Hamburg. Chef des Hamburger Instituts für Rechtsmedizin beruhigt: Es seien bislang keine speziellen Gefahrenmomente erkennbar.

Hamburgs Rechtsmediziner warnen davor, in Bezug auf die Coronakrise einer Panik anheimzufallen. „Covid-19 ist nur im Ausnahmefall eine tödliche Krankheit, in den meisten Fällen jedoch eine überwiegend harmlos verlaufende Virusinfektion“, sagt Prof. Dr. Klaus Püschel, der Direktor des Hamburger Instituts für Rechtsmedizin. „Durch eine starke Fokussierung auf die vergleichsweise wenigen negativen Abläufe werden Ängste geschürt, die die Menschen sehr belasten“, meint Püschel.

Die Erkenntnisse aus der rechtsmedizinischen Untersuchung der bisherigen Todesfälle in Hamburg sei, dass alle Verstorbenen „an zuvor bestehenden schwerwiegenden inneren Erkrankungen litten. Zumindest hier in Hamburg sind keineswegs zuvor völlig gesunde Personen betroffen gewesen“, erklärt der forensische Experte. „Insofern kann ich die Bevölkerung beruhigen. Es gibt keinen Grund für eine Todesangst im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Krankheit hier in der Region Hamburg.“

Jeden Corona-Einzelfall sorgfältig untersuchen

Er sei davon überzeugt, so Püschel, „dass man die Situation in jedem Einzelfall sehr sorgfältig untersuchen sollte, bevor in Zusammenhang mit dem Tod über eine spezielle Gefahr durch das Coronavirus diskutiert wird. Speziell jetzt in dieser Phase der Ausbreitung der Epidemie ist es sehr wichtig, von den Toten zu lernen. Hier gilt die alte Weisheit der Pathologen und Rechtsmediziner: Von den Toten lernen für die Lebenden.“

So könnten beispielsweise Erkenntnisse erlangt werden, wie die Covid-19-Krankheit verläuft und wie die inneren Organe von der Virusinfektion angegriffen werden. „Ohne eine pathologische beziehungsweise rechtsmedizinische Untersuchung eines Leichnams ist nicht zu unterscheiden, ob ein Todesfall in Folge einer Coronainfektion vorliegt oder ob es sich um eine mit einer Coronainfektion zufällig assoziierte andere Todes­ursache handelt.“

Bewegungsmangel, Rauchen und Übergewicht steigern das Risiko

Es gelte, was mittlerweile weit verbreitetes Allgemeinwissen sei: dass speziell alte Menschen und Leute mit schweren Vorerkrankungen tödlichen Abläufen zum Opfer fallen. Auf die einzelnen Fälle könne wegen des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht nicht eingegangen werden, erläutert Püschel. „Aber grundsätzlich kann ich betonen, dass Bewegungsmangel, Rauchen und Übergewicht das Risiko für einen schweren oder sogar tödlichen Verkauf enorm steigern. In nicht wenigen Fällen haben wir auch festgestellt, dass die aktuelle Coronainfektion überhaupt nichts mit dem tödlichen Ausgang zu tun hat, weil andere Todesursachen vorliegen, zum Beispiel eine Hirnblutung oder ein Herzinfarkt.“

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Corona an sich sei eine nicht besonders gefährliche Viruserkrankung, sagt der Rechtsmediziner. Es sei vielfach zu Recht darauf hingewiesen worden, „dass sich immer wieder Grippeepidemien ereignet haben, die zu mehr Todesfällen geführt haben als Corona. Das besondere ist eben, dass es gegen das Coronavirus bisher keine Immunantwort gibt, sodass das Virus sich schrankenlos ausbreiten kann, wenn nicht Quarantänemaßnahmen durchgeführt werden.“

Deutschland steht am Anfang der Epidemie

Ähnlich wie bei einer Grippeepidemie, der allein in Deutschland üblicherweise mehrere Tausend Menschen zum Opfer fielen, befinde sich das Land „im Hinblick auf die Todesfälle ganz am Anfang der Epidemie. Die Zahl der Toten, die mit – aber nicht an – Corona sterben, wird auch in Hamburg relevant ansteigen“, ist der Rechtsmediziner überzeugt. „Sie wird aber keineswegs italienische Verhältnisse annehmen.“ Das besonders Positive in Deutschland sei, dass es hier „ein ausgesprochen umfassendes und ausgefeiltes Gesundheitssystem gibt mit einer sehr guten medizinischen Versorgung für die breite Bevölkerung“.

UKE-Professor Michael Schulte-Markwort zur Coronakrise
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    In Hamburg sei die Kooperation mit den zuständigen Behörden vorbildlich. „Wir und die Behörden sind jederzeit auskunftsfähig. Bei den Toten sind Fragezeichen eigentlich überflüssig.“ Hamburg sei gut aufgestellt. Die bisherigen Erfahrungen zeigten, dass keine speziellen Gefahrenmomente erkennbar seien. „Aus meiner Sicht kann man ruhig schlafen.“ Er persönlich sei „überhaupt nicht verunsichert“, betont Püschel. Es gebe viele andere Viruserkrankungen und andere Erkrankungen allgemein, die „viel gefährlicher“ als das Coronavirus seien. „Für mich ist es nicht so wichtig, wann mich die allgegenwärtige Virusinfektion selbst betrifft. Sicher verhindern kann und will ich es auch nicht. Nach einer begrenzten Quarantäne wäre ich relativ schnell wieder einsatzbereit.“

    Es besteht keine Gefahr für die allgemeine Bevölkerung

    Aus rechtsmedizinischer Sicht könne er „nur bestätigen“, so Püschel, „was Virologen, Kliniker und Pneumologen immer wieder erklärt haben: Es besteht keine Gefahr für die allgemeine Bevölkerung. Schwerwiegende Verläufe betreffen die wiederholt genannten Risikogruppen.“ Der Rechtsmediziner betont, dass nach seiner Überzeugung alte Menschen und jene, die an Vorerkrankungen leiden und sich jetzt freiwillig oder unfreiwillig in eine häusliche Quarantäne begeben haben, „unbedingt körperlich aktiv bleiben sollten. Die Gefahr von Thrombosen und Embolien steigt nach meiner Einschätzung relevant, wenn wir im häuslichen Bereich nur sitzen und liegen.“ Er sei „überzeugt“, wenn man alle Corona-Todesfälle sorgfältig untersuche, dass man ganz überwiegend – auch bei den jüngeren Betroffenen – Erklärungen dafür finde, warum diese einen tödlichen Verlauf genommen hätten.

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    Er plädiere für eine auf konkrete Untersuchungsbefunde beruhende Statistik. „Alle Mutmaßungen über einzelne Todesfälle, die nicht sachkundig überprüft worden sind, schüren nur Ängste.“ Es sollte eine für Hamburg von der zuständigen Behörde tagesaktuelle Statistik geben, die auf den entsprechenden Laboruntersuchungen, klinischen Feststellungen und Sektionsbefunden beruht. „Jegliche Spekulation zu sonstigen nicht überprüfbaren Todesfällen sind kontraproduktiv.“ Die Rechtsmedizin bemühe sich, alle Todesopfer zu obduzieren. „Wir schützen uns bei der Untersuchung des Leichnams wie bei anderen Infektionskrankheiten auch. Wir tragen Schutzkleidung, Plastikschürzen, Stiefel, Mundschutz, Schutzbrillen und eine Abdeckung der Kopfbehaarung. Die Situation ist im Prinzip mit einer Intensivstation zu vergleichen.“

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