Hamburg. In seinem neue Buch „Sex & Crime“ berichtet der Hamburger Rechtsmediziner über abscheuliche und sadistische Taten.
Zuletzt machte Professor Klaus Püschel, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin am UKE, weniger als Buchautor von sich reden, sondern vielmehr als Mahner in Zeiten der Corona-Krise. So hatte Püschel erklärt: Alle in Hamburg mit Corona infizierten Verstorbenen, die er untersuchte, hätten eine schwere Vorerkrankung gehabt und wären ohnehin im Laufe des Jahres gestorben. Eine Aussage, die nicht überall Anklang fand, um es vorsichtig zu sagen.
Vor unbequemen Positionen scheut der Forensiker also nicht zurück, ebenso wenig vor schwierigen Themen, wie „Sex and Crime“ belegt, sein neues Buch über Sexualstraftaten im Spiegel von Kriminologie und Forensik. Es ist das vierte, auf echten Fällen basierende „True Crime“-Buch, das in Kooperation mit Abendblatt-Reporterin Bettina Mittelacher entstanden ist. Und es ist das bisher intensivste: Es geht um abscheuliche Taten, um sadistische Lustmörder, um Kinderschänder, um Verbrechen aus Hörigkeit – und um die entsetzlichen Folgen für die Opfer.
Klaus Püschel hat bereits Tausende Leichen untersucht
Seit mehr als 40 Jahren analysiert und rekonstruiert Püschel, was Menschen anderen Menschen antun. Er hat Tausende Leichen untersucht und dazu beigetragen, zahllose Verbrechen aufzuklären. Bettina Mittelacher berichtet für das Abendblatt vor allem über Gerichtsprozesse. Auch in seinem neuesten Buch setzt das Autoren-Duo, das außerdem für das Abendblatt einen eigenen Podcast gestaltet, auf das bewährte Erfolgsrezept: Püschel liefert die harten, wissenschaftlichen Fakten, Mittelacher erzählt die Geschichte der Triebtäter und ihrer Verbrechen.
Wie faszinierend die Welt der Toten und die Welt des Abseitigen sein kann, haben die beiden in ihren vorherigen drei Büchern gezeigt. Nie begnügten sie sich mit einer bloßen Zurschaustellung der blutigen Taten. Und auch in ihrem neuen Buch liefern sie viel Hintergrund zu den Fällen.
Püschels Erkenntnis: Es gibt nichts, was es nicht gibt
Besonders informativ geraten jene Abschnitte, in denen Püschel über forensische Befunde im Zusammenhang mit sexueller Gewalt schreibt und sich etwa mit der Frage beschäftigt, ob ihre Fantasien die Triebtäter zu immer neuen Verbrechen treiben. Das ist harter Tobak und kaum ein Stoff für Leser, die bei Begriffen wie „Zombie-Mord“, Kannibalismus und Verstümmelung innerlich zusammenzucken.
Wer dem Morbiden etwas abgewinnen kann und sich von einem bundesweit anerkannten Fachmann über die pathologischen Varianten des Geschlechtstriebs aufklären lassen möchte, ist hier richtig. Püschels Erkenntnis: „Insgesamt zeigt die Erfahrung: Es gibt nichts, was es nicht gibt.“
Die vorgestellten Fälle leben von ihrer atmosphärisch dichten Schilderung. Kaum eine Passage lässt den Leser so erschauern wie der Beginn des Kapitels „Arzt und Ungeheuer“, da steht: „Es ist ein Geräusch, das dich aufschrecken lässt. Oder ein unbekannter Geruch. Vielleicht auch ein kaum wahrnehmbarer Lufthauch, der durch das Zimmer streicht. Irgendetwas hat dich alarmiert. Du öffnest die Augen und siehst einen fremden Mann bei dir am Bett stehen. Er ist maskiert, er beugt sich über dich und droht: ,Ich habe ein Messer dabei.‘“
Püschel widmet dem „Heidemörder“ ein eigenes Kapitel
Ganz ähnlich ist es acht Frauen ergangen, die im Jahr 1990 Anzeige erstattet haben. Der Serienvergewaltiger, ein 32 Jahre alter Arzt, überfiel seine Opfer in deren Wohnungen und betäubte sie mit Chloroform, bevor er sich an ihnen verging. Acht Monate nach Beginn der Serie wurde er gefasst. Eine junge Frau, die er vergewaltigt und die ihn als einzige unmaskiert gesehen hatte, alarmierte die Polizei, als der Täter erneut vor ihrem Wohnhaus herumlungerte.
Ein eigenes Kapitel ist auch Thomas H. gewidmet, der Ende der 1980er-Jahre als „Heidemörder“ Kriminalgeschichte schrieb. Drei Frauen verschleppte und quälte er auf sadistische Weise, dann ermordete er sie. Sich selbst habe er in Gegenwart von Frauen als „schweinenett“ empfunden, erzählte er vor Gericht. Und er habe diesen Drang verspürt – den Drang zu töten. Ein Psychopath wie aus dem Lehrbuch.
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Freispruch für Kachelmann nach Püschels Expertise
Solche Taten lesen sich wie wahr gewordene Albträume. In diese Kategorie fallen auch die schockierenden Verbrechen des Säurefassmörders Lutz R., der zwei Frauen entführte, sie in einem unterirdischen Atomschutzbunker in seinem Garten gefangen hielt, sie dann ermordete und ihre zerstückelten Leichen in Fässern mit 30-prozentiger Salzsäure auflöste. Eines seiner Opfer, eine 31-Jährige, folterte und missbrauchte er wochenlang.
Weitere Fälle: Der hinfällig wirkende ältere Mann, im Buch „Der Opi mit der Tarnkappe“ genannt, der sich an drei Mädchen verging; die 46-Jährige, die nach andauernden Erniedrigungen ihren Schwiegervater erdrosselte, die Leiche zerstückelte und entmannte. Die Autoren rollen auch den Fall Kachelmann auf. Der Meteorologe wurde freigesprochen – auch oder vor allem wegen der Expertise des Hamburger Rechtsmediziners.
Aus unzähligen Prozessen weiß Püschel zudem, wie schwierig es ist, Sexualstraftäter zu überführen: Nur jedes zehnte Ermittlungsverfahren wegen eines Sexualdelikts ende mit einer Verurteilung.