Hamburg. Manche kommen mit dem Kontrollieren vor den Lokalen nicht hinterher. Andere beklagen zu wenig Platz und fordern mehr Außenfläche.
Das Cornern, also das Beisammensein und Trinken an Straßenecken oder auf Plätzen, ist in den vergangenen Jahren zu einer beliebten Freizeitgestaltung geworden. Jetzt, zu Corona-Zeiten, gilt das erst recht. Ob vor der Bar am Mühlenkamp, auf den Stufen zur S-Bahn-Station Reeperbahn, vor dem Kiosk an der Osterstraße, am Schulterblatt in der Schanze oder auf dem Alma-Wartenberg-Platz bilden sich abends Gruppen, um gemeinsam Alkohol zu konsumieren. Sie besorgen sich Bier und Schnaps im Laden oder holen sich ihre Drinks aus Bars und Restaurants, um draußen den Abend zu genießen. Abstand halten? Fehlanzeige.
Am Corner-Hotspot schlechthin, dem Schulterblatt und den angrenzenden Straßen, hielten sich am vergangenen Wochenende mehr als 2500 Feiernde auf. Wie berichtet, verbot die Polizei ab etwa 22 Uhr sämtlichen Lokalitäten in dem Bereich, Alkohol auszuschenken. Doch erst nach drei Stunden hatte sich die Menge zerstreut. Während die Stimmung hier Augenzeugen zufolge friedlich blieb, kam es am Alma-Wartenberg-Platz in Ottensen gegen 2 Uhr zu Ausschreitungen und Schlägereien. 50 Personen flüchteten vor der Polizei, manche warfen Flaschen.
Mehr Gastro-Außenflächen könnten Cornern verhindern
Die dichten Menschentrauben vor ihren Läden machen die Gastronomen nicht glücklich – auch, wenn sich die Feiernden bei ihnen mit Drinks eindecken. „Eigentlich wollen wir, dass alle zufrieden sind: die Kunden und die Polizei. Doch das ist für uns nicht einfach“, sagt Jaõa Oliviera, der mit seinem Bruder das Transmontana am Schulterblatt führt – eines der Lokale, in dem am vergangenen Wochenende der Alkoholausschank verboten wurde. Angesichts der coronabedingten Umsatzrückgänge sei er glücklich, dass die Gäste wiederkämen. Doch es sei für ihn und seine Mitarbeiter sehr anstrengend, für das Einhalten der Abstandsregeln und die Angabe der Kontaktdaten zu sorgen. „Da müssen wir oft diskutieren, aber wir bestehen darauf, dass die Regeln eingehalten werden müssen.“
Mit Bruder und Mutter überlegt er, künftig die Tische draußen an Wochenenden bereits um 20 oder 21 Uhr zu schließen. Dann könnten sich die Leute zwar Getränke im Laden holen, sich unmittelbar davor aber nicht mehr aufhalten – somit sei er nicht mehr für die Einhaltung der Regeln verantwortlich. Sollte die Polizei die Menge auflösen, habe er auch dafür Verständnis. „Wenn Gesetze nicht eingehalten werden, muss sie durchgreifen.“
Situation verschärft sich durch Abstandsregeln
Stephan Fehrenbach, der die Bar Laundrette in Ottensen betreibt, sieht das Cornern mit Sorge – erst recht, wenn es zu Gewalttätigkeiten kommt. „Die Leute konsumieren Alkohol, ohne dass jemand ein Auge darauf hat. Anders ist es, wenn sie das in den Bars und Lokalen tun. Wir sehen es als unsere soziale Aufgabe an, darauf zu achten, dass sie sich benehmen.“ Durch die in der Gastronomie geltenden Abstandsregeln verschärfe sich die Situation. „Wir haben in den Lokalen weniger Platz. Ich habe beispielsweise nur noch drei statt wie früher sechs Tische, an denen nur vier statt sieben bis acht Leute sitzen können.“ Gäste, die bei ihm oder in anderen Lokalen keinen Platz fänden, würden dann eben cornern.
Umso ärgerlicher sind er und andere Gastronomen, dass ihnen vom Bezirk Altona kein Straßenraum zur Verfügung gestellt wird – so, wie es aus der Politik schon vor Wochen vorgeschlagen wurde. Auf der jüngsten Bezirksversammlung wurde ein entsprechender Vorschlag der Bürgerinitiative „Ottensen gestalten“ von allen Fraktionen abgelehnt, bei Enthaltung der FDP. Einzelanträge, die Fehrenbach und andere Gastronomen vor mehr als zwei Wochen gestellt haben, blieben unbeantwortet.
"Alles im Eiimer" – Bar-Betreiber planen Aktion
Das Bezirksamt Altona verweist darauf, dass der zuständige Wegewart die Anträge in Absprache mit der Polizei bewerte und gegebenenfalls Empfehlungen an die politischen Gremien ausspreche. Genehmigungen habe es bislang jedoch noch nicht gegeben. Jetzt hat die parlamentarische Sommerpause begonnen. „Erst haben wir auf die Senatsbildung gewartet, jetzt sollen wir die Urlaubszeit abwarten. Uns läuft aber die Zeit weg“, sagt Fehrenbach, der das Barkombinat mitgegründet hat und sich dort für bessere Bedingungen für Gastronomen einsetzt. So planen die Bar-Betreiber am Montagvormittag unter dem Motto „Alles ist im Eimer“ eine Aktion auf dem Rathausmarkt.
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In anderen Bezirken haben diese mehr Glück. In Hamburg-Mitte etwa wurden nach Angaben von Sprecherin Sorina Weiland bislang 21 Erweiterungen für Sommerterrassen genehmigt, weitere würden derzeit geprüft – zum Beispiel Parkstreifen. „Grundsätzlich sollen die Flächen großzügig genehmigt werden, allerdings sind gewisse Sicherheitsstandards wie etwa die Verkehrssicherheit zwingend einzuhalten.“ So sei etwa für die Nutzung von Parkplatzflächen, Lade- und Lieferzonen ein bauliches Konzept vorzulegen, das geeignet sei, Unfälle zwischen Personen und dem fließenden Verkehr zu verhindern. Zudem müssten Rettungs- sowie Fluchtwege frei gehalten werden, für den Fußgängerverkehr ist eine Restgehwegbreite von mindestens 1,50 Meter frei zu halten und die Flächen bei Bedarf für notwendige Baumaßnahmen zu räumen.
In Eimsbüttel ist noch etwas Geduld gefragt
Noch bessere Aussichten haben die Gastronomen im Bezirk Hamburg-Nord. Seit der Wiederöffnung der Gastronomiebetriebe seien von derzeit 57 Anträgen 50 genehmigt worden, sagt Sprecher Daniel Gritz. In sieben Fällen warte man noch auf die Stellungnahmen der jeweiligen Polizeikommissariate und Wegewarte. „Wir prüfen wohlwollend. Meiner Einschätzung nach werden diese sieben jedoch auch positiv beschieden.“
In Eimsbüttel ist noch etwas Geduld gefragt. Dort wurde kurz vor der Sommerpause auf Antrag der Grünen und der CDU beschlossen, gastronomischen Betrieben auf Antrag die vereinfachte Genehmigung für die Sondernutzung von öffentlichen Wegen und Außenflächen zu ermöglichen, sofern ausreichende Hygiene- und Schutzmaßnahmenkonzepte vorlägen und die Anwohnerinteressen gewahrt blieben.