.“ Auch Henrik Falk zeigte sich angetan, er war überzeugt von den „Fahreigenschaften, der Wendigkeit und dem Elektroantrieb“. So viel Komfort hat seinen Preis. Der Midi-Bus Atac Electric kostet 335.000 Euro.

Quartiersbus soll HVV-Fahrgäste zur Schnellbahn bringen

Die Quartiersbusse sind ein Bestandteil des sogenannten Hamburg-Taktes. Damit soll allen Bürgern bis 2030 innerhalb von fünf Minuten Zugang zu einem öffentlichen Verkehrsmittel in der Hansestadt ermöglicht werden.

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Wenn die Erfahrungen mit dem Quartiersbussen ab Ende 2022 gesammelt wurden, könnte es einen weiteren Service für Hamburger geben, die in Gebieten leben, die nicht optimal an Bus und Bahn angeschlossen sind. Der Plan: Die HVV-Fahrgäste können sich über eine App einen Kleinbus direkt an die Haustür bestellen und werden von dort dann zur nächstgelegenen Bahnhaltestelle gebracht, um dort ihre Fahrt mit dem ÖPNV fortzusetzen.