Hamburg. Hamburger Lokale kämpfen in der Corona-Krise für mehr Außenflächen. Was in Köln möglich sei, solle auch für Hamburg gelten.
Wenn es um Tourismus geht, hebt die Stadt die Bedeutung von Hamburgs Gastronomie gern werbewirksam hervor. Doch jetzt wächst vor allem bei Bar- und Clubbetreibern der Unmut erheblich.
In den sozialen Netzwerken hagelt es Kritik an den bezirklichen Ordnungsämtern und der Polizei, aber auch am Kurs des Senats. Der Hauptvorwurf: Die Gastronomen fühlen sich bei der langsamen Rückführung aus dem Corona-Lockdown von der Stadt alleine gelassen und sehen sich mit einer Reihe schwer erfüllbaren Auflagen konfrontiert. Das Problem: Vor allem in Bars und Schankwirtschaften bleiben die Gäste aus, weil sich die Besucher noch nicht nach drinnen setzen wollen. Offenbar fürchten viele die Übertragung des Coronavirus durch Tröpfcheninfektionen oder per Aerosol, also die unsichtbaren Schwebteilchen in der Luft.
Mehrere Brandbriefe an Politiker geschrieben
Um für potenzielle Gäste wieder attraktiver zu werden, gehen die Gastronomen jetzt einen ungewöhnlichen Weg. Sie fordern die Stadt auf, ihnen zusätzliche Außenflächen zur Verfügung zu stellen, die sie für weitere Tische und Bänke nutzen können. Mehrere Brandbriefe an Politiker wurden bereits geschrieben.
Stephan Fehrenbach, Betreiber der Bar Laundrette an der Ottenser Hauptstraße wendet sich mit seinem Schreiben direkt an Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und die Mitglieder des Senats. Unter der Überschrift „Hamburg mach die Straße frei!“ schlägt Fehrenbach eine „erweiterte Nutzung von Außenflächen vor unserem Lokalitäten“ vor. „Unsere Idee ist es, dass beispielsweise Parkplatzflächen in Sitzplätze umgewandelt werden. Viele Gastronomen hätten nicht den Platz und die entsprechenden Räumlichkeiten, um beispielsweise die Abstandsregeln einzuhalten.“ „Nicht jedes Lokal hat das Glück einer für die jetzige Situation guten Lage mit beispielsweise Anbindung an öffentliche Plätze und Sitzmöglichkeiten.“
Unbürokratische Hilfe in Berlin und Köln
Einen Hilferuf mit demselben Vorschlag senden die Betreiber von sechs Bars und Restaurants auf St. Pauli an die Bezirkspolitiker. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem das Café und Bistro Pauline, die Restaurants Ban Canteen und Nil sowie das Café Rolo. „Wir haben ein nicht zu lösendes Problem“, heißt es in dem Brief. „Unsere Restaurants und die bisher genehmigten Außenterrassen sind zu klein. Unsere Kapazität ist um mehr als die Hälfte reduziert, und wir erwirtschaften höchstens 30 bis 50 Prozent unserer ursprünglichen Umsätze.“
Die Gastronomen verweisen darauf, dass die unbürokratische Hilfe in Städten wie Berlin und Köln bereits möglich gemacht wird. „Die Kölner Gastronomen bekommen die Möglichkeit, die fehlende Kapazität in den Läden auf neu zur Verfügung gestellten Außenflächen zu kompensieren“, schreiben Hoai Trinh Gibbins und Christian Kaminski von der Ban Canteen.
Treffen in der Laundrette im Herzen von Ottensen. Neben Inhaber Stephan Fehrenbach haben sich auch Bettina (Betty) Kupsa vom Chug Club und Saudi Wolde-Mikael, Betreiber der legendären Washington Bar, zum Gespräch eingefunden. Gemeinsam will man beraten, wie die Gastronomen den Weg aus der Krise finden können. Fehrenbach könnte sechs Tische vor die Tür stellen, aktuell sind es wegen der Abstandsregel nur drei. Ähnlich geht es den beiden anderen.
Die Lage ist ernst
„Nur drei Tische stehen draußen, und die Stühle muss ich anketten“, sagt Fehrenbach bitter. Der Grund: Ein Gast darf ja nicht einfach zu einem Zweiertisch rüberrutschen. Fehrenbach beschönigt nicht, wie ernst die Lage für ihn und seine Kollegen inzwischen ist. „Die lebendige und seit Jahren gewachsene Kneipenszene in Hamburg ist in höchster Gefahr“, hat er in seinem Brief an den Bürgermeister geschrieben, und er bekräftigt das auch im Gespräch. „Viele von uns stehen vor dem finanziellen Ruin. Und das nicht erst in Wochen oder Monaten, sondern schon heute“, sagt Fehrenbach.
Die Kritik der Gastronomen geht noch weiter: Während zum Beispiel auf dem Kiez und in Ottensen streng kontrolliert werde, sei man an anderen Orten deutlich nachsichtiger, ist zu hören. In manchen Imbissen, die ihre Speisen offiziell „take away“ – also für den Außer-Haus-Verkauf – anbieten, säßen die Kunden mittlerweile dicht an dicht auf ihren Plätzen, ohne dass eingeschritten werde.
Sicherheitsabstand kaum möglich
Auch in der Schanze gebe es abends immer wieder viele dichter besetzte Tische, an denen der Sicherheitsabstand kaum eingehalten werde. Die Gastronomen wollen ihre Kollegen nicht anschwärzen, aber sie verstehen nicht, warum für ihre Betriebe nicht gelten soll, was für andere offenbar möglich ist. „Wir halten uns streng an die Vorschriften“, sagt Betty Kupsa, „davon dürfen wir jetzt nicht gegenüber irgendwelchen schwarzen Schafen Nachteile haben.“
Im Zuge der Landespressekonferenz machte Bürgermeister Peter Tschentscher am gestrigen Dienstag deutlich, dass der Senat nichts gegen zusätzliche Freiflächen für die Außengastronomien einzuwenden habe. Entscheiden müssten das aber die Bezirke. „Jeder Einzelfall muss aber mit Blick auf die jeweilige Örtlichkeit geprüft werden“, sagte Tschentscher. Der für die Bezirke zuständige Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), so hieß es, habe bereits Entgegenkommen signalisiert.