Hamburg. Es gibt Streit um die Feiernden, die das Viertel belagern – die mit Sorge erwartete linksradikale Demo verlief hingegen friedlich.

Die Sonne brennt heiß, es sind noch immer 30 Grad, als dieser brisante Freitagabend im Schanzenviertel anbricht. Die Tische vor den Restaurants am Schulterblatt sind proppenvoll, währenddessen klappern Polizisten bereits die Kioske und einige Bars ab, setzen ein kurzfristig beschlossenes Verkaufsverbot für Alkohol durch. Wegen einer erwarteten Gemengelage von Hunderten Menschen beim „Cornern“ und einer für den späten Abend angemeldeten linksradikalen Demo war die Sorge vor Verletzung der Corona-Auflagen und vor Ausschreitungen im Vorfeld sehr groß. Auch bei den Anwohnern regt sich längst Widerstand.

Bereits am Freitagvormittag erschien der Vorstand des Stadtteilbeirats mit einem Brandbrief an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vor dem Rathaus. Darin ist von fast täglich erscheinenden großen Gruppen von Menschen beim „Cornern“ im Viertel die Rede, die keine Masken trügen, keinen Abstand hielten, die Nachbarn massiv störten.

„Diese Menschenmassen nehmen keinerlei Rücksicht auf die Anwohner, sie produzieren ganz erheblich Lärm, die cornernden Massen entleeren ihre Blasen und teilweise Mägen immer wieder in unsere Hauseingänge“, schreibt der Stadtteilbeirat. Schon tagsüber seien auch die Gehwege oft blockiert. „Wir müssen teilweise mit unseren Einkäufen auf der Straße gehen“, so die Anwohner.

Schanzenviertel immer beliebter als Corner-Location

So gut wie niemand sei in die Nachbarschaft gezogen, um in einem „Party-Viertel“ zu leben – nun sei die Situation kaum noch länger tragbar. Das massenhafte Cornern im Viertel sorgt auch bei den Gastronomen für große Sorgen (das Abendblatt berichtete). Sie seien einerseits dabei überlastet, in den Außenbereichen auf die Einhaltung der Corona-Regeln zu achten – andererseits forderten sie teilweise mehr Platz für Tische im Freien, um sich der Kioske zu erwehren, die mit billigem Alkohol ihr Geschäft untergraben.

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Den Anwohnern sind jedoch bereits jetzt auch „die vielen viel zu eng gestellten Tische der Außengastronomie“ ein Dorn im Auge. Auch hierbei sei an die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern aufgrund der Corona-Gefahr nicht einmal zu denken, heißt es in dem Schreiben des Stadtteilbeirats.

Bars und Kioske dürfen keinen Alkohol ausschenken

Erst in der vergangenen Woche hatten die abendlichen Gruppen beim Cornern zum wiederholten Male für einen Polizeieinsatz gesorgt – allein am Schulterblatt versammelten sich bis zu 700 Personen. Die Beamten schritten ein und stoppten den Alkoholverkauf in den umliegenden Kiosken daraufhin. Bereits seit Tagen hatte die Polizei vor diesem Wochenende nun darauf gedrängt, diesmal proaktiv ein solches Verbot für die betreffenden Kioske zu erlassen – sowohl im Bereich Schulterblatt und Schanzenstraße, für den der Bezirk Altona zuständig ist, als auch am Grünen Jäger, der zu St. Pauli im Bezirk Mitte gehört.

Schon am frühen Abend patrouilliert die Polizei im Schanzenviertel - insbesondere, um das verhängte Alkoholverkaufsverbot durchzusetzen.
Schon am frühen Abend patrouilliert die Polizei im Schanzenviertel - insbesondere, um das verhängte Alkoholverkaufsverbot durchzusetzen. © HA | André Zand-Vakili

Auf Anfrage bestätigte Polizeisprecherin Sandra Levgrün erst am Freitagnachmittag, dass das Verbot im Schanzenviertel unmittelbar in Kraft treten und von 17 Uhr am Freitag bis 6 Uhr morgens gelten solle. Es waren jedoch nicht alle Kioske im Viertel betroffen – sondern nur jene, die bereits am vergangenen Wochenende als problematisch aufgefallen waren. Insgesamt 16 Betriebe, zwölf im Bezirk Altona und vier im Bezirk Mitte, waren von dem Verkaufsverbot betroffen: Unter anderem durften die Bars Goldfischglas und Katze keinen Alkohol ausschenken. Trotz der Vorschrift durften die Bars und Kioske öffnen – das Verbot bezog sich nur auf den Alkoholverkauf.

Mit Sorge beobachtete Demo blieb friedlich

Die Polizei begründete den Schritt auch damit, dass bereits am vergangenen Wochenende die Stimmung gegenüber den Beamten aggressiv gewesen sei. Ein Polizeiauto wurde zerkratzt, ein weiterer Streifenwagen mit Farbe beschmiert. Laut dem Stadtteilbeirat wird das Verbot aber keine langfristige Wirkung haben: „Es geht nur um einen Abend, das Pro­blem wird leider bleiben, auch unabhängig von der Pandemie“, sagte der Vorstand Henning Brauer dem Abendblatt.

Neben dem Cornerpublikum bereitete Anwohnern und Polizei vor allem eine angemeldete Demonstration der linksradikalen Gruppe „Interventionistische Linke“ Sorge: Die ursprünglich geplante Route des Umzugs hätte mitten durch das Viertel geführt. Doch von Zusammenstößen mit der Polizei oder von Ausschreitungen war nichts zu sehen. Die rund 160 Teilnehmer blieben friedlich. Der Zulauf war – womöglich auch durch das Alkoholverkaufsverbot – weniger groß als erwartet oder befürchtet. Zudem haben die Anmelder auf einen Umzug verzichtet und stattdessen eine stationäre Kundgebung abgehalten.

Insgesamt waren gegen 23.45 Uhr rund 800 Menschen im Schanzenviertel unterwegs, allein am Schulterblatt zählten die Beamten laut Lagedienst der Polizei 450 Feiernde – die sich aber "weitestgehend" an die Regeln hielten. Ein ähnliches Bild bot sich am Alma-Wartenberg-Platz in Ottensen, wo rund 350 Menschen feierten, ebenfalls unter weitgehender Einhaltung der Corona-Regeln.