Hamburg. Bislang 70 Kneipen und Bars haben sich zum Barkombinat zusammengeschlossen, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen.

In normalen Zeiten sind sie die Garanten für gute Laune und gute Getränke: Doch den Inhaberinnen und Inhabern von bislang rund 70 Hamburger Bars und Kneipen ist derzeit nicht nach Party zumute. Zwar dürften sie seit der Lockerungsrunde der Corona-Maßnahmen vor zwei Wochen ihre Läden wieder öffnen. Doch einige könnten das nicht einmal, wenn sie wollten – und die meisten wollen es unter den aktuellen Voraussetzungen auch nicht.

"Die Verordnung ist für uns ein Witz", sagt Florence Mends-Cole, die seit 25 Jahren zusammen mit Patricia Neumann die Daniela Bar führt. Ihre winzige Bar am Schulterblatt könne unter diesen Voraussetzungen nicht wirtschaftlich betrieben werden. Ähnliches hört man von vielen der Gastronomen, die am Donnerstag auf dem Harald-Stender-Platz vor dem Millerntorstadion ihren Verein, ihre Anliegen, Nöte und Forderungen vorstellen.

Zu den Gründungsmitgliedern des Barkombinats gehören Cocktailbars wie Le Lion und Chug Club genauso wie Kiezinstitutionen wie Silbersack und Lunacy, Schanzentreffs wie Katze und Dschungel und eine ganze Reihe mehr quer durchs Stadtgebiet – knapp 70 sind es aktuell, wenn es nach dem Barkombinat geht, bald noch viel mehr.

"Die Verantwortung wurde auf uns abgewälzt"

Dass es Einschränkungen wegen des Virus geben muss, bezweifelt niemand der Teilnehmer: Die Pandemie und ihre Risiken ernst zu nehmen, dazu verpflichtet sich jeder, der Mitglied des Vereins werden will. Doch sie fühlen sich übersehen vom Senat, nicht ernst genommen, allein gelassen. Statt weiterer Lockerungen wollen sie konkrete Hilfen.

"Die Verantwortung wurde auf uns abgewälzt", erklärt Maik Hennig, der seit elf Jahren den Gun Club in der Hopfenstraße führt: Plötzlich sollen die Gastronomen in Personalunion als Hygiene-Beauftragte, Datenschützer, Ordnungshüter und Türsteher fungieren und gleichzeitig noch ihren normalen Job machen. Dafür aber bräuchten sie mehr Personal, müssten zusätzlich von den rasch dahinschmelzenden Rücklagen die teils notwendigen Umbauten finanzieren, um die Hygieneauflagen zu erfüllen – und könnten dabei nur einen Bruchteil ihrer normalen Gäste bewirten.

Bar-Umsätze um 80 Prozent eingebrochen

Bei einigen ist schon aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht klar, ob sie überhaupt öffnen dürfen: Schmale Schläuche wie Lunacy und Sorgenbrecher auf dem Hamburger Berg müssten ihren gesamten Tresen für Gäste sperren – viel Fläche bleibt dann nicht mehr übrig. Andere verzweifeln an den Fristen: Von heute auf morgen wieder öffnen zu dürfen, das war schon logistisch kaum machbar.

Das könnte Sie auch interessieren:

In einer ersten Bestandsaufnahme unter 28 Schankwirtschaften hat der Verein ermittelt, dass die Betriebe im Schnitt nur noch ein Fünftel der normalen Menge von Gästen bedienen können – und dass die Umsätze der Läden, die bereits wieder geöffnet haben, um mehr als 80 Prozent eingebrochen sind.

"Du hast eigentlich nur noch Lust, hinzuschmeißen"

Das vorherrschende Gefühl schwankt zwischen Galgenhumor und Resignation: "Bis dato dachten wir: Wir schaffen das", sagt Mends-Cole rückblickend auf die Zeit nach der Schließung, doch jetzt stehe man "wieder vor dem gleichen Abgrund". Janin Prünstner, die alle nur als Johnny Lunacy kennen, erzählt, sie suche schon "auf eBay nach alten Duschwänden", um für Abstand zu sorgen, "punk-mäßig halt", lacht sie und wird dann ernst: "Du hast eigentlich nur noch Lust, hinzuschmeißen." Und Chug-Club-Chefin Betty Kupsa sagt, die Sorge um die Lage ihrer Mitarbeiterinnen "lässt mich nachts schlecht schlafen".

Eine Patentlösung für die Probleme hat keiner und es gibt sie wohl auch nicht – schon aufgrund der ganz unterschiedlichen Voraussetzungen, Gäste, Läden und Lagen: Die Idee, Parkplätze als zusätzliche Außenflächen freizugeben, stößt gleichermaßen auf Zustimmung wie Widerspruch.

Wie soll man einen Betrunkenen an die Regeln erinnern?

Während man sich in der Laundrette, der Washington Bar oder dem Chug Club darüber freuen würde, ist Yasemin Ergun davon überhaupt nicht begeistert: "Ich muss auch nach Corona mit meinen Nachbarn auskommen", sagt die Wirtin des Sorgenbrecher. Außerdem möchte sie nicht auch noch die Verantwortung für das Verhalten ihrer Gäste übernehmen, wenn die nicht mehr in, sondern vor der Bar sind und da eventuell über die Stränge schlagen.

Denn die Gäste, die sie alle gern haben (wollen), sie können auch zum Problem werden – wie man am vergangenen Wochenende im Zwick sehen konnte: Mit dem Alkoholpegel steigt auch die Beratungsresistenz. Wie man einen Betrunkenen davon abhalten soll, gegen Abstands- und Hygieneregeln zu verstoßen, ohne ihm selbst zu nahe zu kommen, das ist ein Rätsel ohne Lösung.

Barkombinat stellt Forderungen an den Senat

Weil sie für sich und ihre Mitarbeiter in der aktuellen Situation kaum noch einen Ausweg sehen, haben sie sich zum Barkombinat zusammengeschlossen, um gemeinsam auf ihre Lage aufmerksam zu machen – und um Forderungen an den Senat zu stellen:

  • Ausgleichszahlungen wie Mietzuschüsse und anderes müssten fortgeführt werden, bis ein Barbetrieb ohne Pandemie-Auflagen wieder möglich sei
  • Der erhöhte Personalaufwand und die notwendigen Investitionen müssten durch Subventionen aufgefangen werden
  • Das Kurzarbeitergeld für die Mitarbeiter der Bars müsste rückwirkend auf 80 Prozent aufgestockt werden
  • Der Senat müsse in einen Dialog mit dem Verein treten – und den Barbetreibern ein Mitspracherecht einräumen

Die Hamburger Regierung müsse endlich wahrnehmen, dass nicht nur Unternehmen und anerkannte Kulturbetriebe das Bild Hamburgs prägen, sondern auch sie: "Machen wir uns nichts vor: Wenn die Bars und Kneipen weg sind, wir Hamburg zum Provinznest absinken", heißt es in der gemeinsamen Mitteilung, die das Barkombinat am Donnerstag unter dem Titel "Hey Senat, so geht's nicht" vorstellte – nicht in einer Bar, sondern unter freiem Himmel vor dem Millerntorstadion und nicht mit allen Mitgliedern: Um den Corona-Regeln auch in diesem Fall entsprechen zu können.