Hamburg. Bebauung im Schatten der Neuen Mitte gilt als eines der wichtigsten Stadtentwicklungsprojekte. Doch Bezirkspolitiker schlagen Alarm.

Eigentlich müsste die Entwicklung des Holsten-Areals ein Vorzeigeprojekt sein. Schließlich stehen auf dem ehemaligen Brauereigelände in Altona mehr als 86.000 Quadratmeter zur Verfügung, um ein neues Quartier für Tausende Menschen zum Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Flanieren zu schaffen. Doch es läuft nicht rund.

Holsten-Areal: Es tauchen immer wieder neue „Player“ auf

Der Zeitplan verzögert sich. Und es tauchen, wie jetzt das Berliner Unternehmen ADO, immer wieder neue „Player“ bei einem der größten Hamburger Bauvorhaben auf. Die Bezirkspolitik übt scharfe Kritik: „Es ist katastrophal, dass bei dem Holsten-Areal-Projekt ständig die Eigentumsverhältnisse und Ansprechpartner wechseln. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit ist so leider nicht möglich. Und wir sprechen hier immerhin von einem der wichtigsten Stadtentwicklungsprojekte für Hamburg“, sagt Altonas CDU-Fraktionschef Sven Hielscher und erhebt schwere Vorwürfe. „Da müsste man eigentlich davon ausgehen, dass Profis am Werk sind. Aber es handelt sich hier wohl eher um Immobilienspekulanten.“

Etwas zurückhaltender formuliert es SPD-Stadtentwicklungsexperte Gregor Werner: „Natürlich ist es nicht optimal, dass sich immer wieder die Besitzverhältnisse für das Holsten-Areal verändern und damit auch die Ansprechpartner. Die Politik hätte sich gewünscht, dass ein Projektentwickler von Anfang bis Ende dieses für Hamburg so wichtige Großbauvorhaben durchzieht. Das hat leider nicht geklappt.“

Zuerst hieß es, die ersten Gebäude sollten 2021 fertig sein

Zunächst hatte 2016 die Düsseldorfer Gerchgroup das Grundstück von der Carlsberg-Gruppe – zu der Holsten gehört – gekauft. Damals hieß es noch, die ersten Gebäude sollen 2021 fertiggestellt sein. Die Gerchgroup ist seit längerem raus aus dem Projekt. Das wurde von der SSN Group übernommen, die dann später mehrheitlich an die Berliner Consus Real Estate ging. Aber das Karussell dreht sich weiter, jetzt taucht mit dem Immobilienunternehmen ADO wieder ein neuer Name auf: Die Tochtergesellschaften der Consus Real Estate AG seien die Eigentümer des Holsten-Areals, sagte der Vorstandsvorsitzende Andreas Steyer dem Abendblatt.

Seit Kurzem ist die ADO Properties S.A., die vor allem auf dem Berliner Wohnungsmarkt aktiv ist, mit 22 Prozent an der Consus beteiligt. Doch schon bald könnte die ADO noch sehr viel mächtiger bei der Consus werden. ADO hat sich eine Option gesichert, um eine zusätzliche Beteiligung von 51 Prozent an der Consus zu erwerben. Die Consus sei heute der führende Immobilienentwickler in den deutschen Top-9-Städten mit einem Entwicklungspotenzial von rund zehn Milliarden Euro, sagt Steyer.

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Die Rede ist von 840 Millionen Euro Gesamtinvestitionsvolumen

Das Holsten-Areal dürfte eines der größten Projekte sein – von 840 Millionen Euro Gesamtinvestitionsvolumen ist die Rede. „Wir wissen um die Bedeutung dieser Projektentwicklung, und uns liegt an einer zügigen Umsetzung.“ Von dem Verhältnis zur Politik hat Steyer offensichtlich einen ganz anderen Eindruck. Der Immobilienexperte sagt: „Unser Team um Thomas Fründt, Leiter der Projektentwicklung, pflegt einen regelmäßigen informellen Austausch mit der Politik. Die Politik weiß, dass wir für Informationen zu diesem bedeutenden Stadtentwicklungsprojekt jederzeit zur Verfügung stehen.“ Auch mit der Verwaltung gebe es einen engen, praktisch wöchentlichen Austausch, der die Planung des Holsten-Quartiers weit vorangebracht habe.

Aber wie geht es weiter? Die Produktion der Holsten-Brauerei ist bereits Ende 2019 nach Hausbruch verlegt worden. Das Verwaltungsgebäude wird Ende April­ geräumt, dann ziehen rund 150 Mitarbeiterin in die Marzipanfabrik nach Ottensen. Mit dem Abbruch könne nach aktueller Planung im zweiten Quartal dieses Jahres begonnen werden, sagt Steyer. Der Baubeginn für den ersten Abschnitt des Holsten-Areals sei für das erste Halbjahr 2021 geplant. Das würde bedeuten, dass die ersten Gebäude dort 2024 bezogen werden könnten. Einen städtebaulichen Vertrag – der als Grundlage für die spätere Baugenehmigung gilt – gibt es noch nicht. „Dazu laufen nach der erfolgreichen öffentlichen Plandiskussion im November die finalen Abstimmungen mit der Stadt“, sagte Steyer. Aber so weit sind diese wohl noch nicht: „Das zweite Quartal 2021“, nannte ein Sprecher des zuständigen Bezirksamtes Altona als „Zeitziel“ für die Unterzeichnung des städtebaulichen Vertrags.

Ein neuer Stadtteil auf dem Holsten-Areal

Auf dem Holsten-Areal soll ein kleiner Stadtteil entstehen: Geplant sind rund 1400 Wohnungen, davon 30 Prozent öffentlich gefördert. Jeweils ein weiteres Drittel ist für den Bau von frei finanzierten Mietwohnungen und Eigentumswohnungen vorgesehen, außerdem sollen Baugemeinschaften dort Flächen haben.

Zudem sind in dem neuen Quartier auf etwa 25.000 Quadratmeter Fläche Büros, Einzelhandel inklusive Supermarkt, Gastronomie, ein Handwerkerhof und ein Quartierszentrum im denkmalgeschützten Sudhaus vorgesehen. Die historische Schwankhalle wird erhalten, und dort soll ein Hotel integriert werden. Auch eine Mikrobrauerei ist in Planung. Zudem wird es mehrere Kindertagesstätten auf dem Gelände und Grünflächen geben.

Vielleicht gehört bald der Stadt ein Teil des Holsten-Areals

Aber wird die Consus tatsächlich das Holsten-Areal im Portfolio halten? „Bei einem Projekt dieser Größenordnung ist es üblich, dass einzelne Baufelder zum Beispiel an Wohnungsunternehmen verkauft werden“, sagte Steyer. Im Abendblatt-Gespräch bestätigte Steyer aber auch, „dass gemäß unserem Geschäftsmodell ,bauen und verkaufen‘ das Gesamtprojekt üblicherweise mit Fertigstellung an einen institutionellen Anleger übergeht“.

Vielleicht gehört auch schon bald der Stadt ein kleiner Teil des Holsten-Areals. Dabei geht es um mehrere Mehrfamilienhäuser, die seit Langem am Rande des Geländes stehen. Die Bezirksversammlung hat einen Antrag der rot-grünen Koalition beschlossen, in dem die Finanzbehörde gebeten wird, mit der Consus Verhandlungen zum Ankauf dieser Häuser aufzunehmen. Das sei ein sehr wichtiger Schritt, um hier langfristig sozial verträgliche Mieten zu realisieren, sagte SPD-Politiker Werner.