Hamburg. Die Zeit der Passage in der Innenstadt ist abgelaufen. Eine Entscheidung im Architektenwettbewerb soll aber bald fallen.

Der Architektenwettbewerb für die Neugestaltung des Areals der Gänsemarkt-Passage wird nach Abendblatt-Informationen Ende März abgeschlossen. Dann wird feststehen, wie die Neubebauung auf dem Filetgrundstück in der Innenstadt aussehen soll. Der 1979 eröffnete Gebäudekomplex wird abgerissen (wir berichteten). Die zwei historischen denkmalgeschützten Altbauten aus dem Jahr 1885 an den Colonnaden werden erhalten, saniert und in das neue Quartier eingefügt.

Im Januar 2019 wurde bekannt, dass die Signa Holding des österreichischen Milliardärs René Benko die Gänsemarkt-Passage für nach Abendblatt-Informationen mehr als 110 Millionen Euro gekauft hat. Aber wie geht es jetzt weiter, wann wird der Gebäudekomplex abgerissen? Das Abendblatt hat die Signa Holding mehrfach um Stellungnahme gebeten, aber es gab keine Reaktion.

In der Gänsemarkt-Passage herrscht Tristesse

Unterdessen herrscht in der einstigen Vorzeigepassage Tristesse. Ortstermin am Donnerstag gegen 11.30 Uhr. Es sind kaum Kunden zu sehen, dementsprechend leer sind die Geschäfte. Auch das Entree ist wenig einladend: „Geschlossen“, steht an der Tür des Streetwear-Shops Backyard. Die große Fläche neben dem Haupteingang der Passage ist fast leer geräumt. Etwas verloren warten noch zwei Schaufensterpuppen auf ihren Abtransport. Möbelpacker schleppen in diesem Moment einen Schrank in Richtung Transporter. Wenige Meter weiter ist an dem Schaufenster von Umani – hier werden Blusen verkauft – zu lesen „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“. Wann der Laden geschlossen wird, das kann die Verkäuferin allerdings nicht sagen.

Wer dann das Einkaufsviertel betritt, der steuert nach wenigen Metern auf das nächste Schaufenster zu. Wieder der Hinweis in großen Lettern „Großer Räumungsverkauf bis zu 80 Prozent reduziert“. Dabei handelt es sich um das Bekleidungsgeschäft The Store.

Passage wird eher als Durchgang genutzt

Eine Verkäuferin aus dem Laden sagt: „Die Passage wird eher von Geschäftsleuten als Durchgang genutzt. Sonnabends kommen Touristen rein, das reicht aber nicht.“ Ähnlich negativ äußert sich Backyard-Geschäftsführer Ali Ghiassi: „Der Standort hat unsere Erwartungen nicht erfüllt. In der Woche ist die Kundenfrequenz niedrig. Die Kosten und die Einnahmen standen in keinem Verhältnis, deshalb haben wir uns entschieden, diese Fläche aufzugeben.“ Ghiassi sagt, er werde sich künftig auf die Backyard-Filiale an der Schanzenstraße konzentrieren.

Dieses Geschäft in der Gänsemarkt-Passage lockt mit Rabatten von bis zu 80 Prozent.
Dieses Geschäft in der Gänsemarkt-Passage lockt mit Rabatten von bis zu 80 Prozent. © Thorsten Ahlf | Thorsten Ahlf

Dass hier Handlungsbedarf besteht, weiß auch Brigitte Engler. Die Citymanagerin sagte dem Abendblatt: „Dass die Gänsemarkt-Passage revitalisiert wird, ist ein wichtiger und notwendiger Schritt, um die Attraktivität des Standorts zu steigern.“ Das werde sich auch positiv auf die angrenzenden Colonnaden und das ABC-Viertel auswirken. In ihrer heutigen Form sei diese Passage weder für die Kunden noch für die Händler zeitgemäß. Außerdem werde es wegen des geplanten Abrisses und Neubaus keine langfristigen Mietverträge mehr geben.

Welche Architektur wird künftig die Ecke prägen?

Ein „Altmieter“ ist Dzevat Cosaj. Der Gastronom betreibt seit fast 20 Jahren­ das Eiscafé San Remo am Eingang zu den Colonnaden: „Natürlich würden wir uns wünschen, dass die Passage besser besucht wird. Davon würden alle Mieter profitieren. Ich bin mir aber sicher, dass freie Flächen trotz des geplanten Abrisses­ vermietet werden, zum Beispiel an Pop-up-Stores.“ Das sind Konzepte, die nur für wenige Monate einen Laden mieten und dort ihre Waren anbieten.

Bis zum Abriss wird Gastronom Cosaj seine Fläche behalten: „Ich habe bislang keine Information darüber bekommen, für wann der Abriss geplant ist.“ Multimedia-Künstler Shuk Orani hat sein Atelier in der ersten Etage und sagt. „Ich habe gehört, mit dem Abriss soll in zwei Jahren begonnen werden, und so lange bleibe ich hier. Für meine Arbeit ist die Fläche ideal.“

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Spannend ist, welche Architektur künftig diese prominente Ecke prägen wird. Wie berichtet, hatte Timo Herzberg, Deutschlandchef der Signa Real Estate, gegenüber dem Abendblatt angekündigt: „Es wird einen Neubau an dem Standort mit moderner Architektur geben.“ Entstehen solle ein hochwertiges Büro-Wohn-und-Geschäftshaus. Damals betonte Herzberg: „Mit dem Ankauf der Passage haben wir hier die Möglichkeit, eine großflächige Projektentwicklung in der Hamburger Innenstadt zu realisieren.“

Dass die Signa bei der Neubebauung nicht primär Einzelhandelsflächen plant, ist nachvollziehbar. Es gibt bereits ein Überangebot. So sollen beispielsweise in dem gerade eröffneten Gebäudekomplex der ehemaligen Vereins- und Westbank am Alten Wall noch für mehrere Ladenflächen Mieter gesucht werden.