Hamburg. Passagen-Mieter erfuhren durch Abendblatt-Bericht davon. CDU befürchtet Verkehrschaos durch Großbaustellen.
Die Gänsemarkt Passage soll abgerissen werden – das hatte das Abendblatt am Mittwoch exklusiv berichtet und damit eine kontroverse Diskussion ausgelöst. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete David Erkalp sagt: „Seit Jahren wird am und um den Gänsemarkt herum gebaut. Darunter leiden die Händler und Verkehrsteilnehmer. Wenn jetzt zwei weitere große Gebäude (auch das Deutschlandhaus, d. Red.) abgerissen und neue Häuser errichtet werden, dann wird es dort zu weiteren Umsatzeinbußen kommen, und das Verkehrschaos ist programmiert.“
Wichtiger sei es, den aufwendig umgebauten Platz mehr „zu bespielen“. Der CDU-Politiker: „Abends ist dort nichts los. Leider hat die Stadt nicht die Chance im Zuge des Umbaus genutzt und dort Glaspavillons mit Gastronomie errichtet. Das würde den Gänsemarkt, wie früher, wieder zu einem Treffpunkt machen.“
Block House möchte bleiben
Wie berichtet, hat die frühere Eigentümerin MEAG aus München die 1979 eröffnete Passage an die Signa Gruppe des österreichischen Milliardärs René Benko verkauft. Es wird in Branchenkreisen von einem Kaufpreis in Höhe von mehr als 110 Millionen Euro gesprochen. Der neue Eigentümer will die Immobilie durch einen Neubau mit moderner Architektur ersetzen. Ein „hochwertiges Büro-, Wohn- und Geschäftshaus“ solle dort entstehen, so Timo Herzberg, Deutschlandchef der Signa Real Estate. Die zu dem Komplex gehörenden Altbauten an den Colonnaden sollen saniert werden und erhalten bleiben. Es gibt noch keinen Zeitplan. Bekannt ist allerdings, dass bereits im Sommer das nahe gelegene Deutschlandhaus am Gänsemarkt abgerissen werden soll.
Wie reagieren die Einzelhändler und Gastronomen der Gänsemarkt Passage auf den Plan? Es hatte unter den Mietern – die meisten sollen noch Verträge bis 2022/2023 haben – bereits Gerüchte über einen Verkauf gegeben, aber von dem Abriss erfuhren die meisten aus dem Abendblatt. „Wir wurden bislang nicht offiziell informiert. Ich mag diese Passage und würde mir wünschen, dass diese erhalten und revitalisiert wird“, sagte Gerd Leins, Inhaber des traditionsreichen Reisegepäckgeschäfts Klockmann. Dzevat Cosaj, Besitzer des Eiscafés San Remo, der sein Lokal seit 2002 an dem Standort betreibt, sagt: „Wir Mieter müssen jetzt zusammenhalten und alle bis zum Schluss bleiben. Die Passage darf nicht aussterben.“
Citymanagerin befürwortet Abriss
Viele Hamburger verbinden das Gebäude mit dem Block House in der ersten Etage. Der Schriftzug ziert weithin sichtbar die Fassade. Als Mieter der ersten Stunde hatte Unternehmer Eugen Block das Restaurant 1979 eröffnet. Es dürfte eine der umsatzstärksten Filialen der Kette sein: „Wir wollen mit unserem Block House auf jeden Fall an diesem traditionsreichen Standort bleiben. Wir sehen mehrere Möglichkeiten. Entweder suchen wir uns eine neue Fläche am Gänsemarkt oder wir ziehen nach einem Neubau wieder in die Passage ein. Alle Mitarbeiter werden ihren Arbeitsplatz behalten“, sagte der Vorsitzende der Geschäftsführung, Stephan von Bülow.
Positiv bewertet Citymanagerin Brigitte Engler den geplanten Abriss: „In der Projektentwicklung des Quartiers Gänsemarkt sehen wir eine große Chance, dass das Viertel sich weiterhin positiv entwickelt. Das wird sich auch frequenzsteigernd auf die angrenzenden Quartiere Colonnaden und ABC-Viertel auswirken.“ Gerade die Schaffung von Wohnraum in der Innenstadt sei absolut notwendig für die abendliche Belebung.
Grüne fordern Ökobilanz
Unterdessen sieht Kristina Sassenscheidt, Vorsitzende des Denkmalvereins Hamburg, Handlungsbedarf: „Der geplante Abriss sollte Anlass dazu geben, die qualitätvolle Architektur der 1980er-Jahre in Hamburg systematisch zu untersuchen, die zeitlich schon ihre erste Sanierungswelle erlebt.“ Die Postmoderne sei in Hamburg deutlich hanseatischer aufgetreten als in anderen Städten und zeichne sich dadurch aus, dass sie sich meist behutsam in den Kontext einfüge und an lokale Traditionen anknüpfe, so Sassenscheidt weiter.
Ginge es nach den Grünen im Bezirk Hamburg-Mitte, müsste vor dem Abriss der Gänsemarkt Passage eine Ökobilanz erstellt werden – ähnlich, wie es BUND und Denkmalverein vor wenigen Tagen im Abendblatt gefordert hatten. „Wir setzen uns dafür ein, dass in Genehmigungsverfahren künftig auch die graue Energie, die in einem Gebäude steckt, berücksichtigt wird“, sagt der Fraktionsvorsitzende Michael Osterburg. Es müsse berechnet werden, ob der Abriss eines Gebäudes nicht viel mehr Energie als seine Sanierung und Modernisierung verschlinge. Osterburg: „Diese Forderung ist ein Beitrag zum Klimaschutz und Bestandteil unseres Wahlprogramms für die Bezirkswahl.“